Die Lüneburger Leuphana-Universität gilt seit Amtsantritt ihres Präsidenten
Sascha Spoun und dessen Kanzlers Holm Keller als viel beachtetes
Hochschulmodell. Die dort stattfindende "Neuausrichtung" fand ein starkes
Presseecho sowie die uneingeschränkte Unterstützung der niedersächsischen
CDU-Landesregierung. Kein Wunder, denn Spoun und Keller stammen aus
wirtschaftsnahen Kontexten und sind immer noch z.B. mit Bertelsmann und
McKinsey verbunden. Diese Kreise versuchen derzeit, massiv auf das
bundesrepublikanische Bildungssystem einzuwirken, Bildung nachhaltig zu
ökonomisieren und ihre Netzwerke in Hochschulen und Bildungspolitik weiter
zu implementieren: Hierfür stellt Lüneburg das Modell dar, das bei
erfolgreicher Umsetzung auch an anderen Standorten eingeführt werden soll.
Nachdem der Senat der Lüneburger Universität bislang die Politik des
Präsidiums mit Mehrheitsentscheidungen gestützt hatte, sehen die aktuellen
Entwicklungen anders aus. Die Schließung der Studiengänge Sozialpädagogik/
Sozialarbeit und Lehramt Physik wird vom Senat nicht mitgetragen: In der
Sitzung vom 16.7.08 stellte sich dieser in der entscheidenden Abstimmung
gegen die Uni-Spitze. Das Präsidium reagierte prompt und erklärte einen Tag
später, dass es bei dem Schließungsentschluss der Uni-Spitze bleibe.
Rechtlich ist sie hierzu in der Lage, da das niedersächsische
Hochschulgesetz vorsieht, dass das Präsidium in Absprache mit dem
Ministerium Studiengänge eröffnen und schließen kann. Doch seitdem rumort es
an der Uni und in der Stadt, überall wird die Frage gestellt, welche
Bedeutung demokratisch gewählte Gremien überhaupt noch haben, wenn sie
derart autokratisch überstimmt werden können. Pikanter
Nebenkriegsschauplatz: Das Präsidium hat zeitgleich einen Studiengang für
den Führungskräftenachwuchs der Otto-Group eingerichtet, was jedoch auch vom
Senat abgelehnt wurde, nun aber - selbstverständlich mittels
Präsidiumsbeschluss - kommen soll. Zu dumm, dass während der höchst
brisanten Sitzung am 16.7. über die Hälfte der Präsidiumsmitglieder -
darunter der Leiter des "Zentrums für Demokratieforschung" - gefehlt oder
sich vorzeitig aus der Sitzung verabschiedet hatte.
Auch der "Kunstraum der Leuphana Universität" spielt eine wichtige Rolle bei
der Neuausrichtung der Universität. Er avancierte zur "zentralen Einrichtung"
des Präsidiums, dafür unterstützt er den umstrittenen Bau des
Libeskind-Audimaxes bedenkenlos - eine erstaunliche Wende einer vormals der
"institutionellen Kritik" verpflichteten Kunst-Institution.
Doch es ist möglich, dass der Begriff "Leuphana" in absehbarer Zeit nicht
allein für die feindliche Übernahme der Hochschulen durch die Corporations,
sondern auch für den Widerstand gegen diesen als "Reform" getarnten
Harald Baumanns
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