<!--[if !supportEmptyParas]--><!--[endif]-->von christian b. (ein Anwohner)
Seit Anfang 2008 gibt es die WCW Gallery in Hamburg Wilhelmsburg
Die Galerie befindet sich im beliebten Reiherstiegviertel in einem eher
heruntergekommenen, unsanierten Haus. Innen: auffällig weiß gestrichene Wände, nebenan: ein türkischer Kulturtreff.
Was erst studentisch anmutet entpuppt sich nun nach einem halben Jahr als Treffpunkt der sogenannten jungen Kreativen und modernen Künstlerszene aus Hamburg sowie der restlichen Welt.
Zwar werden die Betreiber laut Aussage nicht von der IBA (internationale Bauausstellung) gesponsert, doch ist es sehr merkwürdig, dass von der IBA-Sprecherin der Tipp kommt, "schauen sie sich doch mal die WCW-Gallery an !", wenn man sich danach erkundigt was denn kulturell los sei in Wilhelmsburg.
In einem Zeitungsartikel in der Welt am Sonntag vom 17. August 2008 wird von "Pionieren" gesprochen.
Was ist das für ein Pioniergedanke, der dann doch wieder althergebrachte, kunstspezifische Verbreitungs- und Vermarktungsmuster hervorbringt?
Man nehme einen bekanntermaßen sozialproblematischen Stadtteil, eröffnet mit Hilfe eines städtischen Unternehmens eine junge, kreative Galerie, lockt Künstler und weitere Kunstbetriebsmenschen an und im Laufe der Zeit ziehen immer mehr "Kreative" nach Wilhelmsburg, Bars eröffnen, Restaurants verändern das Straßenbild. Es kommen Menschen mit mehr Geld nach Wilhelmsburg.
Kein Wilhelmsburg-spezifisches Problem, sondern ein weltweites.
Die Forderungen der Galeristen, alles soll doch so bleiben wie es ist, ist ein elitärer, privilegierter, arroganter Blick, der naiv und voller Widersprüche ist!
Für die Bewohner Wilhelmsburgs müssen sich Ausbildungsmöglichkeiten und Schulbildung verbessern.
Rassismus, Vorurteile und Intoleranz gegenüber Migranten müssen aufhören.
Was kann also solch eine Galerie in diesem Viertel leisten ? Werden diese Themen in der Galerie bearbeitet? Oder wollen die Betreiber die junge Kunst und den verbundenen „Luxus“ ins Viertel bringen und sich gegenseitig auf die Schulter klopfen?
"Pioniere (Kreativ!)" Bildstrecke unter:
www.wcw-gallery.com
Click auf: "Media"
Dazu anmerkend:
Die WCW-Gallery stellt ihren Interessenten auf der Homepage diverse Anfahrtsskizzen/Wege zur Verfügung. Daß dort wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, daß potentielle Besucher aus St.Pauli oder vom Hauptbahnhof kommen, läßt darauf schließen, welche Clientel man erwartet und/oder sich erhofft.
Siehe auch Zweisprachigkeit der Site: Deutsch/Englisch. Soviel zu den salbungsvollen Worten der Galerie, einen "Ort der Zusammenkunft zu schaffen, welcher sich mit seiner Umgebung in Beziehung setzt".
Man sieht sich eben in einer "Entwicklung, die ich nicht aufhalten kann" ganz bescheiden als nur "kleines Rädchen im Getriebe der Maschinerie".
Mehrer solcher Standpunkte sind nachzulesen unter www.wcw-gallery.com/d-main.html.
Die Polemik gegen Gentrifizierung im Allgemeinen und die IBA im Besonderen lautet vereinfacht gesagt so: Künsler kommen in ein herunter gekommenes aber günstiges Viertel, machen es interessant, schicke Bars und Cafés folgen nach, Investitionen werden angezogen, die Preise steigen, die arme eingesessene Bevölkerung wird verdrängt. Auf den ersten Blick scheint das zu stimmen und einer unausweichlichen Logik zu folgen. Doch bei etwas genauerer Analyse stellt sich heraus, dass die Logik der Märkte hier keineswegs zu Ende gedacht ist.
Die Alternative zur Gentrifizierung wäre ja folgende: Das Viertel bliebe sich selbst überlassen und weiterhin auf sozialstaatliche Stabilisierungsmaßnahmen angewiesen. Die Hauseigentümer täten in ihren Häusern wenn überhaupt nur das Nötigste, Investitionen blieben aus. Der Verfall, die Verslumung wären auf Sicht unvermeidlich. Aber: Die Mieten blieben günstig.
Der umgekehrte Fall, nämlich dass die Mieten in Uferlose steigen, muss aber keineswegs eintreten. Berlin ist dafür das beste Beispiel. Obwohl in den letzten 20 Jahren über eine Million Menschen, die überwiegend aus der "kreativen Szene" kommen, in die Stadt gezogen sind, blieben die Mieten in den In-Vierteln (mit Ausnahme von Mitte) lange Zeit erstaunlich stabil. Erst seit dem Wirtschaftsaufschwung der letzten zwei Jahre beginnen sie merklich anzuziehen. Warum hielt sich die günstige Struktur so lange? Weil es in Berlin ein Überangebot an Vierteln gab, die für die kreative Szene attraktiv sind. So ließen sich höhere Mietpreise nur bedingt durchsetzen.
In Hamburg ist es umgekehrt. Es gibt im Verhältnis zur Größe und Anziehungskraft der Stadt viel zu wenige Viertel, die eine urbane Atmosphäre bieten. Je mehr es davon geben wird, je mehr neu geschaffen werden, desto geringer wird der Druck auf St. Pauli, auf Ottensen, auf die Schanze und das Karoviertel. Natürlich werden die Mieten in Wilhelmsburg steigen, wenn die Häuser saniert werden. Aber eine wilde Spekulation wird nur dann einsetzen, wenn das Viertel overhypt wird. Deshalb reicht Wilhelmsburg allein nicht. Auch Barmbek, Hamm, Horn, Rothenburgsort bieten ähnliche Potenziale und sollten entsprechend vorsichtig entwickelt werden. Was für Gewerbemieten gilt, gilt auch für Wohnungsmieten: Die beste Versicherung gegen Spekulation ist ein Überhang auf der Angebotsseite. Deshalb brauchen wir in Hamburg nicht weniger, sondern eher mehr IBA und mehr Sprünge in bisher unentdeckte Stadtteile.