Dr. Anke Schierholz (VG Bild-Kunst) über Appropriation Art und andere juristische Unmöglichkeiten - Bericht über den Vortrag am 11.4. 2007
Im Veranstaltungsprogramm „Copieren und Verfälschen“ des Künstlerhaus „Frise“ in Altona war die Veranstaltung von Anke Schierholz von uns Organisatoren eigentlich angelegt gewesen als eine Art Kontrapunkt zu den vorherigen (und den folgenden) Mittwochsabenden des Volume 2 („Zwischen Copyriht und Copyleft“). Bei den anderen Veranstaltungen war es uns darum gegangen, einen bestimmten freien Umgang von Künstlern mit „fertigem“ medialem Material und der Arbeit Anderer zu erläutern, und selber offensiv zu vertreten: also einen Umgang, wie er in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts als Collagen oder Readymades vorkam, als Arbeit mit Found Footage, Sampling, oder als Appropriation Art.
Der Vortrag von Dr. Anke Schierholz am 11. 4. löste diese Erwartung an eine Gegenposition dazu nicht ganz ein, denn er vermittelte dafür einen zu ambivalenten Eindruck von der Arbeit ihrer Organisation, und behandelte auch hauptsächlich grundsätzliche Urheberrechtsfragen und –Absurditäten anhand einiger Beispiele hauptsächlich aus der bildenden Kunst, über deren Absurdität man sich schnell einig wurde. So wie sie hier geschildert wurde, erschien die Handlungsweise der VG Bild-Kunst im ihr gegebenen Rahmen weder maßlos noch unvernünftig.
Schierholz erläuterte, dass die Paragraphen 23 und 24 des Urheberrechts (unfreie und freie Benutzung fremden Materials) und die Rechtssprechung durchaus auch Ausdruck der juristischen Erkenntnis sind, dass Ideen immer auf anderen älteren Ideen und Innovationen gegründet sind. Zugleich soll das Urheberrecht aber die rechtmässigen Einkünfte von konkreten Urhebern oder Verlagen sichern (das Urhheberrecht bezog sich anfänglich vor allem auf Literatur).
Die VG Bild-Kunst nimmt also die entsprechenden Rechte ihrer Mitglieder wahr, was diesen als Einzelpersonen in vergleichbarem Umfang gar nicht möglich wäre, sie kontrolliert z.B. massenhaft Publikationen im Hinblick auf Bildrechte und damit verbundene mögliche Einkünfte für Künstler, und verhandelt dann mit den entsprechenden Verlagen. Auch private Webseiten werden von ihr abgemahnt, wenn auf ihnen Bildrechte missachtet werden. Ähnlich wie die GEMA hat sie in vielen Ländern Schwestergesellschaften, mit denen wechselseitige Verträge bestehen, um so auch international handeln zu können.
Und ähnlich wie bei Diskussionen um die GEMA kam auch hier im Publikum der Vorwurf auf, die Organisation, Verwertungsschlüssel etc. führten dazu, dass vor allem bekannte Namen von der Arbeit der VG überproportional profitierten, die aber sowieso schon gut im Geschäft seien. Schierholz wandte ein, dass dies zwar teils richtig sei, letzlich aber auch weniger profitable Kunst von diesen Regeln und Strukturen quasi im Schlepptau profitiere, wenn auch mit geringfügigeren Einnahmen. Und auch der Schutz vor Missbrauch etwa durch unerlaubte kommerzielle Verwendung, bestände für alle gleichermassen.
Obwohl Schierholz letztendlich die These vertrat, das geltende Urheberrecht sei flexibel genug gemacht, um auch gegenwärtige technische (digitale Kopien, Internet) oder künstlerische Innovationen und Veränderungen nachvollziehen und weiterhin regeln zu können, wurde schon bei der Betrachtung des Objet trouvets als urheberrechtlich nicht schützenswürdigem Gegenstand deutlich, dass das Urheberrecht trotz des so grosszügig wirkenden § 24 die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts nicht wirklich wiederspiegelt, höchstens fragmentarisch, wie in einer Parallelwelt: Schon Duchamps Geste wird nicht mehr nachvollzogen, das Pissoir als Readymade wird nicht als Kunstwerk geschützt. Und genauso wird etwa auch das spätere Postulat eines Lawrence Weiner, die reine Konzeption einer Arbeit, also die Idee, sei gleichrangig und unabhängig von ihrer Ausführung, verneint, indem reine Ideen einfach grundsätzlich als nicht schutzfähig eingestuft werden. Wogegen dann aber die Dokumentation einer solchen immateriellen Arbeit augenzwinkernd als das eigentliche (materialisierte) Werk behandelt und geschützt werden kann. Entsprechend sind natürlich auch Werke der Appropriation Art nicht schützbar, Schierholz wies dabei darauf hin, dass es hier ja aber auch gerade das Ziel der Künstler sei, Originalitäts-Gesten zu vermeiden und den fremden und eigenen Autoren-Status zu hinterfragen. Cornelia Sollfrank erzählte dann noch von dem Juristen, der juristisch schlüssig argumentiert hatte, dass die „Flowers“ von Andy Warhol nicht genügend Schöpfungshöhe besässen, um als eigenständiges schutzwürdiges Werk gelten zu können.
Was in den vorherigen Veranstaltungen bereits mehrfach diskutiert worden war, wurde von Anke Schierholz im Vortrag auch noch einmal ausdrücklich bestätigt, nämlich dass der allgemeine wirtschaftliche Verwertungsdruck in letzter Zeit scheinbar immens steigt, und dass Urheberrechte entsprechend immer häufiger und energischer auch an Stellen eingefordert und eingeklagt werden, wo in ähnlichen Situationen zuvor keine Forderungen erhoben wurden, auch gegenüber bildenden Künstlern. Schierholz schilderte Einnahme-Strategien von Museen, die, bedingt durch finanzielle Vorgaben ihrer öffentlichen oder privaten Träger, gezwungen sind, immer mehr Profit aus ihrem Kapital, also den Kunstwerken, zu schlagen: Will man etwa in Berlin ein Kunstwerk, das in einem Museum ausgestellt ist und dessen urheberrechtlicher Schutz z.B. nach 70 Jahren eigentlich bereits abgelaufen ist, fotografisch abbilden, so verlangen die Museen dafür nicht nur einiges an Geld, sondern auch die Unterzeichnung eines 7-seitigen Vertrages, der die Verwendungsrechte an dem Bild für den Fotografen massivst einschränkt, bzw. diese einfach umfassend an das Museum überträgt (inkl. Herausgabe der Negative), und all dies letztlich aufgrund der juristischen Tatsache, dass das Werk sich eben in dem Museum und im Besitz des Museums befindet, und das Museum im Museum das Hausrecht ausübt. Nimmt man dazu noch die Tendenz von kommerziellen Bildagenturen wie Corbis, solche Bild-Rechtebestände von Museen massenweise aufzukaufen, so endet man bei der kuriosen Situation, dass ein bestimmtes Werk oder Bild selbst vielleicht nicht mehr geschützt ist, es einem aber trotzdem nicht möglich ist, es selber abzufotografieren, sei es aus finanziellen Gründen, oder weil es einfach grundsätzlich vom Hausherr des Hauses, in dem es sich befindet, untersagt wird. Man kann sich dann nur wiederum kostenpflichtig an eine vorhandene Abbildung des Bildes halten, die sich in Besitz einer Bildagentur wie Corbis befindet, und die als Bild selber weiterhin geschützt ist – obwohl sie nichts anderes zeigt als das ursprüngliche, inzwischen eigentlich rechtefreie, Bild. Anke Schierholz kritisierte, ein so ökonomisiertes Handeln widerspräche dem Bildungsauftrag von Museen.
Als konkreten Ratschlag an Künstler schlug sie eine pragmatische Haltung im Umgang mit fremdem Material vor. Aus einem rational-wirtschaftlichen Verwertungsdenken folge für Verwerter auch, dass dort nichts gefordert würde, wo absehbar nichts zu holen sei. Käme es aber doch zu einem Konflikt, so würde in jedem Einzelfall neu entschieden. Die Freiheit der Kunst geniesse aber grundsätzlich einen besonderen verfassungsmässigen Grundrechte-Status, der nur wechselseitig durch andere Grundrechte (etwa das des Eigentums) einschränkbar sei, nicht durch gewöhnliche Gesetze. Man müsse auch selber im EInzelfall entscheiden, welches Risiko man eingehen wolle.
Anschliessend an den kurzweiligen Vortrag wurden vom Publikum noch diverse grundsätzliche oder persönliche Fragen zu Urheberrechtsproblematiken gestellt, die in weitere Diskussionen mündeten. Die schönsten Anekdoten, (etwa die um in China gefälschte falsche Kujaus und jemanden, der diese stiebitzen wollte) kamen aber erst ganz am Ende noch im kleinen Kreis zur Sprache.
lieber sebastian,
vielen dank für deinen ausführlichen bericht über den abend. ich würde aber gern noch einige aspekte hinzufügen, die du nicht erwähnt hast.
was ich in zusammenhang mit der vg bild-kunst interessant finde, ist der umstand, dass die bildende kunst über ein grundsätzlich andere ökonomie funktioniert als das bei musik oder literatur der fall ist. musik und literatur erwirtschaften geld durch möglichst häufige vervielfältigung, während bei der bildenden kunst es - hauptsächlich immer noch – um den verkauf eines originals geht. dieser unterschied ist elementar, denn wenn geld duch vervielfältigung erwirtschaftet wird, spielen die durch das urhg gereglten nutzungsrechte eine zentrale rolle für die ökonimie der urheber. bei der bildenden kunst kommt dieser aspekt erst zum tragen, wenn künstlerInnen im markt zu vertreten sind und ihre arbeiten häufig in kommerziellen medien abgebildet werden. hier beginnt die arbeit der vg bild-kunst.
insofern hätte es mich brennend interessiert an dem abend mehr konkrete informationen über die vg- bil-kunst zu bekommen, daten und fakten, die es erlauben, ihre arbeit besser einzuschätzen, denn von den 27.000 mitgliedern bekommen sicherlich höchsten 3-5% einen nennenswerten betrag ausbezahlt. ich schätze mal, die meisten mitglieder bekommen nur den betrag, der sich durch die umlegung der pauschalabgaben ergibt, d.h. um die 50 euro im jahr.
seltsamerweise gibt es bei vielen künstlern die vorstellung, die würden einbußen hinnehmen müssen, wenn sie auf ihre urheberrechte verzichteten. das ist wohk eher wunschdenken. was erschwerden dazu kommt, ist dass selbst wenn eine verletzung der rechte erkennbar ist, es noch immer nicht gewährleistet ist, dass die betroffene künstlerin die möglichkeiten besitzt (juristische/ finanzielle), um ihr recht durchzusetzen. bei ungewissem ausgang eines rechtsstreits, ist meist das risiko und der aufwand zu hoch.
deshalb werde ich weiterhin meine these aufrecht erhalten, dass bildende kunst auf urheberrecht gänzlich verzichten könnte, denn sie hat mehr nachteile dadurch als vorteile.