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Kommentare [4]
28. Oktober 2007

Wasser von Wasser trennen

von Lily Wittenburg

Am Abend der Eröffnung ist es drinnen kälter als draußen. Man schreitet vorerst über eine wüste, leere, weiße Fläche hinweg. Am Ende der Halle bündelt sich eine Menschenmenge um eine Bühne herum, auf der ein Moderator, dem wenige zuhören, irgendetwas mitteilen will. Alle scheinen auf ein Ereignis zu warten, die Stimmung ist der eines Konzertes nicht unähnlich. Obwohl Musik gespielt wird, sie aber niemand wirklich genießen kann, weil sie zwar schön, aber eben aus den Boxen und nicht von der Bühne erschallt.

Also wartet man auf das Eigentliche, den eigentlichen Anlass. Aber den gibt es nicht: Der schöne Ansatz dieser Veranstaltung ist, sich auszutauschen. Alle scheinen ein wenig verlegen zu sein. Je länger gewartet wird, desto größer wird auch die Erwartung. Bis zu dem Moment, an dem man sich abwendet, weil es zu lange dauert. In den nächsten Stunden des Wartens auf ein Ereignis stellt sich die Frage, ob man nun gescheitert ist, weil man selbst nichts hat hinzufügen können, oder ob es einfach der falsche Ort war, an den die Hoffnungen gerichtet wurden.

Es ist etwas vergessen worden, und dieses Gefühl des Verlustes von etwas Wesentlichem bestimmt die ganze Gesellschaft, die sich hier zusammengetan hat. Es wurde darüber gesprochen, dass wir Teil haben wollen an der Kultur, den Bildern und Umbildungen, die in dieser Stadt vor sich gehen. Dass wir nicht umgesiedelt werden wollen, aufgefressen vom Sich Schmücken mit dem Daneben, von der Kulturpolitik. Es sind kluge Dinge gesagt, Ansätze gefunden und Orte geschaffen worden.

Nun, hier, in der Unmöglichkeit dieses Raumes scheitern die Gedanken am sinnlichem Empfinden; nichts von all dem, was gesagt wurde, wird hier sichtbar. Der Raum in seiner Beschaffenheit bestimmt immer auch, was in ihm möglich ist, wie weit er eine Voraussetzung zum Handeln sein kann, zum Weiterführen der Ansätze. Was ist denkbar an einem Ort, der den Augen keine Inspiration zur Verfügung stellt? Nicht einmal eine Leere, ein Weißes. Wir bewegen uns in einer Umgebung, die sich, durch Mangel an präzisen sinnlichen Reizen, gegen uns stellt, in einem Raum, der sich nicht von all den alltäglichen Räumen unterscheidet, gegen die unser Denken anstrebt und über die wir nicht verfügen können. Zeichnung: Lily Wittenburg

Also warten wir und nichts geschieht. Diese Form des Verharrens ist so befremdlich und unangenehm, weil sie eigentlich keinen Anlass hat, weil man niemanden dafür kritisieren kann, dass er die Macht des Auf-Sich-Warten-Lassens ausübt. Nachdem man dreimal die Halle umwandert hat, sich zur Bar durchgeschlagen und einiger maßen verstört einen Fetzen der Vorstellung auf sich hat wirken lassen, weiß man gar nicht mehr wohin mit sich selbst, und alle anderen scheinen es auch nicht zu wissen. Es werden kleine Gruppen gebildet, wie Kieselsteine inmitten der Schweigenden, sich an Bierflaschen klammernden und irgendwohin starrenden Masse Ertrinkender, die nicht wissen, was sie sagen sollen. Oder auch einfach keine Lust haben, schon wieder das Selbe zu besprechen.

Das Problem ist der Ort in seiner Beschaffenheit. Er lässt keine Geselligkeit, kein Aufeinanderzustreben zu, verhindert gewissermaßen die Neugierde aufeinander, weil diese keinen Ort findet, kein Thema, von der sie ausgehen könnte. In diesem Raum breitet sich dieses Nichts des Wartens aus. Und es wird immer absurder, dass sich eben diese Menschen, die sich mit Ästhetiken beschäftigen, gesellschaftlichen, bildnerischen, stadtplanerischen..., gerade dort versammeln, wo nichts schön ist.

Weil das Licht unangenehm hell im einen Bereich, dann wieder fade und dumpf im anderen ist, verstärkt es die Unentschlossenheit. Die Vorträge lenken unnötig ab und befinden sich irgendwo im hinterem Teil des Raumes, das Ereignis des sich Austauschenwollens stolpert über andere Ereignisse, die geschaffen wurden, um das Publikum anzulocken, und man fühlt sich, als wäre man auf eine Finte hineingefallen. Gespräche verschwimmen im Dunst des Gemurmels und der Getränke, auf deren aufheiternde Wirkung man noch hofft, die aber nicht einsetzt. Wenn alle darüber unglücklich sind, dass nicht genügend Freiräume geschaffen werden, dass die Strassen und Plätze immer hässlicher werden, und wenn soviel Aufwand betrieben wird, um über Verbesserungen zu sprechen, dann frage ich mich, warum es in einem solchem Gebäude geschehen muss?

Vielleicht ist es die Angst der Deutschen vor Oberflächlichkeit, ihr ewiges sich Verhaken in der Furcht, nicht ernsthaft genug zu sein, das sie davon abhält, die Größe zu reduzieren, etwas sparsamer mit den farbigen Lichtern umzugehen, mehr Sitzmöglichkeiten bereitzustellen und ein Willkommenswort in die Mitte des Raumes zu sprechen. Ein paar Leuchtfeuer der Begeisterung anstelle blasierter Abgeklärtheit hervorzurufen ist ein schwieriges Unterfangen, sollte aber auch hier möglich sein. Dann verzichtet man eben auf Paganini-Aufkleber und andere Werbewitze und investiert das Geld in einen runden Tisch.

Vielleicht ist es einfach eine Unaufmerksamkeit infolge der Anforderung eines so großen Projektes. Oder es war so mühevoll, eine Position zu finden, die allen gerecht wird, dass am Ende ganz darauf verzichtet wurde, den Ort zu gestalten. Und sei es, um für diesen Abend eine Identität zu haben, die sich auch im Raum zeigt. Nein, dieser Ort will seine Besucher nicht, er will karg und leer sein, ein altes Kaufhaus. Es ist zu wenig dafür getan worden, ihm einige Meter abzuringen, in denen man sich gerne unterhält. Mehrere Male werden Versuche unternommen zu gehen, als wäre man fälschlicher Weise in einem Film, der einen anödet, Versuche, die daran scheitern, dass dort hinten immer noch ein paar Menschen stehen, über die man sich freut, die aber durch eine plötzlich unüberbrückbare Distanz des eigenen Unwohlseins unerreichbar geworden sind.

Ein weißer Vorraum, dessen Fußboden an eine Klinik erinnert, mit seiner Öffnung zu den anderen hin, die auf Auslegwaren in diesem riesigem Wartezimmer stehen und trinken. Dann zu den Toiletten, eine Reihe brauner Kisten, vor denen auch gewartet wird, wie vor den Boxen eines Pferdestalles, schweigend wankend. Die Toiletten wirken wie Ställe, und wenn man die Augen schließt, kann man sich vorstellen, dass hinter jedem der Verschläge ein schwarzer Rappe steht, der einen mitnimmt. Ja, man möchte mitgenommen werden zu der eigentlichen Veranstaltung, auf die man heute Abend hoffte, und diese Vorstellung versperrt einem alle Wege, untergräbt alle Motivation, sich hier niederzulassen.

Das Gegenwärtige reicht nicht aus in seinem Zuviel an Größe, seiner Fülle an Unnötigem und seinem Mangel an Detail, den fehlenden Feinheiten der Gastfreundschaft. Dem nicht Übersetzen von großen Gedanken über das Vorhaben, Orte zu schaffen, die nicht nur wo anders, sondern auch anders sind, in einfache Abende, aus denen eine Lust hervorgeht, gemeinsam an dieser Herausforderung teil zu haben.

Müssen die Kunstorte nehmen, was übrig bleibt? Sich zurückerobern, was ihnen nie entsprochen hat? Den architektonischen Abfall leerstehender Bürogebäude und Kaufhäuser, dieses gütige Geschenk der Stadt, die uns gibt, was sie nicht mehr braucht, um sich dann damit zu brüsten. Oder gibt es nicht vielleicht doch eine Möglichkeit, dass mit dem Wachsen der Szene auch der Anspruch steigt? Wenn ein marodes Bauwerk bezogen wird, dann bedarf es sehr viel Energie, es von seinen vorigen Besitzern zu reinigen, es von seinen Merkmalen zu befreien, um schließlich etwas zu haben, mit dem aus dem Bekannten hervorgetreten werden kann. Dieser Prozess ist sehr langwierig, und wenn er hiermit einen Anfang findet, dann muss es ein Bewusstsein darüber geben, dass er sich nicht nur im Theoretischen abspielen kann, sondern ganz konkret und im Einzelnen die Orte mit einbeziehen sollte. Zumal es doch auch eine Fähigkeit der Künstler ist, dem Sinnlichem eine Notwendigkeit zuzusprechen und mit dessen Wirkungen umzugehen, in dieser hin und her schwingenden Bewegung, die Grenzen zwischen Gestalt und Gehalt ausfindig zu macht, ohne sich dabei auf Effizienz beschränken zu müssen.

Kommentare [4]
Tran schrieb am 29.10.2007 18:22

hi lily,

interessanter blickpunkt. ein kurzer einwurf zur ausgangssituation des wsw#2 opening :

a) es sollte einfach eine eröffnungsparty sein
b) es wurde bewusst auf weitere kunst, als die holländische performancegruppe floss und die band toastar, verzichtet
c) es stand dafür auch kein mehr geld zur verfügung
d) der ort war bereits besetzt durch die disco (click)
e) die kunst wurde während des monat oktober in den räumen gezeigt/gelebt
f) sicher ein schwieriger spagat, wenn künstler bzw. kunstorte eine "werbekampagne" in eigener sache starten
g) eigentlich fand ich es am 02.10. ja ganz lustig - hätte aber von mir aus auch gerne ein anderer ort sein können!

herzlichen gruss
tran

móka farkas schrieb am 31.10.2007 22:43

Der text ist wirklich sehr schön und erfasst wirklich das, was war.
Allerdings ist es nicht auch Aufgabe der sub-Version, vorgefasste Meinungen und Erwartungen möglicherweise der eigenen Klientel zu unterlaufen. Die fast instinktiven Erwartungen an eine Brache, dass es gemütlich sein soll?

Viele aus dem Publikum, mit denen ich in Kontakt war, blieben genau wegen diesem ambivalenten Gefühl: nicht wirklich zu wissen, warum sie an diesem abend genau hier, in solch grosser Anzahl, zum Feiern von was sich eingefunden hatten. Viele konnten dieser an Skurilität grenzenden Situation durchaus was abgewinnen. Man wurde halt auf sich selbst zurückgeworfen, mußte selbst arbeiten.
Auch eine Art der Partizipation.

Grüsse: Móka

Jessica Frische schrieb am 27.11.2007 18:50

SCHÖNER RAUM = GUTER MENSCH?

Das nächstemal kann ja eine Kirche angemietet werden,
dann klappt das mit dem Zwischenmenschlichen sicher besser.

Erstaunte Grüße
Jessica

thomas schrieb am 05.12.2007 02:08

Ein sehr anregender text, die beengte Stimmung
die ich auch empfunden habe aus dieser sichtweise zu betrachten tut im nachhienein sehr gut, weiter machen.

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