Die Kurznotiz von Judith Haman vom 19.3.08 auf thing unedited gibt vor, einen Streitfall im Ausstellungsbetrieb zu beschreiben. Der Kurztext suggeriert, dass Kunst "vernichtet" worden sei. Diese Behauptung weise ich zurück. Der folgende Text gibt in der Sache eine Chronologie der Ereignisse:
2007 Für den Herbst des Jahres lädt Judith Haman die Künstler Mark und Matvey Slavin ein, im Rahmen des Projekts wandsbektransformance eine Arbeit zu realisieren. Es entsteht zusammen mit Joe Sam-Essandoh auf der Schimmelmannstraße im Stadtraum Wandsbek die Installation Passage Schnürung Masken, "ein theatralischer Raum für das Drama des WarenLebens in der Stadt des Welthandels" (wandsbektransformance-Katalog, S. 50).
Februar 2008 Mark und Matvey Slavin stellen in der Folge im Februar ihr Konzept für eine Installation namens "Nr. 2" für die anschließende wandsbektransformance-Ausstellung im Kunsthaus Hamburg vor.
29.2.08 Die beiden Künstler stellen ein neues Konzept vor und bauen die entsprechende Installation auf. Diese besteht aus einer fast sakral anmutenden Umgebung mit einer schwarzen Folienfläche auf dem Boden, einem schwarzen Quadrat an der Wand, von der Decke herunterhängenden Seilen und einer erloschenen Leuchte. Im Zentrum steht eine weiße Badewanne, die mit tief schwarz gefärbtem Wasser gefüllt ist. Damit stellt die Arbeit einen Bezug zu den Sklavenschiffen des Heinrich Carl von Schimmelmann, dem Wandsbeker Großkaufmann, Fabrikanten und transatlantisch operierenden Sklavenhändler des 18. Jahrhunderts, dem zu Ehren im Jahr 2006 von Amts wegen eine neu gestaltete Büste in Wandsbeks Mitte eingeweiht wurde. Seitdem reißen die Proteste vor diesem skandalösen Denkmal nicht ab. Die Badewanne mit der dunklen Flüssigkeit "soll wie ein Schiff sein" (Mark Slavin 2.3.08). Das starke Symbol des dramatischen schwarzen Wassers weist auf vielfache (kunst)historische Bezüge hin von der Malerei und der Literatur der Romantik und des Gothic bis zu postkolonialen Bildern heute.
3.3.08 Am Eröffnungsabend der wandsbektransformance-Ausstellung im Kunsthaus bemerken BesucherInnen, dass sie sich in der schwarzen Flüssigkeit widerspiegeln. Mark und Matvey Slavins Arbeit wird lebhaft und kontrovers diskutiert.
4.3.08 Am Tag nach der Ausstellungseröffnung ist die Abdichtung in der Wanne porös geworden. Das schwarz pigmentierte Wasser läuft aus. Das Eintreten eines versicherungspflichtigen Schadenfalles kann noch rechtzeitig dadurch verhindert werden, dass die Mitarbeiter des Kunsthauses die Flüssigkeit aus der Wanne schnell entfernen können. Zum Vorschein kommen ein Klumpen Bauschaum und Schlieren. Die Künstler werden umgehend benachrichtigt und gebeten, die für den Ausstellungszweck technisch unzureichend vorbereitete beziehungsweise unzureichend gesicherte, dadurch unwillkürlich entleerte Installation zu reparieren.
5.3.08 Die Mitarbeiter des Kunsthauses fragen, wann die Installation repariert werde. Abgemacht wird, die Künstler nochmals darum zu bitten.
7.3.08 Die Künstlerbrüder erklären, dass die Installation im gegenwärtigen Zustand "absolut vollständig" sei. Ein Gespräch über diese nunmehr von ihnen behaupteten neuen Bedeutungsebenen der Arbeit im Rahmen der Ausstellungskonzeption wird jedoch leider von Mark und Matvey Slavin verweigert.
9.3.08 Mark Slavin erklärt im Gespräch mit dem Kunsthaus vor Ort, dass es doch möglich sei, die Wanne mit Silikon abzudichten und wieder mit schwarzem Wasser zu füllen. Die Künstler werden erneut gebeten, die Arbeit in diesem Sinne schnell zu reparieren. Andernfalls - so geben die Mitarbeiter des Kunsthauses und ich zu verstehen - werde diese angesichts des momentan beschädigten Zustands abgebaut.
12.3.08 Die Schaden genommene Installation wird vom Kunsthaus mit meinem Einverständnis abgetragen und nebenan deponiert. Den Künstlern wird zugleich das Angebot gemacht, die Arbeit jederzeit mit technischer Hilfe des Kunsthauses wieder aufbauen zu können.
14.3.08 Die Künstler erklären, die Installation am Abend des 15.3. wieder aufbauen zu wollen.
15.3.08 Mark und Matvey Slavin erklären, ihre Arbeit doch nicht wieder aufbauen zu wollen.
Die Installation "Nr. 2" ist in all seinen Bestandteilen im Ausstellungsdepot erhalten geblieben. Den Künstlern wird mitgeteilt, die Arbeit jederzeit mit Hilfe des Kunsthauses schnell wieder aufbauen zu können.
Akt des Vandalismus
Die Publikation von Frau Jokinen auf der Plattform THE THING zwingt uns unsere Sicht auf das Geschehene zu publizieren.
Die Rechtfertigungen von Frau Jokinen scheinen uns nicht überzeugend und nicht wahrhaft. Wir bewerten sie als einen Versuch die Öffentlichkeit in einen Irrtum zu führen. Aus dem Brief von Herrn Mewes, dem Direktor des Kunsthauses folgt, dass es die eigenständige Entscheidung von Frau Jokinen war die Installation zu vernichten, wobei die Mitarbeiter nur ihre Anweisungen ausgeführt haben. Frau Jokinen ist nicht auf eine Diskussionen mit den Teilnehmern des Kunstprojektes zur entstandenen Situation eingegangen. Sie hat ihre Vollmacht überschritten und dem Projekt als ganzes und unserer professionellen Reputation Schaden zugefügt. Künstler können ihre Sichtweisen haben, aber sie dürfen sie nicht sich gegenseitig aufdrängen. Ohne die professionellen Details zu analysieren sehen wir den Fakt der Vernichtung eines künstlerischen Objektes als einen Akt des Vandalismus.
Mit freundlichen Grüßen,
Mark & Matvey Slavin
Ehrlich gesagt stelle ich mir unter Vandalismus doch ein Bisschen was anderes vor. Hier scheinen mir lediglich diejenigen, die Verantwortung für ein Projekt und ein Haus tragen aus ihrer Sicht notwendige Maßnahmen ergriffen zu haben. Wer nun im richtigen Augenblick die richtige Entscheidung getroffen hat, vermag ich sicherlich nicht zu beurteilen, noch ob die Künstler tatsächlich so professionell arbeiten, wie sie es hier kund tun. Aber gibt es nicht andere Möglichkeiten, diese Dinge vernünftig zu klären?
Freundliche Grüße
blablabla...was habt ihr für Sorgen? Müll gehört in den Müll. Müllkunst gehört in den Müllkunbsteimer.