Die IBA gewinnt immer
von Ole Frahm und Torsten Michaelsen
Anmerkungen zu einem Abend im Pudel-Café
Es gab keine gemeinsame Sprache, keine geteilten Probleme, keine gemeinsame Interessen. Worüber ist also zu sprechen? Das Dilemma der Situation künstlerischer Praxis in Hamburg heute stellt sich für unterschiedliche KünstlerInnen offenbar sehr unterschiedlich dar. Für manchen materialisiert es sich am Kunstmarkt der großen Galerien und Sammler, und spezifisch am Verhältnis einzelner KünstlerInnen zum Hamburger Kunstverein. Für andere zeigt sich das Problem eher an den städtischen Stellen, ihrer viel direkteren, schamloseren Instrumentalisierung künstlerischer Praxis für Projekte der Stadtentwicklung. Noch andere interessiert die Kunst nicht so sehr, wie die politischen Einspruchsmöglichkeiten. Die Gefahr, die gerade linken Diskussionen immer eignet, liegt darin, die künstlerische Praxis noch viel rücksichtsloser zu instrumentalisieren, als das Selbstverständnis bürgerlicher Gesellschaft dies je zuließe.
Es gab keine gemeinsame Sprache, obwohl die Anwesenden alle Akteure auf demselben Markt sind. Der Fragen, die Anlaß zu dem Treffen, waren, bleiben unbeantwortet: Wie ist das Verhältnis von Stadtentwicklung zur künstlerischen Praxis? Welche veränderte Funktion wird der Kunst momentan insbesondere in Wilhelmsburg innerhalb der wachsenden Stadt zugewiesen? Für welche spezifische Legitimation wird die künstlerische Praxis benötigt?
Nachdem wir nach dem Treffen mit verschiedenen Leuten weiterdiskutiert haben, möchten wir für die Internationalen Bau-Ausstellung (IBA) folgende Antwort versuchen. Der nun jährlich ausgelobte „Kunst- und Kultursommer“ in Wilhelmsburg wird nur als frei kuratierte Ausstellung partizipativer Kunstformen zur kritischen Vermittlerin zwischen der IBA und den skeptischen EinwohnerInnen des Stadtviertels. Was die IBA nicht erreicht – Akzeptanz – gelingt den KünstlerInnen, weil sie ohne direkten Auftrag von der IBA, eben frei und ohne offensichtlichen Zweck agieren. Niedrigschwellig werden die EinwohnerInnen so Teil von Projekten im Rahmen der IBA, kritischer Teil, der sich vermeintlich gegen die IBA selbst wendet. Sie ist der Feind, wie Steve Kurtz vom Critical Art Ensemble unmißverständlich festgestellt hat. Aber diese Feindschaft realisiert sich nicht in den Arbeiten, die Künstler sind zu kurz da, ihre Projekte mit zu wenig Geld ausgestattet. Was sie an Widerstandsmöglich¬keiten aufzeigen, kann so in Kritik umgedeutet werden, die sich die IBA zu Gute halten kann, immerhin hat sie diese finanziert.
Und selbst wenn eine künstlerische Intervention es schafft, den AnwohnerInnen und anderen Interessierten Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen sie dann kritisch an einer Bestandsaufnahme der eigenen Situation weiter arbeiten können: Diese Kunst bleibt doch partizipatorisch, das heißt, sie involviert Menschen in dem Rahmen, der dem Projekt vorgegeben wurde. Jede folgenreiche politische Arbeit zeichnet sich jedoch durch eins aus: sie überschreitet die Grenzen des bisher Sagbaren und Machbaren – und sie wartet dafür auf keine Enladung. Projekte partizipatorischer Kunst agieren gegenteilig: wo man sie lässt, gibt sie Menschen den Raum zur Artikulation – soweit und so lange man sie lässt. Das ist institutionalisierte Folgenlosigkeit.
Kann man mit Kunstprojekten eine solche Rahmensetzung sprengen? Fast alle kritischen Projekte im Kunst- und Kultursommer eint die naive Vorstellung, dass sich durch eine kritische Arbeit der Rahmen des ganzen Unternehmens, die IBA und das Projekt wachsende Stadt, so sehr desavouieren lässt, dass damit der Grundstein für eine kritische Bewegung schon gelegt ist und sich somit „nachhaltige“ Effekte ergeben. Unsere – LIGNAs – eigene Arbeit kann dafür als Beispiel dienen: sie versuchte Materialien für die Kritik der IBA zur Verfügung zu stellen und zwar mittels eines neuen Modus zur Auseinandersetzung mit dem Stadtraum, in dem dessen verborgene historische Spuren ebenso hörbar werden wie die unsichtbaren urbanen Prozessen sichtbar.
Solche Arbeiten verdanken sich einer Verschiebung: sie üben sich in inhaltlicher Kritik, wo sie formal werden müssten. Sie müßten sich mit der eigenen Rolle, dem Rahmen ihrer Arbeit selbst auseinandersetzen und daraus vor allen Dingen konsequente Schlüsse ziehen. Aus einer solchen Reflexion ließen sich vielleicht tatsächlich Formen und Praktiken entwickeln, die aus der Defensive herausführen.
Und während die kritischen Künstler längst woanders ihre Projekte zum Empowerment des Widerstands durchführen, bleibt die IBA vor Ort und kann über die vielen Jahre die Kritik der BewohnerInnen für sich gewinnen. „Es ist nicht alles schlecht.“ Die dreiste und vorbildlose Instrumentalisierung künstlerischer Praxis wird gerade durch das Zugestehen völliger Freiheit unsichtbar. Die IBA, so ist zu spüren, braucht lang, um diesen Mechanismus selbst zu begreifen, die KünstlerInnen – nehmen wir die Versammlung an der Elbe als Maßstab – scheinen aber im Moment noch langsamer zu sein. Denn die individuelle Reflexion hilft wenig, solange es nicht eine Sprache gibt, in der wir uns über die Situation verständigen können.
schöner versuch, den kuchen aufzuessen und ihn doch zu behalten. bei der iba mitmachen, schön das freie radio dafür instrumentalisieren, das geld einstreichen und sich hinterher zerknirscht geben - natürlich nur im intimen rahmen kritischer künstlerInnen. geht es noch etwas verlogener?