Bildwechsel – Dachverband für frauen / medien / kultur in Hamburg
Sybille Bauriedl führte für the thing am 31. Juli 2008 ein Gespräch mit durbahn und Chris Regn in den Räumen von Bildwechsel.
TT: Ich habe Euch kennen gelernt mit einer Episode, die ist schon 18 Jahre her und ich hoffe, dass Ihr Euch daran nicht mehr erinnern könnt. Ich hatte mein erstes Filmfestival in Berlin organisiert und hier mit der Bitte angerufen „Ja, wir bräuchten den und den Film, könnt Ihr uns den schicken?“ Daraufhin habe ich eine freundliche, aber sehr deutliche Antwort bekommen „wir sind ein Filmarchiv und kein Filmverleih!“ Scheinbar war ich nicht die Erste, die das missverstanden hatte. Seit dem interessiere ich mich für Euer Projekt. Damals 1990 gab es Bildwechsel schon eine ganze Weile. durbahn, Du bist ja eine der Initiatorinnen des Projekts. Kannst Du die Eckpunkte Eurer Ansprüche nennen, die Ihr bei der Gründung hattet? Mit welchen Ideen seid Ihr gestartet?
durbahn: Das Schöne ist: Es ist immer noch dieselbe Idee wie am Anfang. Nun ist es aber natürlich so: wenn man etwas dreißig Jahre lang macht, dann ist dieselbe Idee was anderes geworden. Die Gründerinnen von damals waren ca. zehn Frauen - überwiegend Studentinnen der Hochschule für Bildende Künste. Aber es ist wichtig, noch weiter zurückzugehen, denn Bildwechsel steht auf den Schultern eines der ersten Hamburger Medienzentren, dem Medienladen Hamburg. Der Medienladen war vier Jahre vorher Anfang der 1970er gegründet worden; da war ich auch schon dabei. Der Medienladen vertrat die Idee, dass man mit audiovisuellen Medien vor allem politisch etwas anderes machen kann als in der Medienlandschaft, die es bis dato gab: Film, Druck, Fotografie. Der Medienladen teilte sich dann auf in mehrere Gruppen und die Frauen blieben in den Räumen und so begann Bildwechsel. Bildwechsel ist als Produktions- und Präsentationsraum angetreten – mit der Absicht für die mitarbeitenden Frauen, nach dem Abschluss des HfbK-Studiums, weiter eine Basis zum Produzieren zu haben, Raum um ihre Werke zu zeigen und Veranstaltungen für andere Frauen machen zu können. „Für andere Frauen” war wichtig, weil es so etwas damals kaum gab. Frauen waren keine Kategorie, kein Format. Es war z.B. in dieser Zeit für Filmemacherinnen und Künstlerinnen – oder andere Organisatorinnen – sehr schwierig „für Frauen”, d.h. für ein exklusives Frauenpublikum Ausstellungen zu organisieren. Bildwechsel hatte diesen Anspruch, und das haben wir auch relativ schnell hinbekommen. Wir haben mit Video produziert, das Medium war ja sehr neu damals, 1978, aber auch viel mit Fotografie, denn die meisten waren Fotografinnen. Aber Bildwechsel hatte auch eine Druckmaschine. Am Anfang gab es so etwas wie einen Dreijahresplan: Ein Jahr lang wollten wir uns Zeit nehmen, alles aufzustellen. Wir Hamburgerinnen haben dann so einen großen Plan aufgestellt: Man müsste dokumentieren, man müsste sammeln, man müsste Workshops machen, Broschüren produzieren, man müsste etwas für Lehrerinnen anbieten usw. Ein riesiger Anspruch, na klar. Aber wir waren der festen Meinung, dass zwei drei Monate später jede größere Stadt ihr Medienzentrum und ihr Frauenmedienzentrum haben würde – weil das so eine tolle Idee war. Doch wir sind dann der einzige „Frauenmedienladen” geblieben und haben alles, was im Plan stand, selber machen müssen. Das zweite Jahr sollte für die Vernetzung zu den anderen Gruppen sein. Und das dritte Jahr sollte etwas sichern, was bis heute Thema ist, nämlich die Berufsperspektive der Einzelnen, die bei Bildwechsel mitarbeiten. Es war nie geplant, dass jemand in Bildwechsel Geld verdient, aber es war geplant, dass wir mit unserem „Projektadel” woanders leichter Jobs bekommen. Das hat auch bedingt geklappt – aber immer wenn es geklappt hat, war die Betreffende weg. Das hatten wir uns anders vorgestellt. Anfangs war eine enorme Aufbruchsstimmung. Es wurden ganz viele Gruppen gegründet. Du konntest hingehen wohin du wolltest: Überall machten Leute Projekte. Am Anfang waren wir bei Bildwechsel zehn total motivierte Frauen und jeden Tag haben mindestens zwei davon den ganzen Tag von zehn bis zehn gearbeitet. Das ging, da die meisten Studentinnen waren und die Hochschule das Engagement bei Bildwechsel zum Teil als Studium akzeptiert hat.
TT: Ich finde das sehr interessant, dass du das Gefühl der 70er Jahre noch mal raufholst. Ihr seid gestartet als es einen Aufbruch gab: „Wir machen einfach und das wird super!“ Und alle hatten das Gefühl, ihre Arbeit ist total wichtig und es wird funktionieren. Du sagst es sei von Anfang an klar gewesen, Bildwechsel müsse ein Raum von Frauen sein, ein Raum, in dem sich Frauen positionieren können. Wart Ihr auch frauenpolitisch vernetzt?
durbahn: Alle Frauen, die damals was gemacht haben, waren automatisch frauenpolitisch vernetzt. Wenn es bei Bildwechsel eine Veranstaltung gab, kamen durchschnittlich 50 bis 70 Frauen, um sich das anzugucken – es gab ja sonst nichts. Wir haben von Anfang an viel Missionsgeist gehabt. Auch für die Technik. Wir hatten die Möglichkeit, Videos vorzuführen. Das war was ganz anderes als Film. Filmemachen war sehr speziell, sehr männlich besetzt, technisch sehr aufwändig. Wir reisten auch in andere Städte und haben in Frauenbuchläden erklärt, wie man das Video-Equipment benutzt. Innerhalb der Hamburger Frauenszene war Bildwechsel selbstverständlich verortet und engagiert und hat z.B. Frauenstadtpläne produziert, in denen alle Frauenorte verzeichnet waren. Damals waren das über 60 Projekte. Wir hatten lange Zeit einen Zentrumsanspruch – schon aufgrund unserer guten technischen Infrastruktur, die Videogeräte, das Fotolabor, die Druckmaschine. Das war toll. Die ersten Ausgaben der Hamburger Frauenzeitung wurden z. B. bei uns gedruckt.
Sichtung / Videoabend im Videokabinett 1986 (c) bildwechsel
TT: Das klingt ja jetzt doch ein bisschen nach Dienstleistungsorientierung: Ihr habt Infrastruktur und know how für andere zur Verfügung gestellt. Ihr wart ja selbst auch alle Künstlerinnen, Kunstproduzentinnen. Wie habt Ihr Bildwechsel für eure Arbeit genutzt?
Chris: Ich war damals noch im Nürnberger Künstlerinnenarchiv und habe Bildwechsel kennen gelernt als eine Künstlerinnengruppe, die zur experimentellen Erprobung audiovisueller Medien angetreten war, die einen avantgardistischen Zentrumsanspruch hatte, die als Gruppe zusammengearbeitet hat und außerdem verschiedene Formate ausprobierte. Die klappten dann – oder auch nicht. Sie haben ja tatsächlich versucht, eine zeitlang einen Videoverleih zu machen, was gescheitert ist. Ich kam in einer Auflösungs-/Änderungsphase dazu, so um 1990. Man konnte immer zu Bildwechsel in die Rostocker Strasse kommen und Videos gucken. Es gab ein tolles Fotolabor; Elfi Mikesch hat da Ihre Abzüge gemacht. Das fand ich alles aufregend. Mein Hintergrund war Archivarbeit, aber Bildwechsel war damals noch kein Archiv – eher so eine Sammlung, die Editionen macht und in Sachen Video Zeichen setzen wollte. Es ging bei den meisten Vorhaben um die Erprobung von Medien mit Versuchscharakter.
durbahn: Mit dem Dienstleistungs-Eindruck hatte es zumindest am Anfang auch seine Richtigkeit. Irgendwie war klar: Wenn wir das ganze technische Equipment wollen, das für unsere eigenen Produktionen notwendig war, dann müssen wir das auch irgendwo herkriegen und das Geld dafür muss reinkommen. In den Anfangsjahren sind fünfzig oder sechzig Produktionen entstanden: darunter Videos über Prostitution in St. Georg, über die BitchBand, über die Filmemacherinnen auf der Berlinale und den Verband der Filmemacherinnen, viele experimentelle Produktionen – ganz verschieden Sachen. Wir haben in den ersten Jahren die gesamten Kosten für Bildwechsel selbst erwirtschaftet. Staatliche Förderung war damals verpönt. Zu Video- und Filmvorführungen kamen immer viele und alle haben hinterher gespendet; es gab Video- und Fotokurse; mit der Druckmaschine wurde Geld verdient und auch durch das Videoausleihen kam Geld rein. Zeitweise auch über ein sehr rigides Finanzierungsmodell, bei dem die Einzelnen alles Geld, das sie verdienten oder bekamen, in einen gemeinsamen Topf gaben. Das war spektakulär. Das gemeinsame Portemonnaie ging allerdings nicht sehr lange gut.
Arbeitsschwerpunkte und Organisationsform TT: Ihr habt zunehmend Eure Sammelleidenschaft vertieft. Bildwechsel ist mittlerweile ein riesiges Gebilde geworden, mit vielen Schätzen. Wie kommt das Material zu Euch? Und wie kommen die Nutzerinnen zu Euch?
Chris: Vielleicht erst mal zum Künstlerinnenarchiv. Es wurde vor zwanzig Jahren in Nürnberg gegründet und war eigentlich ein Weiterbildungsprojekt. Wir wollten etwas daran ändern, dass wir selbst so wenig über KünstlerINNEN wussten. Damals war es noch möglich, in einen Kunstbuchladen zu gehen und einfach alles zu Künstlerinnen zu kaufen. Weil es kaum Bücher über Künstlerinnen gab! Es waren immer nur Käthe Kollwitz und Modersohn-Becker zu finden. Wir kamen aus dem Frauenzentrum und haben uns – schon aus politischen Gründen – als Künstlerinnen bezeichnet und Materialien über Künstlerinnen gesammelt mit dem Vorsatz, das zu veröffentlichen, Ausstellungen zu machen und auch kleine Kampagnen. Und mit diesem Archivhintergrund kam ich zu Bildwechsel, und so haben sich zwei Projekte getroffen, die etwas zusammen machen wollten und zwar als künstlerische Produktion; und die Bestände kamen zusammen: vom Künstlerinnenarchiv die Bücher und von Bildwechsel die Videos.
durbahn: Die Videokollektion ist ein audiovisuelles Archiv. Video hat ja eine Geschichte von inzwischen über vierzig Jahren und wenn die Leute über Video sprechen, sprechen sie eigentlich über Formate. Es hat an die dreißig verschiedene Videoformate gegeben und die Videos kommen immer in den technischen Formaten ihrer Zeit in die Videokollektion. Wir bekommen die Videos überwiegend persönlich von den Film- bzw. Videomacherinnen und Künstlerinnen. Im Prinzip übergeben sie uns das umsonst, wollen aber das Material in den aktuellen Formaten anbieten – damit es einsehbar bleibt. Das Archiv ist wie eine Plattform, von der aus die Videos immer wieder in die Welt kommen, und das geht nur wenn sie im jeweils aktuellen Format vorliegen. Jetzt wäre das z.B. die DVD. Kein Videoformat ist stabil. Diese Erfahrung haben wir schon sehr früh gemacht. In den 1980er Jahren – als Video noch mit dem Slogan „Das ewige Gedächtnis” beworben wurde – begann das Format, das von allen politischen Gruppen verwendet wurde, sich zu zersetzen. Für mich war das ein großer Schock. Ich hatte unbedingt an das ewige Gedächtnis geglaubt und plötzlich war da die Not, das gesamte Material zu überspielen. Für Videos wurde sehr viel in Echtzeit aufgezeichnet und erst hinterher geguckt, was davon wichtig für einen Zusammenschnitt sein könnte. Es waren Materialberge die zu überspielen waren. Dass wir das tun mussten – auswählen und selektieren – finde ich bis heute eine große Katastrophe. In der Regel wurden nur die Endversionen kopiert und nicht das Rohmaterial. Das Rohmaterial ist aber der eigentliche Schatz: ungeschnittene Aufzeichnungen von Gesprächen, Diskussionen, Demonstrationen und vieles mehr. Nicht nur bei uns, sondern bei den meisten politischen Videogruppen wurde das Rohmaterial nicht überspielt, sondern irgendwann weggeworfen und damit verschwand ein großer Teil der audiovisuellen Aufzeichnung von politischen Bewegungen. Seitdem war klar: Wenn wir Videos bewahren und zur Verfügung stellen wollen, müssen wir uns immer rechtzeitig darum kümmern, lange bevor die Formate oder Geräte kaputt gehen. Deswegen gibt es inzwischen auch ein Video-Museum, als Teil von Bildwechsel, mit gewarteten alten Geräten für die meisten alten Videoformate und den jeweils neuen zum Überspielen und Digitalisieren.
TT: Ihr habt implizit über eure Arbeitsstrukturen erzählt. Macht doch noch mal deutlicher, wie das bei euch funktioniert. Neben euch beiden sind noch andere aktiv und das Ganze klingt nach viel Arbeit und wahnsinnig vielen Ideen, die ihr bearbeiten wollt. Wie ist Bildwechsel organisatorisch aufgestellt? Wie arbeitet ihr zusammen? Gibt es Chefinnen und Trabantinnen? Wie gewährleistet ihr die Nutzung dieser Mengen von Material?
Chris: Es gibt diesen Raum hier am Hauptbahnhof, der viel von den Sammlungen, die zugänglich sein können, beherbergt. Andere Teile sind ausgelagert. Das Video-Museum z.B. ist in Lübeck, wo durbahn lebt, und damit die Chefin des Museums ist, die spult und kopiert und spult und digitalisiert. Hier vor Ort gibt es eine feste und eine wechselnde Crew mit Menschen, die ganz unterschiedlich auf das Material zugehen, und es gibt einen gemeinsamen Tag. Wir sind wahrscheinlich das einzige Projekt ohne Plenum seit vielen Jahren. Wir haben es mit Entscheidungsversammlungen versucht und es ging überhaupt nicht gut, weil manche die Arbeit schon sehr, sehr lange machen und andere erst sehr kurz. Und dann gibt es schnell eine Hierarchie, mit der es keinen Sinn macht, irgendwelche Plena zu veranstalten, weil das nicht die Kreativität von Einzelnen fördert. Bei Bildwechsel gibt es eine Infrastruktur, in der man es sich ermöglichen kann, etwas zu machen. Hier kann man Aktionen oder eigene Arbeiten vorbereiten, immer vor dem Hintergrund des tollen Materials hier. Wir sind sehr viel unterwegs und gleichzeitig viel vor Ort. Seit zwei, drei Jahren gibt es Bildwechsel auch an anderen Orten, in Glasgow, Warschau, Basel, Berlin. Durch diesen kontinuierlichen Austausch können wir sehen, wie die anderen das so tun und denken, „wow, das könnten wir auch mal wieder so machen“. Vielleicht macht es uns auch deshalb nicht so viel aus, an einem Ort mit so viel Material zu sein, aber du brauchst schon immer wieder das Rausgehen, zu anderen Orten, wo es kein Material gibt, um das wieder zurück zu binden.
durbahn: Alles was wir machen, das ganze Spektrum der Aktivitäten von Bildwechsel findet ja nicht permanent parallel statt. Wir haben ein Zeitkontinuum von bisher fast dreißig Jahren. Da verschiebt sich immer etwas. Mal ist das sehr wichtig und viele machen dabei mit – dann spielt es plötzlich keine so große Rolle mehr und etwas anderes spielt sich auf, was dann wieder für ganz andere interessant ist. Als z.B. die Form „Zentrum” nicht mehr trug, weil viele Mitarbeiterinnen andere Pläne für ihr Leben hatten, gab es eine Zeit ohne Gruppe. Die Struktur hieß damals „weltnotiz”. Die anfallenden Arbeiten wurden so gelöst, dass einzelne Karten ausfüllen konnten, sog. “flexi-cards”, wo sie aufschreiben konnten, was sie können, was sie anbieten wollen und zu welchen Bedingungen. Es gingen dann alle Aktivitäten nur dann weiter, wenn die Betreffende da war. Neue Verhaltensformen entstehen und damit andere Verbindlichkeiten. Pläne und Vorhaben werden abhängig, man muss sagen „ja, im Prinzip geht das, aber ich kann es dir nicht versprechen.“ Oder am Telefon kann eine nur das zusagen, was sie auch selbst tun will, eine Recherche betreuen, eine Videosichtungen organisieren, die Internetseite verändern. Es ist ein künstlerisches Organisationsprinzip.
Bildwechsel ist Künstlerinnenhaus, Museum, Archiv, Treffpunkt, Idee, Fundstätte – und immer wieder anders TT: Was ist das für eine Art von Projekte, die Ihr macht? Ihr seid ja nicht nur Archiv, Museum, Kollektion.
Chris: Eben, wir sind ja auch noch ein Künstlerhaus, wir haben die Galerie Broll als eine sehr bewegliche Galerie, die mal als Verbindung zwischen Hamburg und Basel angesetzt war, damit Bildwechsel die Schwierigkeit, auch Ausstellungen zu organisieren, vom Hals hat, obwohl es Teil von Bildwechsel ist. Solche unheimlich geschickt-ungeschickten Schachzüge machen wir immer wieder. Von Marianne Wex haben wir z.B. Fotos fürs Archiv bekommen – die Originale ihres in den 80ern weit verbreiteten Fotobuchs zu weiblicher und männlicher Körpersprache als Folge patriarchalischer Herrschaft. Sie hat quasi eine Anordnung gemacht über komplizierte Sachverhalte und Machtverhältnisse. Wir haben diesen Ansatz reaktualisiert in Zusammenarbeit mit Antke Engels Queer Institut. Ein anderes Beispiel ist die Interviewreihe zu Reaktualisierungen mit Performerinnen der Vorbildgeneration.
durbahn: Die Themen entstehen oft als Idee für eine Struktur, mit den Archiv-Materialien umzugehen. Das Material ist da, wir greifen ein Thema auf und das fällt dann in die verschiedenen Bereiche, sowohl in produktive wie auch in Sammlungsbereiche. Das Bildwechsel-Jahresthema von 2008 ist zum Beispiel „Doing by doing“ und beschreibt eine bestimmte Haltung und Einstellung zum Programmmachen: Es gibt immer mehr „Künstlerheuschrecken“ wie ich sie nenne, die abgreifen. Die Aufrufe rausschicken und Leute nach ihren Materialien fragen, um sie dann in Projekte zu stopfen, was aus meiner Sicht gar nicht mehr kuratieren ist, sondern ein reines packageing. Das Ergebnis ist eine große Menge von Themenausstellungen, die aber überhaupt nicht nachhaltig sind. Das Zeug wird in ein Event-Format gedrückt und danach ist es weg. Der Katalog ist dann meistens die Rettung, um das Material überhaupt zu erschließen. „Doing by doing“ ist hingegen ein Prozess über ein ganzes Jahr, mit Workshops und Gesprächen; es ist ausprobieren, es ist sich einzugestehen, dass einige Dinge wirklich sehr viel Zeit brauchen. Man wird aufmerksam, man kriegt einen Merkzeichenkomplex. Man sieht überall Leute, die auch so Sachen machen und spricht sie an und darüber wird das dann ein Thema. Bildwechsel macht über die Jahresthemen hinaus wenig Planung. Wir sind grundsätzlich kontakt-offen.
Chris: „Doing by doing“ ging von Warschau aus; das Interesse war ein unkomplizierter, unaufgeblasener Austausch von Fähigkeiten, zusammen zu arbeiten oder Aktionen zu machen. Gerade hatten wir zwei Monate in Basel im Lodypop, wo es um Wissensweitergabe ging. In dem Zusammenhang haben wir im Rahmen eines Projektes mit der Shedhalle in Zürich Skype-Gespräche geführt, in denen es um Zusammenarbeit über größere Distanz ging und wie das unkompliziert zu bewerkstelligen geht.
durbahn: Ich greife noch mal die Mitarbeiterinnenstruktur auf. Wir gehen eigentlich davon aus, dass alle die hierher kommen – zu Besuch oder für Recherchen, und mit denen sich einzelne mitarbeitende Künstlerinnen zum Teil Tage beschäftigen – auch Mitarbeiterinnen werden. Wir wissen inzwischen ja, wie das ist, wenn welche hierher kommen, wie dieser Raum auf sie wirkt. Eigentlich möchten alle so was immer zur Verfügung haben. Der Begriff Künstlerarchiv, üblicherweise in der männlichen Form benutzt, steht für das Material, auf das die Künstlerin zurückgreift, wenn sie produziert. So gesehen machen wir ein Archiv für alle Künstlerinnen. Wir heißen ja nicht Künstlerinnenarchiv, weil wir Künstlerinnen archivieren, sondern weil es unsere Bezugs- und Zielgruppe ist. Wir gehen davon aus, dass alle, die mal hier waren, wieder andere darauf ansprechen, und dann Materialien bringen. Das ist eine gute Idee, es macht Sinn und deshalb klappt es. Diese Art von Verbundenheit schafft den meisten Teil der Arbeit. Das ist wie der Arbeitsablauf auf einem lange schon funktionierenden Bauernhof; da will man nicht dran rütteln.
Künstlerinnenarchiv 2007 (c) bildwechsel
Chris: Momentan sind wir dennoch kräftig am rütteln. Es braucht definitiv ein neues Format. Weder das Video-Museum, noch das Künstlerhaus, noch der Panoramablick auf Künstlerinnen lässt sich offenbar als Format vermitteln, mit dem klar wird, was Bildwechsel ist.
TT: Ich versuche mir zu erschließen, wie Euer Projekt funktioniert. Ein Projekt steht ja für ein Themenfeld. Das ist bei euch klar. Aber dahinter stehen Personen und es gibt Projekte, die nur solange funktionieren, solange die Personen dabei sind. Bei euch steht der Raum im Vordergrund und ihr schafft – auf teilweise sehr charmante Art – Angebote, in diesem Raum zusammen zu arbeiten, wie zum Beispiel mit dem „Warme Händchen Syndikat“ oder dem „Gartenhaus-Stipendium“.
durbahn: Bildwechsel und die Archive sind neben dem feministischen Statement auch ein Statement, dass es neben dem Einzelkünstlertum auch noch etwas anderes gibt. Es gibt immer einen Zwischenbereich, wo du Inspirationen und Anregungen brauchst. Das kriegst du ganz oft und sehr leicht von anderen. Und das ist ein Bereich, in dem wir gerne tätig sind. Das ist mir mit das Wichtigste. Ich kann wunderbar vor mich hinzeichnen, aber die Sachen, die ich nur mit anderen machen kann, die finde ich sehr interessant und inspirierend. Da komme ich aus den 70er Jahren. Eine feste Gruppe ist meist nicht das, was die Leute toll finden. Sie möchten eine lockere Form haben, und wir sind Spezialistinnen für diese lockere Form. Wir haben mal für Grafikerinnen und Zeichnerinnen ein großes Memory entwickelt. Sie sollten zwei Bilder, die eindeutig zusammen gehören einreichen. Wir haben daraus ein riesiges Memory mit 49 Bilderpaaren gemacht. Alle Künstlerinnen kannten sich nicht. Du hattest hinterher 49 Leute, die eine Ausstellung zusammen gemacht haben, ohne dass sie sich kannten. Beim Memory-Spielen haben sich alle sehr stark mit den Arbeiten der anderen auseinander gesetzt.
Chris: Deshalb sagen wir auch immer, wir machen Angebote für das „Modell Künstlerin“.
durbahn: Niemand würde meine Arbeit in Frage stellen, wenn ich mein Leben lang ewig an 2mal3 Meter großen Ölgemälden gemalt hätte, egal, ob ich sie verkaufe oder nicht. Das hier muss man einfach als riesiges Werk sehen, ein Werk von vielen. Und es ist wirklich Kunst, das am Leben zu halten, sich immer wieder Strukturen auszudenken und neue Techniken auszuprobieren. Wenn man das so sieht, kann man auch den Reiz verstehen, den es hat, hier mitzuarbeiten und Teil zu haben.
Videokollektion 2007 (c) bildwechsel
Chris: Bildwechsel verändert sich mit den Menschen, die hier was machen. durbahn stand immer für eine Kritik der Kulturpolitik, der Hamburger Kulturförderung, dem Frauenkulturetat, während ich mich als Zugereiste mehr für Präsentationen interessiert habe, dafür, Dinge in Bewegung zu bringen. Christina geht es eher um den Blick auf die Materialen und die Materialien, die hier unbedingt sein müssen. Claude ging es um die Veränderung innerhalb des Feminismus, Viktoria hat sehr viel mehr Internetpräsenz mit dem Künstlerinnenportal geschaffen, und Stef bringt Ideen zu schulischen Kooperationen in die Gänge.
Hamburger Off-Kunstszene TT: Ich möchte noch über die Verortung von Bildwechsel sprechen. Also den realen Ort. Was meint ihr, warum Bildwechsel ausgerechnet in Hamburg ist? Ist das Zufall?
durbahn: Es ist meine Überzeugung, dass es zwischen Hamburg und Berlin, was den Bereich betrifft über den wir hier reden, spezifische Unterschiede gibt. Ich bin der Meinung, dass in Hamburg Strukturen aufgebaut werden, durch die es zu Produkten kommt, die dann in Berlin präsentiert werden. Darüber war ich manchmal ein bisschen sauer – und dann auch wieder nicht. In Hamburg gab es Anfang der 70er die ersten alternativen Medienzentren überhaupt – darum war Hamburg ziemlich schnell dafür auch bekannt. Die Medienzentren hatten Modell-Charakter für andere Gruppen und Zentren dieser Art in Berlin, Freiburg und anderen Städten. Die Hamburger Filmemacher und die Hamburger Videoleute haben zusammen die erste kulturelle Filmförderung gegründet. Das ist vor allem prozesshafte, langwierige und strukturelle Arbeit. Ich glaube, dass Hamburg für diese Arbeiten gut geeignet ist. Aus meiner Sicht zeigt das auch der Aufbau einer Struktur wie „Wir sind woanders“, der Zusammenschluss der Off-Räume in Hamburg. Irgendwie schaffen es die Hamburgerinnen und Hamburger immer Mal eine Zeit lang, trotz aller Unterschiedlichkeit, zuzuhören und was zusammen zu machen. Ich weiß nicht, womit das zusammenhängt. Die Zeiten haben sich aber geändert. Politisch sieht es so aus, dass es die Stadt Hamburg nicht mehr so wichtig findet, ihre Subszenen und Off-Kulturen zu halten; deshalb versuchen viele, sich auch anderweitig abzusichern. Viele Leute gehen nach ihrer Ausbildung nach Berlin. Ich glaube, das ist fatal. Es lohnt sich immer, zu fragen, „Was für eine Umgebung möchte ich haben?“ Ob man in Programmkinos geht oder Ausstellungen oder an ungewöhnliche Kunst-Orte, das sind alles Umgebungen, deren Vorhandensein schon lange nicht mehr selbstverständlich ist. Meine Hoffnung ist, dass sich die verschiedenen „öffchen“ zu einem „Über-off“ formieren, um deutlicher zu sagen: “Das ist der Bereich, aus dem alles das entsteht, was immer öfter als Format abgegriffen wird”. Das Format, das heute im Schauspielhaus stattfindet, das haben wir vor zehn Jahren bei Bildwechsel gemacht. Man macht da jetzt Performances im Parkett und Einpersonen-Stücke in der Kantine. Die gut bezahlten Einrichtungen machen Dinge, die vorher Domäne der kleinen Orte waren.
Hamburger Kulturförderung und Institutionalisierungszwänge TT: Ihr stellt sehr stark darauf ab, dass etwas durch die Interaktion von Personen entsteht. Meine Beobachtung ist aber auch, dass sich die Kontinuität vieler Projekte durch ihre Strukturen erklären lässt, in wie weit sie sich z.B. an Institutionalisierungsvorgaben und Finanzierungsstrategien durch Fördereinrichtungen ausrichten lassen. durbahn, wie funktioniert Kulturförderung in Hamburg und wie sieht der Weg von Bildwechsel darin aus? Immerhin gibt es euch immer noch, Ihr scheint ja ein erfolgreiches Konzept zu haben.
durbahn: Es ist ein Bündel von Konzepten. Wir hatten das Glück, mit der Unterstützung von vielen anzufangen und dadurch eine finanzielle Selbstträgerschaft herstellen zu können auf Basis einer völlig anderen zeitlichen und finanziellen Situation für die Einzelnen als heute. Die Menschen hatten definitiv mehr Zeit, und Zeit ist fast genauso gut wie Geld, wenn du etwas produzieren und verkaufen kannst. Und dann kam die Zeit, in der frauenspezifische Projekte gefördert wurden. Es gab in Hamburg einen Etat für Frauenkultur, der vier Projekte institutionell gefördert hat, u. a. auch uns. Wir sind stark gefördert worden. Wir haben mit den Leuten, die damals in der Kulturbehörde waren auch kooperiert, wir haben Konzepte entwickelt u.v.a.m.
Chris: Dazu kommt, dass ihr den Frauenkulturetat damals mit eingefordert habt.
durbahn: Genau. Ein Zusammenschluss der Hamburger Frauenprojekte hat in der Hochzeit der Frauenprojektebewegung einen Frauenetat in jeder Behörde gefordert. Wenn man so will, gender mainstreaming für Anfänger. Und die einzige Behörde, die das dann eingerichtet hat, war die Kulturbehörde mit einem sehr kleinen Etat, der langsam gewachsen ist. Im Nachhinein, seit wir die Förderung nun etliche Jahre nicht mehr haben, würde ich sagen, dass sie bewirkt hat, nach vorne denken zu können. Die Tatsache, dass wir immer noch Jahresthemen haben, kommt aus dieser Zeit. Man konnte über das Jahr hinaus planen – was für ein Luxus! Dass wir in größere, teurere Räume umgezogen sind, fand z.B. statt auf Aufforderung der Kulturbehörde. Es sollte wachsen und weitergehen. Dann kam der Regierungswechsel und alles wurde anders. Die spezielle Förderung von Frauenprojekten wurde abgeschafft. Dass es uns noch gibt, liegt an dem ungeschriebenen Bildwechselgesetz „Wir haben hier keine Erwerbsarbeit!“ Jede, die hier rumläuft, ob das nun drei Tage oder dreißig Jahre sind, hat einen persönlichen und keinen finanziell-existenziellen Grund, warum sie hier ist. Als das Fördergeld weggefallen ist, war unser größtes Problem, dass wir die Mietkosten nicht mehr tragen konnten. Wir sitzen hier in Räumen, die zusammen mit denen, wo weitere Archiv-Teile lagern, 2.500 Euro im Monat erfordern. Ich gehe davon aus, dass uns die Mittelstreichung damals wegfegen sollte. Unsere institutionelle Förderung wurde in der Ära von Kultursenatorin Horakova innerhalb eines Jahres gestrichen. Danach wurde bildwechsel aufgefordert fortan im Bereich Künstlerhäuser Projektförderung zu beantragen. Diese belief sich durchschnittlich auf ca. ein fünftel des ursprünglichen Betrags und deckt nicht mal die Miete, wofür wir die Projektförderung sowieso nicht verwenden dürfen. Ich glaube, dass die Projekteszene wie sie jetzt ist, sich genau wie das Förderverhalten der Kulturbehörde und anderer Kulturförderungen in einem Zwischenstadium befindet. Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn viel öfter der Sachverstand von KünstlerInnen abgefragt würde. Wenn sie nun meinen, dass Geld sei nicht mehr da, sollte man sich zusammensetzen und überlegen, was man anders machen kann. Dass das Zusammenspiel mit der Kulturförderung nicht mehr funktioniert, das ist ein großer Verlust; da geht Substanz verloren, im Vertrauen aber auch faktisch. Es gibt ja noch mehr Künstlerhäuser, die auch alle auf eine längere Zeit angelegt sind, wo Menschen auch leben, wohnen und arbeiten. Ich halte sehr viel von solchen, auch überregional und international bekannten, Brückenköpfen, von denen man weiß, die werden in einigen Jahren auch noch da sein, wie das Westwerk. Denn über diese Brückenköpfe erschließt sich die Szene – sie vermitteln Interessierten, wo man rein kann. Sich nicht zu vergewissern, dass solche Projekte bleiben – und dazu rechne ich auch bildwechsel – finde ich fatal. Das Abholzen von Gewachsenem geht ganz schnell, das Nachwachsen dauert lange.
TT: Die Hamburger Kulturförderung hat die Besonderheit, dass Geld an die Freie Kunstszene geflossen ist und die Beteiligten untereinander klären mussten, welches Projekt welche Förderung erhält.
durbahn: Das ist nicht ganz korrekt. Die Kulturbehörde legt Etats für unterschiedliche Bereiche fest und hat Ideen, wofür das Geld verwendet werden soll. Das machen sie gerne mit Jurys, was mir persönlich nicht gefällt. Da wird oft Verantwortung an Jurys abgegeben – und die übernehmen diese oft nicht. Darüber hinaus gab es einen – von der Kultursenatorin eingeworbenen – Mäzen, der Geld an die Kulturbehörde gegeben hat mit der Maßgabe, dass die Mittel für öffentlichkeitswirksame Maßnahmen der Off-Szene eingesetzt werden. Daraus sind zwei Symposien mit angelagerten Ausstellungsstrukturen entstanden. Innerhalb der organisatorischen Struktur, die dafür nötig war, wurde auch überlegt, wer welche Mittel wofür braucht. Und das hat man so basisdemokratisch gemacht, wie es eben geht in so einer großen Gruppe, die sich kaum kennt. Einiges ging sehr gut, anderes war erwartungsgemäß nicht so toll.
TT: Hat dieser Prozess eher den Wettbewerb oder den Zusammenhalt gefördert?
durbahn: Für mich hatte es vor allem den Effekt, dass ich einzelne Leute mit ihrer Arbeit wesentlich besser kennen gelernt habe, als ich das jemals als Besucherin ihrer Orte gekonnt hätte. Wenn Geld im Spiel ist, gibt es leider immer Wettbewerb. Zumindest, wenn es immer wieder zu wenig ist, gibt es verschiedene Konzepte, wie man es ausgibt. In so kurzer Zeit, wenn du dich so wenig kennst und mit dem Druck, dass du etwas realisieren musst, kriegst du das nicht ausdiskutiert. Es ist dann gut, wenn man sich hinterher zusammensetzt und sich fragt: „Hm, wie war das jetzt?“ Das machen einige und andere nicht.
Chris: Für uns war das aber auch nicht so leicht, dass die Mittel so speziell für etwas vergeben wurden, wo wir nur teilweise dazu gehören. So eine Arbeit, wie wir sie machen, ist ja an verschiedenen Orten verankert: im Bereich Medien, Archiv/Sammlung – wofür es noch niemals einen Etat gegeben hat – und als Künstlerhaus. Die Spartenförderpraxis macht die Sache für uns kompliziert. In Nürnberg, wo ich herkomme, gab es einen Alternativtopf und die Projekte haben sich gegenseitig juriert. Unsere Arbeit für Frauen fanden alle gut, aber dass wir uns als Künstlerinnen bezeichneten fanden sie elitär. Das ging also nicht lange gut. In Hamburg war die Situation damals besser, und wir waren sehr froh, mit unserem Material hier herziehen zu können. Jenseits von der Kulturförderung war es für mich immer sehr erstrebenswert, dass wir uns tatsächlich selbst tragen können: Dass das Luxuriöse, was so ein Ort hat, durch kleine Beiträge und durch einen kleinen Mitarbeiterinnenkreis möglich ist. Um nicht abhängig zu sein von Kulturpolitik, muss man eigentlich in beiden Bereichen funktionieren.
durbahn: Inzwischen haben wir auch ein kleines „wir sind woanders“-Archiv; außerdem gibt es Agenten, also Künstler, die für uns Materialien einsammeln und sie an die Archive geben. Das ist ein ganz einfaches Prinzip: Wir wollen nicht nur auf Chronikbände und Fernsehsendungen zurückgreifen müssen. Im Archiv kann man die eigene Geschichte bewahren und sich künstlerisch positionieren. Gestern zum Beispiel hatte eine Journalistin angerufen, die eine Geschichte der Off-Räume in Hamburg skizzieren will. Sie konnte auf fast nichts zurückgreifen. Es gab ja zumindest die Aktion „dagegen – dabei“, die auch einen Katalog erarbeitet haben. Da stand der “Weltbekannt”-Laden von Hilka Nordhausen im Zentrum. Wo ist aber dokumentiert, was seitdem gemacht wurde? Dadurch, dass sich die großen Orte, die Kunsthalle, der Kunstverein, das Kunsthaus fortschreiben, geben sie allein durch ihre Kontinuität eine Geschichte vor, die oft genug alles andere ignoriert. Und dadurch erscheint die Off-Szene immer jung. Das hängt aber nur mit dem Vergessen der Leute zusammen. Aktive Leute stehen auf den Schultern von andern Leuten.
Chris: Es gibt aber auch den Wunsch nach dieser Neuheit. In der Schweiz wirst Du z.B. nur gefördert, wenn Du als Ort jünger als drei Jahre bist.
Positionen zur Hamburger Event-Kultur TT: Wir haben ja auch eine „junge neue Regierung“, die sich in ihr Regierungsprogramm geschrieben hat: „Wir orientieren uns am Konzept der Kreativen Stadt“. Damit sind auch KünstlerInnen, MedienarbeiterInnen, StadtaktivistInnen angesprochen. Sie sollen sichtbar sein, um der neoliberalen Stadtpolitik zur Verfügung zu stehen. Die Hamburger Off-Szene muss sich zunehmend mit Angeboten der IBA, des Kultursommers und weiteren Festivalisierungsstrategien auseinandersetzen. Seid ihr hierin in irgendeiner Form eingebunden?
durbahn: Das Gute an einer Künstlerorte-Initiative wie „wir sind woanders“ ist, dass die KünstlerInnen miteinander arbeiten, aber nicht mit einer Stimme sprechen. Das halte ich für sehr wichtig, um einer schnellen Vereinnahmung entgegen zu treten. Es ist sehr schwer, bei der Heterogenität dieses Zusammenschlusses und den großen Unterschieden zwischen den einzelnen Einrichtungen zu sagen, wir sind jetzt alle dafür oder dagegen. Für einige artist run spaces ist es total existentiell sich an “wir sind woanders” zu beteiligen, für mich und für Bildwechsel hat es ganz viel mit Kenntnisnahmen zu tun. Es ist kein Hamburger Phänomen, das wenige Geld, das kulturell da ist, da hin zu tun, wo laut geschrieen wird, damit die Leute sich daran erinnern. Mit dieser Event-Kultur arbeiten so viele Leute, dass es müde macht. Ich finde es kann nicht sein, dass man sich bei einem Event-Projekt nach dem anderen bewerben muss, um seine Relevanz als Ort zu behaupten. Jedes Projekt hat seine eigenen Töne, und Hamburg macht sich arm, wenn immer nur Marschmusik daraus gemacht wird.
TT: Stellt Euch vor, es ist das Jahr 2020 und ihr beiden seid Kultursenatorin und Finanzsenatorin. Wie würde die Hamburger Kunstszene aussehen?
durbahn: Das ist viel zu groß und zu wichtig, um so etwas allein zu gestalten. Es braucht zuerst eine Form, um die verschiedenen Sachverstände und Kompetenzen zu klären. In Bezug auf die Off-Szenen sehe ich das so, dass die Leute Spaß daran haben müssen, was miteinander zu tun, aber es braucht nachhaltigen Zugang zu Ressourcen und damit sind eben auch Projektfinanzierungen gemeint. Man sollte keiner Einzelperson die Aufgabe zuschieben, das entwickeln zu müssen oder prägen zu wollen. Wenn Leute nur ihre eigene Sicht umsetzen wollen, bleibt immer ganz viel außen vor. Es wird nie was ganz Neues erfunden von einer Person.
TT: Vielen Dank euch beiden für das Gespräch.
Kontakt:
bildwechsel
kirchenallee 25
20099 hamburg
info@bildwechsel.org
www.bildwechsel.org
Allgemeine Öffnungszeit: Mittwochs 16 bis 19 Uhr
Ich finde die Text bei Thing Hamburg als einfacher User auch zu lang.
Sie bekommen dadurch zwangsläufig einen Archiv Charakter. Was sicher nicht verkehrt ist. Denn schliesslich geht es bei The Thing auch darum archivarisch zu arbeiten und belegen zu können, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt Stellung bezogen hat.
Wenn man allerdings das Medium Internet berücksichtigt, von dem die Experten meinen, es wäre "action orientiert", so müssten die Texte gekürzt werden. Und zwar so, dass die UserInnen eine klaren Idee bekommen, was sie zu tun haben. Das ist sehr sehr schwierig. 99% aller Webseiten bekommen das nicht hin.
Auch mir als Betreiber von Thing Frankfurt gelingt das nicht. Aber ich habe eine ungefähre Idee, wo in etwa die Lösung liegt. Micro Content.
Warum haben Netzwerke wie MySpace oder Facebook oder Twitter solch einen Erfolg? Weil sie den Benutzern erlauben sehr kleine und dabei konkrete Aktionen durchzuführen. Hier muss man lernen.
Vielleicht mal zusätzlich einen Twitter Channel bei Thing Hamburg anbieten. Nur mal als Experiment, inweitweit sich die Inhalte komprimieren lassen.
lieber stefan,
danke für deinen kommentar. wir haben uns bisher bewusst die freiheit genommen, uns nicht in das übliche internet-format zu begeben, sondern unsere texte so lange sein zu lassen, wie sie sein wollen und verstehen das auch als ein stück freiheit und non-konformismus. schließlich muss man ja nur einen oder zwei in der woche lesen. das ist doch ein großer unterschied zu den üblichen plattformen, die viel mehr anbieten und dafür viel kürzer.
noch finden wir es wertvoll, auch mal in die tiefe zu gehen...
mal sehen, c.
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