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26. April 2007

Bildhafter Lichtschein – Eine Tagung in Dortmund diskursiviert die Holographie

Florian Sprenger

Ein Bild, das kein Bild ist, sondern ein äußerst feines Muster von Hell-Dunkel-Verteilungen in extremer Auflösung: so lässt sich erklären, was 1948 vom späteren Nobelpreisträger Denis Gabor auf der Suche nach Verbesserungen für die Elektronenmikroskopie als Holographie beschrieben wurde, und wie sie sich heute auf jedem Personalausweis und Führerschein findet.

Die Verteilung von Milliarden von Punkten wird dadurch erzeugt, dass auf einer Fotoplatte das Interferenzmuster (und damit die Differenz) von zwei kohärenten (Laser-)Lichtquellen, einerseits vom abgebildeten Objekt, andererseits von einer zweiten Referenzquelle, gespeichert wird. Was man sieht, wenn man eine Holographie betrachtet, ist also die Beugung des einfallenden Lichts, wodurch die ursprünglichen, vom abgebildeten Objekt stammenden Wellen exakt rekonstruiert werden. Wir sehen also, wenn wir eine Holographie sehen, die Wellen, die wir sehen würden, wenn wir das Objekt sähen (ausgenommen die Farbigkeit). Das physikalische Wissen um die Holographie muss sich also von Beginn an mit Medien auseinandersetzen, und wird von ihnen ebenso bedingt wie es zu einer Konstellation führt, die ein neues Medium erzeugt.

Das Wissen um die Entstehung und den experimentellen Zusammenhang der Holographie als Medium und als von anderen Medien bedingtes war eines der zentralen Themen der Tagung „Das holographische Wissen“, die, von Stefan Rieger und Jens Schröter organisiert, vom 12.-14.4.2007 in der Deutschen Arbeitsschutzausstellung (DASA) in Dortmund stattfand. Aber auch die Verwendung in der Kunst wurde behandelt, die Utopien und Träume, die sich an die Entwicklung der Holographie hefteten, und die bildtheoretischen Fragen, die ein Gegenstand aufwirft, der das Gegenstandsfeld und das Tableau der Kunstgeschichte immer schon zu sprengen scheint.

Die Holographie unterscheidet sich dadurch von den meisten anderen visuellen Instrumenten oder optischen Medien, dass sie ohne Linse auskommt. Streng genommen ist sie selbst eine speziell konfigurierte Linse. Vielleicht, so vermutete Veranstalter Jens Schröter, ist diese Ausnahmestellung einer der Gründe dafür, dass die Holographie in der medienhistorischen oder bildtheoretischen Forschung bisher nur als Marginalie vorkommt und den fast ausschließlich linsenbasierten optischen Medien unspezifisch untergeordnet wird. Genau an dieser Blockade setzten die medienhistorischen Fragen der Tagung ein: das Wissen um die Holographie speist sich aus heterogenen Entstehungsherden, aus Gabors Versuchen, die Elektronenmikroskopie zu verbessern ebenso wie aus der Interferenzfarbfotographie, aus der Entwicklung des Lasers wie aus der Wellentheorie des Lichts, aus der Faszination, einen dreidimensionalen Raum zu sehen, der nicht da ist, und aus der Phantasie eines holographischen Weltbilds. All dies macht eine Konstellation sichtbar, die das ‚Medien-Werden’ (Joseph Vogl) der Holographie beschreibbar werden lässt. Die Diskurse, die sich um die Holographie ranken, sind dabei weder ausdifferenziert noch einheitlich, sondern wuchern zwischen Wissenschaft, Kunst und Mystik. Ihnen ist, so der Tagungsmoderator Claus Pias (Wien), eine utopische Erwartungshaltung und eine Undifferenziertheit gemeinsam. Zugleich lässt sich konstatieren, dass, abgesehen von der Esoterik, die Holographie nur zögerlich aufgenommen wurde. Vielleicht könnte man mit Gaston Bachelard von einem ‚epistemologischen Hindernis’ sprechen, das für die stockende, oft blockierte Diskursivierung der Holographie verantwortlich ist – und das in einem nachträglichen Perspektivwechsel aus dem Weg geräumt werden kann. So könnte erkannt werden, was der Aktualisierung des Wissens, seiner Anwendung und seiner Ausbreitung im Wege stand. Und schließlich könnte man sich auch ermuntert fühlen, in den Bedingungen dieses Blickwechsels eine Analogie zur Holographie selbst zu sehen, die ja nur unter exakten Voraussetzungen, einem bestimmten Blickwinkel und Einfallslicht, sichtbar ist.

Die technische Seite der Holographie beleuchtete der überaus beeindruckende Abendvortrag „Holographie als messtechnisches Verfahren in der Medizin“ von Sven Hirsch, Mitarbeiter am Bonner Forschungszentrum CAESAR. In den dortigen Labors werden computergestützte Anwendungen untersucht, die es erlauben, durch die enormen Speichermöglichkeiten und die Detailgenauigkeit von Holographien exakte Modelle von beispielsweise Gesichtern anzufertigen, die dann in der Medizin Anwendung finden. Als ein ‚materielles Analytikum’ (Hans-Jörg Rheinberger) dient die Holographie innerhalb der wissenschaftlichen Praxis hier zugleich als Medium wie als Objekt ihrer eigenen Erforschung und Darstellung.

Die Holographie als Wissensgegenstand der optischen Physik untersuchte die Wissenschaftshistorikerin Ana Ofak (Berlin). Ihre Fokussierung auf die Experimentalsysteme, in denen sich die Holographie formiert, vor allem die Doppelspaltexperimente, lieferte Ansätze zu einer Wissen(schafts)geschichte der Mikrooptiken, die nach den Neujustierungen und Umordnungen von Wissens fragt. Ofak gelang es damit, herauszuarbeiten, dass die Wissenskompilation um das, was später Holographie genannt wurde, aufgrund innerer Spannungen der optischen Physik, nur verschoben und verzögert in technischen Objekten angewandt wurde. Ofaks Begriff des Mikromediums, der nicht nur die Größe eines Mediums beschreibt, sondern die Verbreitung ebenso wie die Verwendung in ein Dispositiv fasst, wurde im Laufe der Tagung mehrfach aufgegriffen, um die Holographie vom Begriff des technischen Mediums abzukoppeln. Der Begriff verspricht, weitere Perspektivfragen für die Medienwissenschaft und der Wissenschaftsgeschichte zu stellen.

Jens Schröters (Siegen) Vortrag thematisierte den Zusammenhang von Medien, Technik, Wissen und Wissensgenerierung, und stellte zugleich die Frage nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer Medienhistoriographie. Anhand der Holographie lassen sich exemplarisch die Unterschiede einer Geschichte der optischen Medien, einer Geschichte der Visualität und einer Geschichte der Bildlichkeit herausarbeiten, obwohl die Holographie in diesen nur äußerst marginal thematisiert wird. Gerade deswegen kann sie (als tertium comparationis) herhalten, um aufzuzeigen, was in beiden Weisen der Mediengeschichtsschreibung untergeht. Schröter plädierte für eine Geschichte optischer Medien, die von der Optik (und nicht von der Technik) her gedacht die Holographie und auch die Interferenzfarbenfotographie berücksichtigen kann und sie nicht anderen optischen Geräten unterordnet. So könnte ein deutlicher Unterschied herausgehoben werden: Holographien sind nämlich nicht kopierbar, weshalb sie etwa auf Geldscheinen und Kreditkarten angebracht werden. Die Reproduzierbarkeit technischer Medien, so Schröters Erweiterung dieser These, erzeugt einen Bedarf an Nicht-Reproduzierbarkeit, und so kann mit Walter Benjamin auch die auratische Wirkung der Holographie erklärt werden.

Holophonie, wie sie Christian Kassung (Berlin) untersuchte, überträgt die Technik der Holographie vom Visuellen auf das Akustische. Diese Erweiterung ist etwa dort wichtig, wo Räumlichkeit durch Ton simuliert werden soll. Die Beschreibung eines Wellenfeldes ohne Berücksichtigung der Licht-, sondern in Bezug auf Schallwellen, erzeugt ein ‚holophones’ Wissen, dass es erlaubt, ein Klangfeld zu erzeugen, dass genau wie die Holographie, den Eindruck von plastischer Dreidimensionalität erzeugt. Dies kann nicht nur in künstlerischen Projekten genutzt werden, sondern könnte im Unterhaltungsbereich Anwendung finden.

Die Grenzen der Bildtheorie lotete Oliver Fahles (Weimar) Vortrag aus: die Holographie diffundiere in ihrer Sichtbarkeit und durch ihre Sichtbarkeit, ohne sich auf eine Spezifik festlegen zu lassen. Sie erzeugt einen Raum außerhalb des Bildes, der aber mit dem Bild zusammenfällt. Dies wiederum erzeugt für den Betrachter einen, mit Martin Seel gesprochen, ‚durchschauten Schein’, also eine Illusion, die funktioniert, obwohl bekannt ist, dass es sich um eine Illusion handelt. Entsprechend folgerte Fahle, dass sich im Betrachten einer Holographie das Sehen selbst an der Grenze von Bild und Sichtbarkeit erforsche: Das Sichtbarmachen des Lichts werde im Hologramm sichtbar und damit das Bild in seinem Schein/en offenbar. Zwar blieb auch in der Diskussion ungeklärt, ob die Holographie dreidimensionale Gegenstände als dreidimensionale Darstellungen repräsentieren könne, oder ob es sich dabei nur um den Seheindruck auf einer zweidimensionalen Oberfläche handelt. Die der Holographie inhärenten Spannungen zwischen Oberfläche und Tiefe, zwischen visueller Evidenz und technischer Fertigung und zwischen Greifbarkeit und Distanz lassen jedoch erahnen, welcher Gewinn in einer systematischen bildtheoretischen Auseinandersetzung mit der Holographie liegen könnte.

Annette Hünnekens (München) Versuch, im Vortrag "Interface und Bildtracking der dynamischen Bilder der Holographie" durch einen ‚aktiven Rezipienten’ eine Spezifik holographischer Bilder auszuweisen, fehlte leider ein tragfähiges Theoriegerüst. Auch wenn ihre zahlreichen Beispiele von Künstlern, die Holographien einsetzen, durchaus neue Anstöße geben konnten, war unklar, in wie weit der Begriff der ‚dynamischen Bilder’ etwas zu einer Auszeichnung holographischer Bilder gegenüber anderen Bildformen beitragen kann. Das ‚dynamische Bild’ war in Hünnekens Beitrag nämlich nur insofern auszumachen, als der Betrachter dieses Bildes als aktiv beschrieben wurde, weil er sich bewegen muss und nicht teilnahmslos vor dem Bild stehen bzw. sitzen kann. Warum ein Gemälde oder ein Film passiv rezipiert werden soll, und wie die Intermedialität der Holographie, wenn sie Bewegungs- und damit Zeitfaktoren integriert, zu beschreiben sei, blieb weitestgehend in dem Dunkel, das auch auf einer holographischen Bildplatte zu sehen ist, wenn man sie nicht im richtigen Winkel betrachtet. Denn für Holographien gilt mehr noch als für gewöhnliche Gemälde (streng nach Berkeley): Ohne Betrachter und ohne entsprechendes Licht sieht niemand das Bild, gibt es das Bild vielleicht nicht.

Weitaus erhellender hingegen waren Gabriele Schmids (Oldenburg) Ausführungen zu „Zwischen Bildern. Die holographische Installation als Handlungsfeld“. Thema des Vortrags war die Installation „In Between“ des Künstlers Philippe Biossonet, in der durch Kommunikation und Interaktion zwischen den Betrachtern die Lichtquellen aktiviert werden müssen, die die Holographien erst sichtbar machen. Die Begegnung mit der Holographie als einer notwendigen Verschränkung von Werk und Betrachter wurde von Schmid als ein widerständiges Zusammentreffen beschrieben. Das Wechselspiel von Simultanität und Sukzessivität, das nach Gottfried Boehm ein Bild auszeichnet, lässt sich für ein ‚holographisches Dispositiv’ (so eine Bezeichnung von Oliver Fahle) verschieben: Eine Holographie lässt sich zwar, wie ein Gemälde, nur Schritt für Schritt vom Ganzen abhängig betrachten, aber die Bedingungen der Simultanität und der Sukzessivität erfordern eine neue Begriffsbildung.

Die von Schmid schon angerissenen esoterischen und mystischen Diskursstränge, die sich auf die Holographie berufen, wurden in Stefan Riegers (Bochum) Vortrag über „Holographische Gedächtnismetaphern“ weiter vertieft. Seit der in den 60er Jahren durch den Einsatz von Lasern als Quellen von intensivem, kohärentem Licht möglich gewordenen weiten Verbreitung von Holographien wird in esoterischen Kreisen ein ‚holographisches Gedächtnis’ bejubelt. Dieses vermittle zwischen Teil und Ganzem des Universums. Dabei wird eine vermeintliche Analogie zur Holographie hergestellt, bei der in jedem Punkt das Ganze enthalten sei (was aber faktisch nur teilweise zutrifft). Das Hologramm stellt hierbei Metaphern bereit, die zur Welt- oder gar Universumserklärung herangezogen werden und so ein Wissen produzieren, das an die Technik rückgebunden bleibt. Rieger stellte dar, in wie weit sich die Übertragung der Holographie als Gedächtnismetapher an traditionelle Gedächtnismodelle andocken konnte, und wo sich durch einen Überschuss des Erklärungsmodells das Konzept von Gedächtnis dem Hologramm entsprechend veränderte. Ein holographisches Gedächtnismodell ist durch das Fehlen eines anthropozentrischen Standpunkts gekennzeichnet, denn analog zur Gitterbildung innerhalb eines Hologramms wird das Gedächtnis entsprechend aus adressierbaren Zellen bzw. Punkten gebildet gedacht. Aus dem Fehlen eines übergeordneten Standpunkts folgt entsprechend eine Unvollständigkeit der Perspektive des Erinnernden. Die holographischen Gedächtnismetaphern stellen, so Rieger, dem Menschen seine Unvollständigkeit vorAugen.

Wolfgang Coys (Berlin) abschließende Darstellung der Speichertechniken des 20. Jahrhunderts lokalisierte die Speicherung mittels Holographien, wie sie bereits am Anfang der Tagung thematisiert wurde im größeren Rahmen. Die Erwartungen, die an die Holographie als Speicher gestellt werden, sind ebenso dauerhaft wie die Erfolglosigkeiten der Bemühungen. Theoretisch können Holographien mehrere Terabyte an Daten aufnehmen, aber: „Holographische Speicher sind seit 1963 das Speichermedium des nächsten Jahrzehnts.“

Die DASA als Veranstaltungsort war wohl gewählt, denn sie beherbergt einen großen Teil der Holographien aus der beeindruckenden Sammlung Matthias Lauks, die nur sehr selten ausgestellt werden können. Auch unabhängig von der Holographie erwies sich das Archiv der DASA, durch das Mitarbeiter Hartmut Herbst führte, als Abenteuerspielplatz für Kulturwissenschaftler. Fußballfelder voller alter Maschinen, ob intakt oder nicht, Regalmeter mit einer Jahrhundertausbeute an Fernsehern, und natürlich Kisten voller Holographien, all das lässt das Herz des Medienhistorikers höher schlagen – vor allem, wenn dieses Archiv mit den Fragen zusammenfällt, die auf der Tagung gestellt wurden. Diese Faszination für außergewöhnliche Technik wie für Bilder, die sich mit dem bestehenden Instrumentarium nicht so recht fassen lassen, kann man also durchaus als Ausgangspunkt und als Ergebnis der Tagung verstehen. Denn das, was in allen Beiträgen mehr oder weniger offen vermittelt wurde, war nicht nur das Wissen um die Holographie, sondern auch die Faszination für einen Gegenstand und die Art, wie er Wissen produziert – und nicht zuletzt dafür, warum dieser Gegenstand trotz seiner Faszination bisher viel zu selten thematisiert wurde. Eine Tagung über die Holographie ist in ihrer Positionierung abhängig von ihrem Gegenstand, der nur dann sichtbar ist, wenn man vor ihm steht und das Licht richtig fällt.


Tagungsprogramm:
www1.uni-hamburg.de/GfM/Tagung_Holographie_4-2007.pdf
Ankündigung der DASA:
- zur Tagung:
dasa.baua.de/nn_5364/sid_C0C983C4CCE8751682D9B3A742B6A7EE/nsc_true/de/Veranstaltungen-und-Aktuelles/Veranstaltungen/2007/04.12-Holographie.html__nnn=true
- zur Ausstellung:
dasa.baua.de/lang_de/nn_7348/sid_83D46248A80D16E905120980B45CACD5/nsc_true/de/Presse/Pressemitteilungen/2001/03/17__01_20vom_202._20M_C3_A4rz_202001.html

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