Reaktion auf die angekündigte Abstimmung zur Abschaffung der Künstlersozialversicherung
von Barbara Lang
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft beruhende Grundsatz, der in den 80er Jahren zur Einführung der Künstlersozialversicherung geführt hat, gilt nach wie vor: Geringes Einkommen und ein hohes Berufsrisiko von Künstlern und Kulturschaffenden begründen deren erhöhtes Schutzbedürfnis in sozialer Hinsicht. Daher gilt ebenso: Bis die Honorierung von freischaffenden
Künstlern derart gestaltet ist, dass für verschiedenste Formen der künstlerischen Produktion, ein angemessenes Honorar vergütet wird, ist die Künstlersozialversicherung schlicht unverzichtbar. Ein komplexes Thema, wohl wahr. Daraus kann man nur schließen, dass es noch viel zu diskutieren und zu tun gibt.
Wie man weiß, bietet die Künstlersozialversicherung selbstständigen Künstlern und Publizisten nicht nur Absicherung im Alter und im Krankheitsfall. Es ist ebenso bekannt, dass sie sich zu einem unverzichtbaren Instrument der Kulturförderung und einem wichtigen Pfeiler in der Kulturwirtschaft insgesamt entwickelt hat. Dass deren Bedeutung zunimmt, ist in jüngster Zeit hinlänglich durch Kulturwirtschaftberichte belegt worden. Doch darum allein kann es nicht gehen.
Nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht übernehmen die Künste und somit die Kulturschaffenden selbst eine zunehmend wichtige Rolle. Der Fokus muss und wird sich künftig dahingehend ändern: Der Kultursektor hält, gesamtgesellschaftlich betrachtet, unzählige für das Überleben einer demokratie-basierten Gesellschaft essentielle Funktionen inne. Künstler und Kulturschaffende tragen dazu bei, dass sich eine Gesellschaft reflektierter, mündiger und kulturell gebildeter Bürger fortentwickeln kann. Sie bilden zudem den "Kitt" unserer heutigen Wissensgesellschaft, z.B. indem sie sich spartenübergreifende Fähigkeiten der freien Assoziierung aneignen. Dazu zählen auch jene "soft skills", die seitens der Wirtschaft verstärkt
nachgefragt werden. Es sind insbesondere diejenigen Künstler, deren künstlerisches Schaffen tendenziell nicht-kommerziell ist, und die entsprechend vorrangig immaterielle, nicht verkäufliche Kunst produzieren, die häufig finanziell so schlecht gestellt sind, dass ihre Existenz
gefährdet ist. Doch gerade diese Formen künstlerischer Arbeit, übernehmen durch ihre experimentelle, wissenschaftlich orientierte oder sozial forschende Ausrichtung grundlegende Bildungsfunktionen. Dennoch wird noch stets klischeeartig davon ausgegangen, dass die betreffenden produzierenden Künstler auf eine leistungsbezogene Vergütung großzügig verzichten – was sich letztlich am durchschnittlichen Jahreseinkommen von 12.616 Euro real
ablesen lässt.
Gerade weil die Künste andere gesellschaftliche Funktionen erfüllen, als z.B. das leistungsorientierte Wirtschaftssystem, und die Künstler entsprechend zweckfreie Räume zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten benötigen, sind die Künstlersozialversicherung und die ausführende Künstlersozialkasse zur Unterstützung und Existenzsicherung dieser Menschen unentbehrlich.
Da kommt es schon einer Beleidigung jener Menschen gleich, als Begründung der Abschaffung der Künstlersozialversicherung lapidar von zu hohen "bürokratischen Hemmnissen" der Unternehmen zu sprechen. In diesem Zusammenhang sei die Aussage des Deutschen Kulturrates bestätigt, dass es in Wirklichkeit doch darum geht, sowohl die abgabepflichtigen Unternehmen als auch die öffentlichen Körperschaften auf Kosten der Künstler von ihren
Sozialversicherungspflichten zu befreien.
Zwar hat sich die Zahl der Versicherten, also der Leistungsempfänger, deutlich erhöht. Und in der Tat erlaubt es der zunehmende Kostendruck auf Seiten der Unternehmen und Kulturinstitutionen nicht, dass die Künstlersozialabgabe beliebig in die Höhe getrieben wird. Dies gilt insbesondere für die kleineren Kunst und Kulturinitiativen, die häufig ebenfalls im Sinne der Kunst und Kultur selbst ums Überleben kämpfen. Wie man weiß, betreffen die Zwänge in den öffentlichen Haushalten sicherlich auch den Bundeszuschuss für die Künstlersozialversicherung. Allerdings wäre es wohl zu billig, diese Probleme als Vorwand zur Abschaffung des ganzen Systems zu nehmen. Nein, auch unter dem allerorts zitierten Kostendruck ist das keine intelligente Lösung. Es wäre in der Tat ein "Armutszeichen".
Aufgrund der systematischen Erfassung der abgabepflichtigen Unternehmen ist es ja bereits jetzt gelungen, den Kreis der Zahler zu erhöhen und zugleich die zu erbringenden Künstlersozialabgaben zu senken. Dies dürfte doch eigentlich als Signal zur Akzeptanz und Stärkung des Systems gewertet werden.
Wenn es Änderungen am Künstlersozialversicherungsgesetz geben soll, dann nur solche, die Künstlersozialversicherung auf intelligente Art und Weise stabilisieren und zukunftsfest machen. Anstatt die sie abzuschaffen, wäre es eher zukunftsweisend, zunächst die soziale Absicherung für verschiedene freiberuflich arbeitende "Kreative" auszuweiten. Wenn, nur als Beispiel, im wachsenden Städtewettbewerb die "Kreativen" parteienübergreifend als wichtiger Standortfaktor gehandelt werden, dann muss man auch die Belange der freischaffenden "Kreativen" berücksichtigen. Zudem wird es künftig nicht ausbleiben, die Wertschätzung der Künste mitsamt seinen schwer messbaren gesellschaftlichen Funktionen anders zu definieren, als dies bislang der Fall ist. Doch zunächst, und zwar dringlichst, sollte die Politik im Auftrag
der hierzulande lebenden Bürgern und Bürgerinnen eine Lösung erarbeiten, die vor allem den vielen freiberuflichen Kulturschaffenden sowie denjenigen Strukturen, die indirekte Kulturförderung leisten, zugute kommt. Dabei ist die Verantwortung "nicht von der öffentlichen Hand" zu weisen!
Nicht zuletzt wird die hiesige Künstlersozialversicherung im europäischen Ausland als vorbildliche kultur- und sozialpolitische Errungenschaft erachtet. Als solche hat sie bislang jedenfalls gegolten. Machen Sie weiterhin etwas Sinnvolles daraus!
Mit freundlichem Gruß,
Barbara Lang
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Kommentar von Georg Seßlen