Ähnliches und Mögliches im Filmmuseum Düsseldorf und bei Eske Schlüters im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen
Max Hinderer
Von Walter Benjamin bis Susan Sontag wurde die Fotografie/ der Film immer wieder gerne mit dem Tod in Zusammenhang gebracht. Von Mai bis Juli liefen in Düsseldorf zwei Ausstellungen parallel, die eine unerwartete Kommunikation zueinander unterhalten. Die Sonderausstellung im Filmmuseum Düsseldorf „Die Kunst des Sterbens – Todesbilder im Film“ (19.04. – 13.07.) und Eske Schlüters’ Ausstellung „Ähnliches und Mögliches – Levels of Enactment“ (03.05. – 20.07.) im Düsseldorfer Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen. Beide richten ihre Aufmerksamkeit zwar inhaltlich (auch) auf das Thema „Tod“. Die Verbindung basiert aber vielleicht eher auf einem reflexiven Moment des formalen Bezugsrahmens, und erschließt sich so vor allem durch die Anschlussfähigkeit an ein traditionelles Motiv der kritischen Filmtheorie. Überlegungen zu einem Missing Link.
Soeben erschien die neue Ausgabe von Béton Brut, der halbjährlichen Zeitschrift des Düsseldorfer Kunstvereins. Béton Brut ist ein hybrides Format – einerseits erfüllt es klassische Rubriken von Kunstmagazinen, wie Ausstellungshinweise oder theoretische Texte, andererseits kann es streckenweise auch die Funktion eines Kataloges zu stattfindenden Ausstellungen einnehmen. Der Inhalt des Heftes ist in dieser Ausgabe thematisch stringent: es geht um strategische Aneignung als künstlerische Praxis. Neben einem Text von Jan Verwoert („Mit Geistern Leben“), der sich mit dem „Übergang von der Appropriation zur Anrufung in der zeitgenössischen Kunst“ auseinandersetzt, findet sich eine Bildstrecke von Eske Schlüters, deren jüngste Arbeiten im Kunstverein in einer Einzelausstellung präsentiert wurden. Die Hamburger Künstlerin arbeitet mit Footage aus Autorenfilmen, Erzählungen von Antonioni, Rohmer, Hartley, Ozon und anderen. Oder Footage aus Genrefilmen. Immer nur wenige Einzelbilder, eher die Nebensächlichkeiten – transformiert und in entfremdeten Zusammenhängen. Dazwischen, Textfragmente, teilweise aus philosophischen Werken oder wiederum Filmdialoge, die die Künstlerin in verschiedenen Sprachen und von verschiedenen Stimmen aus dem Off heraus sprechen lässt.
Auffällig ist, dass das auch gestalterisch feierlich anmutende Heft (dunkelblau mit dem schwarz gedruckten Stadtwappen vorne drauf) das Motiv des Todes ganz ohne redaktionellen Hinweis so ins Zentrum rückt: Verwoert schreibt beispielsweise von Objekten oder Einheiten der Appropriation als angerufene und umherwandelnde Geister. Dabei lässt sein eher verspieltes Aufgreifen einer Semantik des Untoten aber ausser Acht, welche politische Dimension das Wiederaufrufen von Geschichte in der künstlerischen Geste tatsächlich haben kann. Dieser Zusammenhang taucht wiederum bei Schlüters auf. Eines der drei ausgestellten Videos heißt „Vanish Into Thin Air“ (2005) und widmet sich, mit Verweisen auf konkrete politische Zusammenhänge wie die Junta-Zeit während der Militärdiktatur in Argentinien, der Vergänglichkeit: desaparecer kann hier nicht nur die Infragestellung der Autoreninstanz in der Kunst, sondern auch das realpolitische Verschwinden von Ausdruck und Sprecherposition bedeuten.
Aus diesem gleichen semantischen Zusammenhang heraus entfaltet sich auch „Die Kunst des Sterbens – Todesbilder im Film“ im Filmmuseum Düsseldorf. Die von Matthias Knop und Ramona Stuckmann kuratierte Ausstellung „zeigt die vielfältigen und interessanten Zusammenhänge zwischen dem Medium Film und der Vergänglichkeit: von technischen Parallelen der ersten Filmkamera zur Waffentechnik bis hin zu Ähnlichkeiten in der Motivik zu klassischen Künsten wie Literatur und Malerei“ (Pressetext). Hier wird versucht so etwas wie eine Ikonologie des Todes im Film nachzuzeichnen, was teilweise müßige Ausläufer hat – wie etwa beharrliche Anhäufungen von Baum- oder Spiegeldarstellungen als Verweise auf den Tod. Die Auswahl dieser filmischen Verweise schafft es bei der Fülle von Todesdarstellungen oder –Anspielungen in der Filmgeschichte nicht, z.B. durch eine Transparentmachung der Auswahlkriterien, den Verdacht auf eine zwar gut gemeinte aber etwas unbeholfene Willkür zu verdecken. Spaß macht die Ausstellung dennoch, gerade im spielerischen Wiederentdecken von vergessenen und/oder geschätzten Filmsequenzen, oder –Stills, und lässt dabei den persönlichen Assoziationen freien Lauf.
"Eske Schlüters, 'Like A Shadow - No Reflection', 2007, Videostill"
Eine unerwartete Qualität entwickelt die Schau aber vor allem in Hinblick auf Eske Schlüters Doppelprojektion „Like a Shadow – No Reflection“ (2007) im Kunstverein, die unterschiedliche Sequenzen aus Vampirfilmen zu einer rhythmischen Montage un-toter Begehren verbindet. Motivisch wiederholt sich hier einiges: die Vampire, leere Spiegelbilder, oder Kinskis Nosferatu-Zahnprothese deren Original man im Filmmuseum in einer Vitrine bestaunen kann. Während diese allerdings im Museum als ulkiges Accessoire mehr wie ein nerdiges Gimmick daherkommt, nimmt sie in Schlüters künstlerischer Arbeit eine andere Stellung ein: In einer Sequenz aus dem Making-Of-Material von Werner Herzogs „Nosferatu“ sieht man den Schauspieler Klaus Kinski, wie er vor einem Spiegel die Vampirzähne einsetzt und begutachtet. Diese Zähne, die in Herzogs Narration und an Kinskis Kiefer gebunden die Gefährdung der lebendigen Ganzheit des bürgerlichen Subjekts symbolisieren, werden durch Schlüters Aneignung in ihrer Funktion und Zeitlichkeit vervielfältigt. Aber nicht nur „angerufene Geister“ (Verwoert) wandeln hier erneut umher und knabbern an Hälsen – Kinskis Zähne beißen also nicht nur in den formalen Rahmen der Arbeit. Schlüters Montageverfahren und ihre Frage nach dem spezifisch Filmischen adressiert die „winzigsten Brüchstücke“ im täglichen Leben der BetrachterInnen (Walter Benjamin: „So wie der blutige Fingerabdruck eines Mörders auf einer Buchseite mehr sagt als der Text“) und trifft dabei eine Aussage über die wirksame Gewalt die Sender und Empfänger in ihren Rollen legitimieren. In solchen Verfahren, in denen die herrschenden Repräsentationsverhältnisse gebrochenen wiedergegeben werden, gelingt es der Künstlerin ein reflexives Moment der Analyse von Blickregime und identitärer Zuweisung herzustellen. Dadurch wird eine präzise Lesart des ausgewählten und verwendeten Filmmaterials ermöglicht, auch ohne die spezifische Ästhetik der Darstellungen zu verwerfen oder in die Schranken zu verweisen: Schlüters’ „dekonstruktivistische wie post-feministische Arbeitsweise“ (Möllmann) kann so beispielsweise auch die oftmals bestechende Erotik von Vampirinnendarstellungen aus dem Inneren einer kritischen Geste heraus affirmieren.
Es sind solche Momente der Positionierung, die man im Filmmuseum gänzlich vermisst und die die Frage aufrufen, warum es denn nur der „hohen“ Kunst zukommen sollte, ein privilegierter Ort der Kulturkritik im Ausstellungsbetrieb zu sein. Es finden sich in der Todesbilderausstellung aber auch latent kritische Ansätze. Beispielsweise ein „Kapitel“ über die technische und entwicklungsgeschichtliche Verwandtschaft von Filmkameras und Schusswaffen. Filme und Fotos „schießt man“ – bereits in dieser Fachterminologie deutet sich die strukturelle Gewalt an, die dem Apparatus innewohnt. Dabei ist der formale Bezugsrahmen so nah an beispielsweise der unerwähnten feministischen Filmtheorie Laura Mulveys dran – die sich in ihrem wohl bekanntesten Essay "Visual Pleasure and Narrative Cinema" explizit mit Fragen des Blickregimes und der Permanenz männlicher Hegemonie im Film auseinandersetzt –, dass man den KuratorInnen vorwerfen will, schlecht recherchiert zu haben. Gerade einer der Beispielfilme im Schusswaffenkapitel, Michael Powells „Peeping Tom“ (1959), ist auf DVD in einem alternativen Audio Track von Mulvey kommentiert in der „Criterion Collection“ erschienen.
In gewissem Sinne kann man dennoch sagen, profitieren vis-versa am meisten diejenigen BesucherInnen, die beide Ausstellungen gesehen haben. Eben obwohl die Darlegung der Analogie von Schusswaffen und Kameras eher allgemein von einer jungsmäßigen Begeisterung für militärisches Instrumentarium getragen scheint, bewirkt sie aber gerade durch die offen gelegte Brutalität wiederum eine Sensibilität, die weder lacanianisch, noch sonst wie akademisch determiniert werden muss. Und dieser Eindruck verleiht Schlüters Arbeiten – fünf Gehminuten weiter – einen Nachdruck in der unmittelbaren ästhetischen Erfahrung, den man sonst vielleicht nur aus einer reflexiven Distanz zwischen den Zeilen vermuten würde. Bleibt zu hoffen, dass die zukünftigen Ausstellungen im Filmmuseum die politische Dimension ihres Bildungsauftrages stärker mitzureflektieren in der Lage sind.
Was übrigens Matthias Knop im Katalog aus Susan Sontags Aufsatz „In Platos Höhle“ zitiert – “Jede Fotografie ist eine Art memento mori. Fotografieren bedeutet teilnehmen an der Sterblichkeit, Verletzlichkeit und Wandelbarkeit anderer Menschen (oder Dinge)“ – hat auch Laura Mulvey in Bezug auf Film und die vermeintliche Autorität historischer Filmemacher schon gewußt: „Cinema is death 24 times a second.“
Béton Brut, die Zeitschrift des Düsseldorfer Kunstvereins, erscheint (01/08) mit einem Text von Dirck Möllmann zur Arbeit von Eske Schlüters („Ahnen kommt von Ungefähr“).
Links:
KV Düsseldorf
http://www.kunstverein-duesseldorf.de
Filmmuseum Düsseldorf
http://www.filmmuseum-duesseldorf.de/fm/labels/Sonderausstellung.html
Laura Mulveys Text „Death 24 Times a Second” online
http://www.bbooks.de/biopolitik/lm-death.htm
Max Hinderers Kritikerexperiment, neben der kritischen Analyse der halbjährlichen Zeitschrift des Düsseldorfer Kunstvereins, zwei vollkommen verschieden ausgerichtete Ausstellungen miteinander zu vergleichen, Eske Schlüters Ausstellung „Ähnliches und Mögliches – Levels of Enactment“ (03.05.-20.07) im Düsseldorfer Kunstverein und „Die Kunst des Sterbens – Todesbilder im Film“ (19.04.-13.07. ) im Filmmuseum Düsseldorf, musste aufgrund der Willkür und Kühnheit dieses Unterfangens bereits misslingen.
Eine Ausstellung der bildenden Kunst der Gegenwart einerseits, sowie eine filmhistorische andererseits, setzen in der Beurteilung beider eine akademische Ausbildung in zwei Fachdisziplinen voraus, die zu einem interdisziplinären Arbeiten berechtigt. Ansonsten wird der Intellekt des Kritikers nur die eine Ausstellung verstehen, in deren Gebiet er sich auskennt und das Unverständnis für die fachfremde Ausstellung wird sich wie selbstverständlich in fußloser Kritik gestalten. Enttäuschung macht sich bei Hinderer dann auch prompt darüber breit, dass die eine Ausstellung nun einmal gar nicht so erscheinen will wie die andere, dass sich die Filmgeschichte nicht so darstellt wie die Kunst Eske Schlüters; die verschiedenen Ziele sich nicht decken.
Der Kurator der filmhistorischen Fachrichtung arbeitet mit Ausschnitten in Form von „Filmzitaten“, die als Beweise für seine Beobachtungen gelten.
Frau Schlüter und Herr Hinderer bedienen sich als Künstler an den Filmen namhafter Regisseure wie an Rohmaterial, fügen neue Werke aus diesen zusammen, um mit dieser Ausdrucksmöglichkeit den Weg einer künstlerischen Auseinandersetzung zu wählen. Dies ist für Künstler legitim. Film- und Kunsthistoriker jedoch, analysieren Werke u.a. und es wäre wissenschaftlich äußerst unseriös für sie, ihre Arbeitsfelder zu verlassen, wie Hinderer selbst dies zu praktizieren versucht, indem er plötzlich als Filmhistoriker aktiv wird.
Aber noch ist nicht aller Tage Abend für einen derart ambitionierten Kritiker, da es sowohl Zweitstudien, als auch Kurse über das Verfassen von Kritiken gibt.
Besonders auffällig ist bei diesem „Fach-“kritikversuch, dass eigentlich nur die Bereiche der Ausstellung des Filmmuseums eine Kritik erfahren durften, die in dem, die Ausstellung begleitenden Buch mit Bedacht auf einzelne Bereiche reduziert ausgesucht und thematisiert wurden, wodurch beinahe der Verdacht aufkommen möchte, Hinderer habe die Ausstellung selber gar nicht gesehen, kenne sie vielleicht nur vom Hörensagen, oder könne sich zumindest nicht mehr richtig daran erinnern. Augenfällig ist diesbezüglich auch das Erscheinungsdatum seiner Kritik, Monate nachdem die Ausstellung bereits abgebaut ist; ein Umstand, der wohl viel geistiges Rekonstruktionsvermögen erfordert. Wie gut, dass es die begleitende Publikation als Gedächtnisstütze gibt. Zudem besitzt die filmhistorische Ausstellung ein in sich geschlossenes, thematisches Ringgefüge, welches eine Kritik, sofern sie seriös erscheinen möchte, allein an Einzelbereichen bereits im Ansatz verbietet. Welchen Sinn überdies eine Ausstellungskritik an einer seit längerem geschlossenen Ausstellung haben soll, bleibt ebenfalls fragwürdig.
Es sei denn, es handelt sich dabei nicht wirklich um eine Kritik an der Ausstellung.
Die Zusammenhänge zwischen der Film- und der Waffensprache sowie der Analogie von Schusswaffen und Kameras, womit sich der erste Bereich der Ausstellung des Filmmuseums auseinandersetzt und die in der Theorie keines geringerem als Friedrich Kittler fußt, sei von einer „jungsmäßigen Begeisterung“ getragen, was bereits wie purer Sarkasmus anmutet. Aber damit erscheinen nicht genug Absurditäten in der Kritik.
Für Hinderer stellen Originalrequisiten und Kostüme Gimmicks dar, wobei damit jede Ausstellung welche Originale ausstellt, eines solchen Vorwurfs zu bezichtigen wäre.
Wie sich dies auch verhalten mag, die Kritikpunkte Hinderers wirken offensichtlich mühselig zurechtgesucht.
Wissenschaftliche Belege und Beobachtungen werden von Hinderer als Anhäufungen bezeichnet. In der Kultur und Bildtradition der Menschheit seit Jahrhunderten fest verwurzelte Symbole des Todes, wie beispielsweise das Stundenglas, werden als Willkür verschrien. Die Transparenz der Auswahlkriterien für diese Symbole in einem der Ausstellungsbereiche ist selbst für den Laien dermaßen klar ersichtlich, dass Hinderer offenbar wie vor eine Glaswand läuft. Zumindest hat er dabei Spaß gehabt.
Letztendlich ist aus dem sicherlich als interessant beabsichtigten Ausstellungsvergleich u.a. leider nur ein unbeholfen und willkürlich erscheinender Vergleich zwischen einer ausstellenden Künstlerin und einer Buchpublikation geworden; beide aus zwei unterschiedlichen Einrichtungen. Schade.
Aus groben Parallelerscheinungen ist noch lange keine vergleichende Kritik zu gestalten.
Nicht alles was ähnlich scheint ermöglicht einen Vergleich.
Es bleibt nur zu hoffen, dass solche Vergleichsexperimente, womöglich noch zwischen den lebenden „Exponaten“ des Aquazoos und den Katalogtexten des Kunstpalastes oder dergleichen, den übrigen, geschätzten Kuratoren in Düsseldorf und anderswo erspart bleiben.
Aber es ist sehr erfreulich, dass der politische Bildungsauftrag des Filmmuseums offensichtlich sehr erfolgreich Früchte trägt, da der Ausdruck von Unverständnis auch eine Annäherung an das Fremde bedeuten kann.
"....Frau Schlüter und Herr Hinderer bedienen sich als Künstler an den Filmen namhafter Regisseure wie an Rohmaterial, fügen neue Werke aus diesen zusammen, um mit dieser Ausdrucksmöglichkeit den Weg einer künstlerischen Auseinandersetzung zu wählen. Dies ist für Künstler legitim. Film- und Kunsthistoriker jedoch, analysieren Werke u.a. und es wäre wissenschaftlich äußerst unseriös für sie, ihre Arbeitsfelder zu verlassen, wie Hinderer selbst dies zu praktizieren versucht, indem er plötzlich als Filmhistoriker aktiv wird."
kommentar dazu:
----daran kann ich nichts unseriöses erkennen.
hinderer behauptet nicht, wissenschaftlich zu argumentieren und tritt auch nicht als filmhistoriker auf.
arbeitsfelder zu verlassen oder anders zu beschreiben / zu verschieben halte ich für eine notwendige, erweiternde praxis, welche nicht zuletzt herkömmliche machtgefüge hinerfragt.
ausserdem schlage ich vor, persönlich motvierte und persönlich werdende verrisse dieser art (...zweitstudium zum lernen des verfassens von kritiken...) auch persönlich mit dem autor zu diskutieren und dann eine gekürzte version dessen öffentlich zu machen.
das hätte für mich mehr von der eingeforderten seriösität und überhaupt mehr respekt im umgang.
ich finde es für diese plattform sehr wünschenswert, solche arten von macht - bashing zu vermeiden!