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28. Januar 2009

Z3105 - Der Sinto Walter Winter überlebt den Holocaust

Karin Guth liest aus ihrem Buch »Z3105 – Der Sinto Walter Winter überlebt den Holocaust« am Freitag, den 30. Januar 2009 um 20 Uhr in der Blinzelbar, Große Bergstraße 156 in Hamburg-Altona. Im Rahmen der Vorbereitung eines von Karin Guth initiierten Projekts zur Erinnerung an die Verfolgung der Hamburger Sinti und Roma hat sie Walter Winter 2002 kennen gelernt. In sehr vielen Gesprächen über mehrere Jahre hat Walter Winter ihr seinen Lebensweg in Einzelheiten geschildert.

Sinti und Roma leben seit Jahrhunderten in Europa.Die in West- und Mitteleuropa beheimateten Angehörigen dieser Minderheit sind Sinti (Einzahl, männlich: Sinto und Einzahl, weiblich: Sintezza). Diejenigen osteuropäischer Herkunft sind Roma (Einzahl, männlich: Rom, Einzahl, weiblich: Romni). Das Verbindende beider miteinander verwandter Bevölkerungsgruppen ist die gemeinsame Herkunft. Aufgrund sprachanalytischer Untersuchungen des Romanes, d.h. der Sprache dieser Minderheit, wird Indien wegen Ähnlichkeit zum Sanskrit als Ursprungsland der Sinti und Roma angenommen. Als Bezeichnung für die gesamte Minderheit hat sich international die Bezeichnung "Roma" durchgesetzt, in Deutschland spricht man von Sinti und Roma, weil Sinti in diesem Land seit über 600 Jahren ansässig sind. "Zigeuner" ist eine Fremdbezeichnung durch die Mehrheitsbevölkerung, die von der Minderheit selbst als diskriminierend abgelehnt wird, da der Begriff Klischees und negative Stereotypen transportiert, seine Anwendung deshalb im Kern rassistisch ist. Sinti und Roma wurden während der nationalsozialistischen Herrschaft ebenso wie die Juden aus rassistischen Gründen verfolgt, deportiert in den Konzentrationslagern ermordet. Aus Hamburg wurden nahezu alle der damals ca. 1200 hier ansässigen Angehörigen dieser Minderheit (weniger als 0,1% der Gesamtbevölkerung in der Stadt) in die Konzentrationslager Belzec und Auschwitz deportiert. Man geht davon aus, daß insgesamt mindestens 500 000 Sinti und Roma im europäischen Machtbereich der Nationalsozialisten dem rassistischen Völkermord zum Opfer fielen.
Nach 1945 hat es Jahrzehnte gedauert, bis der Völkermord an den Sinti und Roma in das Blickfeld der Gesellschaft geriet. Bis heute dauern die Diskussionen um die Gleichbehandlung aller rassistisch Verfolgter an, d.h.der Juden und der Sinti und Roma. Für diese Minderheit und besonders für die wenigen Überlebenden des Holocaust wird dies als andauernde Diskriminierung empfunden.

Z3105 - Der Sinto Walter Winter überlebt den Holocaust
Karin Guth stellt den Lebensweg eines 1919 geborenen Sinto dar, der in Ostfriesland aufgewachsen ist. Nach zwei Jahren als anerkannter Marine-Soldat wurde er aus der Wehrmacht entlassen und 1943 aus rassistischen Gründen in das von den Nazis so genannte „Zigeunerlager“ von Auschwitz-Birkenau deportiert. Vor der Ermordung aller dort Inhaftierten, d.h. vor der „Auflösung“ des „Zigeunerlagers“ im August 1944 transportierte man ihn zusammen mit anderen „arbeitsfähigen“ Häftlingen in das KZ Ravensbrück und von dort später in das KZ Sachsenhausen. Aufgrund seiner früheren Wehrmachtsangehörigkeit wurde er unmittelbar vor Kriegsende, im April 1945, in SS-Uniform zum Kampf gegen die Rote Armee gezwungen.
Walter Winter überlebte den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma und baute sich nach 1945 eine erfolgreiche Existenz als Schausteller auf. Der fast Neunzigjährige lebt in Hamburg. Im Rahmen der Vorbereitung eines von Karin Guth initiierten Projekts zur Erinnerung an die Verfolgung der Hamburger Sinti und Roma hat sie Walter Winter 2002 kennen gelernt. In sehr vielen Gesprächen über mehrere Jahre hat Walter Winter ihr seinen Lebensweg in Einzelheiten geschildert. Als einfühlende Erzählerin stellt sie aus seiner Perspektive seine Erlebnisse, Erfahrungen und Reflektionen dar. Es war ihr wichtig, nicht nur seinen Ton zu treffen, sondern seine Erinnerungen mit den historischen Fakten zu ergänzen. Alle Aussagen, die sich auf historisch Belegbares beziehen, hat sie recherchiert und in die Erzählung einfließen lassen.
Dabei geht es nicht nur um die Beschreibung der Situation in den Konzentrationslagern, besonders im so genannten „Zigeunerlager“ in Auschwitz, sondern auch um die Darstellung der Lebensweise einer Sinti-Familie. Der Leser bekommt einen Einblick in die Tätigkeit eines Schaustellers und erfährt vom andauernden Kampf um die Gleichbehandlung der Opfer rassistischer Verfolgung. Erklärende Anmerkungen ergänzen den Text. Ein Abriss über Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma in Deutschland, eine Chronologie der Verfolgung in der NS-Zeit, eine Literaturauswahl sowie Fotos und geografischen Karten finden sich in der Publikation.
Karin Guth hat Philosophie, Kunst und Germanistik in Hamburg und Oxford studiert und auf allen drei Gebieten in der Lehre, u.a. am Johanneum und freischaffend gearbeitet. Sie lebt in Hamburg und befasst sich seit mehreren Jahren intensiv mit dem Thema privater und öffentlicher Erinnerung.

Das Buch von Karin Guth "Z3105" - Der Sinto Walter Winter überlebt den Holocaust"
erscheint im Januar 2009 im VSA Verlag, ca. 240 Seiten; mit
Fotos und Karten; ca. 18,80 €
www.hierunda.de/archiv/archiv-09/Guth_Z3105_Winter_Cover.pdf



Abbildung © Karin Guth

Kommentare [5]
uwe ebert schrieb am 07.02.2009 13:12

Rassistisch formulierte Kommentare auf The Thing Hamburg zu veröffentlichen,
entspricht nicht dem politischen und moralischen Selbstverständnis der
Redaktion. Der Kommentar von Uwe Ebert am 07.02.2009, 13:12, wurde daher
entfernt.
Die Redaktion

SLIN schrieb am 11.02.2009 16:46

sehr gut! aber was ist mit oles frahms kommentaren unter seinem eigenen text "linke anachronismen"? die palästinenser als "kollektiv" zu bezeichnen, "das tote kinder als märtyrer feiert", ist nicht rassistisch? schreibt doch mal was dazu

redaktion schrieb am 05.03.2009 16:44

Die Redaktion von The Thing Hamburg wurde am 11. Februar 2009 um eine Stellungnahme zu Formulierungen innerhalb eines Textes von Ole Frahm (Mitglied der Redaktion) über die documenta 12, vom 15. Januar 2008, aufgefordert, die von “SLIN” als “rassistisch” bezeichnet wurden.
Die Redaktion weist den Vorwurf mit Nachdruck zurück, rassistische Texte zu veröffentlichen. Der Vorwurf entstand vor dem Hintergrund unterschiedlicher Bewertungen des Konfliktes zwischen Israel und Palästina. Es liegt der Redaktion daran zu betonen, dass sie diesbezüglich zu keiner einhelligen Bewertung kommt. Sie sieht in den beanstandeten Formulierungen aber
keinen Ausdruck von Rassismus.
Die Palästinenser als "Kollektiv" zu bezeichnen, ist vereinfachend und nicht ganz zutreffend für eine territorial und politisch sehr zersplitterte Gesellschaft, jedoch keine rassistische Verleumdung. Wenn politische Gruppen/"Kollektive" "tote Kinder als Märtyrer feiern", erscheint das als eine polemische und vielleicht sogar zutreffende Formulierung. Totenfeiern oder deren Beschreibungen sind deswegen aber nicht rassistisch.
Die Redaktion von The Thing Hamburg, 5. März 2009.

Sven schrieb am 06.03.2009 15:03

Obiger Kommentar ist wirklich ein Armutszeugnis für die Redaktion von THE THING.

Wenn Ole Frahm den PalästinenserInnen in dieser Form kollektive Verhaltensweisen andichtet, erfüllt das in fast idealtypischer Weise die Definition von Rassismus. Er hat im Übrigen auch nicht die Verhaltensweisen politischer Gruppen kritisiert, sondern der gesamten palästinensischen Gesellschaft (in der Westbank und Gaza) unterstellt, sie feiere tote Kinder als Märtyrer. Tatsächlich suggeriert er ja, die PalästinenserInnen würden sich darüber freuen, wenn ihre Kinder von Israelis getötet werden, ja: Das bezweckten sie sogar. Das ist das alte antisemitische Wahnbild von der rituellen Kindstötung, hier gegen die PalästinenserInnen gerichtet.

Und dass Ole Videos verlinkt (und ausdrücklich empfiehlt), in denen Palästinenser mit Tieren verglichen werden, Hitlerbilder zwischengeschnitten sind und ein Zusammenhang zwischen PalästinenserInnen und dem Anschlag aufs World Trade Center suggeriert wird, interessiert euch gar nicht? Ihr habt wirklich einigen Nachholbedarf, was eure Sensibilität für Rassismus angeht.

Die Formulierungen eurer Stellungnahme betreffend: Was soll es denn heißen, dass es nicht "ganz" zutreffend sei, die Pälastinenser als Kollektiv zu bezeichnen? Könnt ihr mal ein Beispiel geben, wo es ("ganz" oder "nicht ganz") zutreffend ist? So etwas wie "Die Chinesen sind ein Kollektiv, das gerne Reis isst"? oder "Die Deutschen waren Anfang der dreißiger Jahre ein Kollektiv, das Juden hasste"? Ich möchte darauf ganz ernsthaft eine Antwort!

PS: Wer hat behauptet, Totenfeiern seien rassistisch? Und wo findet sich die Beschreibung einer Totenfeier? Was bedeutet der letzte Satz?

katja schrieb am 26.03.2009 00:24

au weia, thing-redaktion! tut ihr nur so, oder seht ihr wirklich nicht, wohin die "polemische formulierung" zielt? würde euch die richtung der polemik auffallen, wenn in einem text stünde "die israelischen juden sind ein kollektiv, das tote kinder als märtyrer feiert"?
nach eurer logik müsste dieser skandalöse satz in ordnung sein, schließlich heißt die shoa-gedenkstätte yad vashem offiziell "gedenkstätte der märtyrer und helden des holocaust" und der shoa-gedenktag "gedenktag der märtyrer und helden des holocaust".

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