Ich statt Wir – und doch wiederum Wir
Von Günter Westphal
Vom „ich“ statt „wir“ und doch wiederum vom „wir“, von Stadtumgestaltung anstatt -aufwertung und der möglichen Zusammenarbeit (und dessen Grenzen) mit Behörden und Politik innerhalb einer emanzipatorischen Stadtumgestaltung „von unten“ oder die Kunst ist das Erste am Beispiel: „Themengebiet Münzviertel“ im Rahmen der Hamburgischen „Aktiven Stadtteilentwicklung 2005-2008“ (Herbst 2008 – Frühjahr 2012)
Besuch der Kultursenatorin Karin von Welck im Münzviertel am 5. Juni 2007
Dick, fett, schwarz der Einstieg: Ein Brocken. Und mittendrin die Kunst. Wo ich dann auch schon bereits beim „ich“ wäre. Vor 6 Jahren entschied ich, mich aktiv ins Gemeinwesen Münzviertel einzumischen. Damals gründete ich die Stadtteilinitiative Münzviertel, die ich seitdem ständig in Bewegung halte. Es ist ein Arbeiten im sozialen Raum, die ich als Kunstarbeit benenne. Kriterium dieser Arbeit ist die Ästhetik, die ich ethisch gründe.
Es ist allgemein bekannt: die Kunst speist sich aus dem Subjektiven und verneint das Objektivieren. Mit meiner Kunstaktivität im Münzviertel ziele ich auf die Stärkung des Subjektiven und stelle mich quer zum kollektiven „wir“. Denn originäre Kunst mit all ihren ästhetischen Kriterien wie z.B.: Einzigartigkeit, Sinnlichkeit, Egozentrik, Gestaltungskraft, Poesie, Unberechenbarkeit, Fiktion etc. ist meines Erachtens demokratisch nicht verhandelbar.
Das Initiieren der Stadtteilinitiative ist mein künstlerische Einspruch gegenüber einer tradierten Stadtplanungskultur „von oben“, wo die unmittelbar Betroffenen vor Ort von oben herab durch andere zu unmündigen Objekte degradiert werden. Ein solcher Einspruch benötigt selbstverständlich die gemeinschaftliche Kraft der Betroffenen untereinander. Womit ich nun wiederum beim „wir“ und im politischen Raum wäre.
Doch unter der Prämisse von Kunst darf meines Erachtens dieses „wir“ kein kollektives, sondern kann nur ein offener Zusammenschluss von einzelnen Individuen sein, dessen Schnittmenge ein Aufbegehren gegenüber der abstrakten Verdinglichung des jeweils einzelnen „ich“ durch andere ist. Das Kräftezentrum eines solchen Zusammenschlusses ist das Verantwortungsverhältnis der einzelnen Individuen untereinander. Und dieses Verhältnis ist ein ungleiches. Denn nur ich als der jeweils einzelne, bin allein verantwortlich für mein Tun sowohl mir gegenüber wie auch gegenüber den anderen. Es ist eine Verantwortung, die nur mir obliegt und die ich deshalb auch von anderen nicht einfordern kann.
Ohne eine solche ethische Prämisse hätte ich die jetzt bereits über 6 Jahre fortwährende Kunstarbeit im Münzviertel nicht durchhalten können. Sie wäre längst erstickt im Tal der Enttäuschungen und Verkrampfungen meinerseits gegenüber den anderen.
Unter der Fragestellung: „Wie möchten wir leben?“ betreibt die Initiative die Stadtteilumgestaltung des Münzviertel. Handlungskonzept dieser Umgestaltung ist die seit 1. Okt. 08 offizielle Ausweisung des Münzviertels als Themengebiet im Rahmen der Hamburgischen „Aktiven Stadtteilentwicklung 2005-2008“.
Begrünung des Münzviertels durch AnwohnerInnen, Sommer 2007
Alle Abbildungen © Günter Westphal