JURY „Programmförderung Künstlerhäuser und Kunstorte 2007“
Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
Prof. Dr. Karin v. Welck
Hamburg, 18.01.2007
Offener Brief
Programmförderung Künstlerhäuser und Kunstorte 2007
Sehr geehrte Frau Senatorin,
am vergangenen Donnerstag, 11.01.2007 tagten wir als Jury für die Mittelvergabe „Programmförderung Künstlerhäuser und Kunstorte 2007“. Wir sind von den betroffenen Orten selbst vorgeschlagen und daraufhin von Ihrer Behörde berufen worden. Einer Fördersumme von 140.000 Euro standen 19 Anträge gegenüber.
Mit Verwunderung stellten wir fest, dass sich der Zeitraum der Mittelvergabe auf das Kalenderjahr 2007 bezieht, das zum Zeitpunkt der Sitzung bereits begonnen hatte. Im Hinblick auf die Planungssicherheit der Orte und den Verpflichtungen, die diese Dritten gegenüber eingehen müssen, halten wir das für sehr problematisch und richten an Sie die Bitte, den Prozess der Mittelvergabe für das kommende Jahr erheblich vorzuverlegen, so dass spätestens im November des vorlaufenden Jahres die Bescheide über die Mittelvergabe zugestellt werden können. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass es für den Förderbereich „Programmförderung Künstlerhäuser und Kunstorte“ weder eine allgemeine Beschreibung gibt, noch eine öffentliche Ausschreibung erfolgte. Im Sinne einer Chancengleichheit für alle in Frage kommenden Orte empfehlen wir, die förderungswürdigen Positionen genau zu definieren und rechtzeitig auszuschreiben. Diese Ausschreibung sollte sowohl auf der Website der Kulturbehörde sowie in allen einschlägigen Foren veröffentlicht werden.
Im Hinblick auf die „Programmförderung Künstlerhäuser und Kunstorte“ sind wir uns als Jury einig, dass wir das rasante Anwachsen dieser Szene, welches sich parallel zum Konzept der „Wachsenden Stadt“ vollzieht, sehr begrüßen. Wir schätzen diese Szene als unverzichtbaren Bestandteil der kulturellen Diversität und Lebendigkeit unserer Stadt ein. Ihre Strahl- und Wirkungskraft stellt einen wichtigen Faktor in der Vermittlung zeitgenössischer bildender Kunst in Hamburg dar. Entsprechend sollte die positive Entwicklung nicht durch ein Stagnieren der dafür zur Verfügung stehenden Mittel gehemmt werden, sondern im Gegenteil, müssen neue Anreize für die Eigeninitiative der zahlreichen, meist jungen KünstlerInnen und KunstvermittlerInnen geschaffen werden.
Deshalb fordern wir dringend eine Erhöhung des zur Verfügung stehenden Budgets auf mindestens 250.000 Euro!
Verglichen mit dem leidenschaftlichen Engagement und den großen Eigenleistungen, die in der Szene der freien Künstlerhäuser und Kunstorte aufgebracht werden, ist diese Summe gering! Hier wird ein hochgradig dynamischer und innovativer Beitrag zur kulturellen Landschaft Hamburgs geleistet, dessen Bedeutung von der Kulturpolitik bisher deutlich unterschätzt wird.
Im weiteren protestiert die Jury vehement gegen die wiederholt vorgenommene Umschichtung der Mittel aus dem Topf „individuelle KünstlerInnenförderung“ in Richtung „Programmförderung Künstlerhäuser und Kunstorte“. Zwar sollte so dem gewachsenen Bedarf bei der Programmförderung nachgekommen werden, diesen aber mit einer Minimierung der individuellen KünstlerInnenförderung auf jährlich 35.000 Euro zu erreichen, ist nicht vertretbar. Individuelle KünstlerInnenförderung, vor allem im Bereich freier Produktion, d.h. nicht gebunden an vorgegebene Themen oder Stadtteile, ist die Basis freien künstlerischen Schaffens und wird durch erfolgte Umschichtung demontiert. Auch hier fordern wir eine deutliche Erhöhung des Etats, mindestens auf 85.000 Euro, also die Summe, die vor der Umschichtung zur Verfügung stand.
Im Vorfeld der Jury-Sitzung wurde uns mitgeteilt, dass ein Bewerber, das FrauenMedienArchiv Bildwechsel vonseiten der Behörde aus dem Verfahren genommen wurde mit der Begründung, dass „im Zentrum der Arbeit von Bildwechsel nicht ein Veranstaltungsprogramm stehe, sondern die Bewahrung, die Pflege und der Ausbau eines – auch im überregionalen Vergleich – einzigartigen Archivs.“ Dass Bildwechsel dennoch und ohne Konkurrenz eine Förderung aus Mitteln für „Programmförderung Künstlerhäuser und Kunstorte 2007“ erhalten hat, ist – über eine einmalige Notlösung hinaus – nicht akzeptabel. Wir teilen die Einschätzung der Behörde im Hinblick auf die Bedeutung von Bildwechsel, um aber dauerhaft dessen Existenz zu sichern, halten wir es für unerlässlich, einen eigenen Förderbereich für „Archive im Kontext der bildenden Kunst“ einzurichten, der dann auch anderen wichtigen Archiven offen stehen muss.
An dieser Stelle bedanken wir uns für das Vertrauen der Künstlerhäuser und Kunstorte und würden es begrüßen, wenn über die Modalitäten der Mittelvergabe für 2008 Jahr auch wieder die Künstlerhäuser und Kunstorte selbst entscheiden könnten.
Um unseren Vorschlägen und Forderungen Nachdruck zu verleihen, wenden wir uns neben diesem Schreiben mit einem Pressestatement auch an die Öffentlichkeit.
Bei Bedarf stehen wir für die Szene der Künstlerhäuser und Kunstorte gerne beratend zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Armin Chodzinski, Hans Christian Dany, Belinda Grace Gardner, Olafur
Gislason, Dirck Möllmann, Britta Peters, Cornelia Sollfrank
cc: Antje Mittelberg, Ingrid Baireuther