Demokratie an der Leuphana
21.08.2008 | 11:19 Uhr | Alter: 11 Jahre

Demokratie an der Leuphana


Mit einigem Erstaunen, viel Aufmerksamkeit, etwas Neid und dem geringen Wunsch nach Scheitern nimmt die deutsche Hochschulwelt zur Kenntnis was sich derzeit in der niedersächsischen Provinz abspielt. An der ehemaligen Universität Lüneburg haben zwei Hochschulmanager angeheuert, die aus dem Stall der McKinseys und Bertelsmanns kommend, eine Spielwiese erhalten haben. Hier dürfen sie mit dem Segen der Landesregierung ausprobieren, was auf Grundlage des niedersächsischen Hochschulgesetzes und in dessen Grauzonen alles möglich ist.

Sascha Spoun, studierter Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Nachwuchsdozent an der Universität St. Gallen und seine bessere Hälfte Holm Keller, ehemaliger Kulturmanager von McKinsey und Auslandskorrespondent der  Bertelsmann AG haben das Ruder an der Universität Lüneburg im Herbst 2006 übernommen. Alsbald konnten sie mit Unterstützung von Freunden die ersten Erfolge feiern. Die Agentur Scholz & Friends machte sich „pro bono“ auf, einen neuen Namen samt eines Außenauftritt zu konzipieren. Sie nannten das neue Produkt „Leuphana“. Spoun und Keller erdachten hierzu ein neues Konzept für den Bachelorabschluss und nannten ihn passender Weise „Leuphana-Bachelor“. Dieser beinhaltet ein Semester Studium generale und ein Semester Komplementärstudium, jedoch ohne die Curricular der alten Bachelor wirklich anzupassen und ohne auf die berufsweltlichen Realitäten beispielsweise in den ehemaligen Fachhochschulstudiengängen Rücksicht zu nehmen. In atemberaubender Geschwindigkeit machten die Beiden weiter. Ein neues Zentralgebäude sollte her, am besten von Daniel Libeskind designed. Dies ohne Ausschreibung zu erhalten war eine wirkliche Herausforderung, die von Spoun und Keller jedoch mit einigem Chuzpe gemeistert wurde. Libeskind erhielt einfach eine außerordentliche Professur, auf die nur er sich bewarb und schon konnte der Entwurf eine Dienstaufgabe werden. Nicht dass der Senat der Universität der Personalie Libeskind ebenso skeptisch gegenüber stand wie der Stiftungsrat, wobei dieser ihn berufen haben muss. Allerdings könnte dies an der Anwesenheit des Staatssekretärs Dr. Joseph Lange und seiner wortgewaltigen und mit Drohungen gespickten Argumentation gelegen haben.

Der nächste Schritt in der Leuphanisierung der Universität Lüneburg stellte ein Entwicklungskonzept und eine Evaluation durch die wissenschaftliche Kommission Niedersachsen dar. Doch wer jetzt endlich den inhaltlich großen Wurf erwartet hatte wurde jäh enttäuscht. Einzig die Einstellung des Studienganges Sozialarbeit/Sozialpädagogik, des Teilstudienganges Physik im Lehramt und die Schwerpunktbildung in vier Initiativen wurde am Ende dieses Prozesses vorgeschlagen. Die vier Schwerpunkte sind zum Einen Kultur- sowie Umweltwissenschaften, schon seit einigen Jahren Studiengänge in Lüneburg, die als Alleinstellungsmerkmal herhalten können. Zum zweiten Schwerpunkt wurde die Lehrerbildung auserkoren und des Weiteren alles andere unter dem wohlklingenden Namen „Management & Entrepreneurship“ zusammengefasst. Unter dieser Bezeichnung wurde alles subsumiert was aus dem aktuellen Studienangebot übrig blieb, von Bau-Ingenieuren (Bau-Wasser-Boden

-Managment) über Wirtschaftsrecht, Wirtschaftspsychologie, Ingenieurwissenschaften Industrie (Automatisierungstechnik) bis hin zur Betriebs- und Volkswirtschaftslehre.

Allerdings wurde die Universität an diesem Prozess nur sehr am Rande beteiligt und maximal im Rahmen der gesetzlichen Notwendigkeiten. Eine vertrauliche erste Lesung der Entwicklungsplanung im Senat wurde durch eine Stürmung seitens der Studierenden verhindert, eine breite Mehrheit der Mitglieder der Universität lehnt die Planungen weiterhin ab, eine knappe Mehrheit der Mitglieder im Senat konnte diesen Plänen der Universitätsleitung zustimmen.

Allerdings kam es kurze Zeit später zum Eklat. Die Schließung der Sozialpädagogik musste über einen Nachtrag in der Zielvereinbarung eingebracht werden. Hierfür verweigerte der Senat mit großer Mehrheit seine Zustimmung, ebenso wie für die Schließung des Teilstudienganges Physik und für die Neueröffnung eines Weiterbildungsmaster, der einzig und allein Mitarbeitern der Otto Group offen steht. Eine kuriose Randnotiz an dieser Stelle ist die Tatsache, dass der Otto-Studiengang im Modellprojekt „Offene Hochschule“ als geschlossener Studiengang angeboten wird. Als wäre all dies nicht geschehen verkündete der Präsident am nächsten Tag mit einem lauten „Ja und!“ trotzdem die Schließung der zwei Studiengänge und die Einführung des Masters für Otto. Damit hat die Leitung der Universität Lüneburg wieder einmal ihrem Auftrag Rechnung getragen, die Grenzen des NHG auszuloten. Es ist nämlich in  Fällen von Neueröffnung und Schließung von Studiengängen egal was die Mitglieder der Universität dazu sagen, welche Meinung in den akademischen Gremien ausgetauscht werden. Das Präsidium entscheidet, die Gremien werden nur angehört. Einzig mit dem Ministerium muss Einvernehmen erzielt werden. Was aber nicht schwierig sein sollte, wenn nur der explizite Auftrag ausgeführt wird, die Grenzen des NHG zu testen und bei Zeiten auch zu verschieben.

Welchen Eindruck die Leitung der Universität Lüneburg damit in der Öffentlichkeit hinterlässt ist den Hochschulmanagern Spoun und Keller relativ egal, dass Projekt „Leuphana“ hat ja ein fest datiertes Ende. Welches Bild von Demokratie und ihrem Verständnis damit fast 9.000 junge Menschen prägen kann, scheint die Herren ebenso wenig zu interessieren. Was einigermaßen verwunderlich ist, wenn sie sich auf ein Grundverständnis berufen, dass mit Humanismus und Nachhaltigkeit argumentiert.

Abschließend stellt sich die Frage, wohin dieser Weg führen wird. Hierzu soll kurz ein Szenario aufgemalt werden, wie die Hochschullandschaft in Niedersachsen im Allgemeinen und in Lüneburg im Speziellen in 15 Jahren aussehen könnte. Aus der Universität Lüneburg ist die private Hochschule Leuphana geworden, an ihr kann jedes Unternehmen sich einen Studiengang einrichten wenn es nur ausreichend bezahlt. Das Zentrum für Demokratieforschung ist ersetzt worden durch das Centrum für Hochschulentwicklung. Die Studierendenzahlen liegen bei 3.500 Studierenden. In ganz Niedersachsen werden die Universitäten durch die Präsidien regiert wie kleine Königreiche. Die Niedersächsische Technische Hochschule, hat die Universitäten in Braunschweig, Hannover und Clausthal-Zellerfeld aufgesogen, die Fachhochschulen sind alle an Universitäten angegliedert (wie bei der Fusion in Lüneburg), alles im allem gibt es in Niedersachsen noch vier staatliche Universitäten, keine Fachhochschule und viele kleine, aber feine private Hochschulen, die alle immer wieder kurz vor dem Bankrott stehen. Demokratie spielt an all diesen Einrichtungen keine Rolle mehr, der Senat hat Anhörungsrechte, aber niemand nimmt sie wahr, weil diesen rechtlichen Schachzug begriffen haben.

Die Schöne neue Welt der Bertelsmänner und McKoys in der deutschen Hochschullandschaft.

Björn Gluesen

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