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Kommentar [1]
28. Mai 2008

Warum fehlt bislang eine Auswertung gesellschaftlicher Effekte von künstlerischer Arbeit?

von Sabine Falk

Hier nun der zweite Teil der Kritik an der verschärften Überprüfungspraxis durch die Künstlersozialkasse:

Auf der Basis einer neuen und notwendigen Wert-Bestimmung von Kunst könnte die Argumentation fußen, mit der eine breite Schicht von KünstlerInnen selbstverständlich für ihre Arbeit honoriert werden - auch und gerade für eine immaterielle Kunstproduktion.
Eine Evaluation künstlerischer Tätigkeit wird von den KulturproduzentInnen selber zu leisten sein. Die Soziologie, Kulturwissenschaft, Rechtswissenschaft und andere Instanzen mehr könnten dabei zuarbeiten. Weder die Politik noch die Verwerter-
Innen haben bislang ein Interesse daran, KunstproduzentInnen in eine gleich-
rangige Position zu erheben. KünstlerInnen werden eine Lobby bilden müssen, um ihre Honorarforderungen durchzusetzen zu können. Der Forderung der Künstlersozialkasse nach einer Produktion von verkäuflicher Kunst sollte die Forderung nach einer ökonomischen Honorierung von immaterieller, künstlerischer Arbeit entgegen gesetzt werden.


Es gibt immer noch keinen offiziellen Diskurs, in dem die gesellschaftlichen Effekte künstlerischer Arbeit evaluiert werden - und zwar jenseits von Euros und Galerien, fürs erste zumindest. Auf der Basis eines solchen Diskurses könnte dann ein Verständnis für den speziellen Wert dieser Arbeit entwickelt werden, so dass ihre Honorierung zwingend und folgerichtig wird.
KünstlerInnen erwerben im Kunstfeld Fähigkeiten zur Verhandlung, zur Kommunikation von neuen und komplexen Sachverhalten, zur Kritik und Analyse von bestehenden Verhältnissen. Es ist zu fordern, dass sich diese »soft skills« in guten Margen auszahlen. Einige KünstlerInnen gehen schon mal fremd und betätigen sich als UnternehmenberaterIn oder ManagerIn in der Wirtschaft. Dabei kommt ihnen ihr spezielles, auf dem Kunstfeld erworbenes Können zu Gute. Ein seltenes Beispiel für die gesellschaftliche Anerkennung künstlerischer Fähigkeiten in barer Münze. Doch auch hier bleibt die Spaltung evident, mit der das Resultat gut bezahlt wird, hingegen das künstlerische Handeln darin ausgeblendet wird. Dies führt zu der Frage, ob künstlerische Arbeit auch dann vorliegt, wenn kein Artefakt oder Werk dabei herauskommt?

Bildende Kunst leistet einen Forschungsbeitrag für die Gesellschaft
Indem sie Disziplinen und Bereiche miteinander assoziiert, die vorher nie auf diese neue Weise miteinander verknüpft waren, hält Bildende Kunst einen Forschungsbereich für die Gesellschaft bereit. Ihre ureigene Fähigkeit ist jene der neuen Assoziation von ehemals getrennten Ebenen.
An diesem Forschungskontinuum ist jeder beteiligt, der ernsthaft künstlerisch arbeitet. Auch Irrtümer oder »schlechte Arbeiten« bringen den Diskurs weiter. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung einer künstlerischen Arbeit muß bestehen bleiben und darf sich gar nicht auflösen. Sonst würde sie in einen Werte-Essentialismus abrutschen. Das Feld muß offen gehalten werden.
Damit die Diskussion kursieren kann, müssen die künstlerischen Bemühungen öffentlich sein, also ausgestellt werden. Der Diskurs entsteht allerdings ebenso im Verborgenen und wird auch in nicht öffentlichen Räumen produziert.

Wie könnten Honorarverhandlungen eingeführt werden?

Das wissenschaftliche Erfassen der Auswirkungen von Kunst auf beispielsweise Stadtteile, Arbeitsbereiche, Bildung und vieles andere mehr würde zur stärkeren Sichtbarkeit von immaterieller, künstlerischer Tätigkeit führen. Von diesem neuen Standpunkt aus könnten Honorarforderungen durchgesetzt und letztlich dann auch gesetzlich geregelt werden. Bislang zählt nur der Marktwert von Artefakten oder Werken, also Dingen oder Waren, die eine KünstlerIn hergestellt hat. Der ökonomische Gegenwert wird ausschließlich vom Kunstmarkt definiert, dessen Logik von der Künstlersozialkasse unreflektiert übernommen wird.
Die KSK stammt aus der nunmehr vergangenen Zeit der sozialen Marktwirtschaft und soll zunehmend neoliberalisiert werden. Ursprünglich wurde sie gegründet, um Bildenden KünstlerInnen zu einer selbstständigen, ökonomischen Existenz zu verhelfen. Jetzt wirft sie vermehrt jene Versicherte raus, für die sie einst aufgebaut wurde.
Nur wenn KünstlerInnen selber ihre Arbeit für Wert erachten, »angemessen« bezahlt zu werden, könnten neue Verhandlungen beginnen.
Informelle Netzwerke, welche aufgebaut wurden, um beispielsweise Jobs zu bekommen oder weiter zu geben, könnten umgewidmet werden in erste Zusammenschlüsse, von denen aus gemeinsame Honorarforderungen bestimmt werden.

Es ist schwierig, weiterhin mit sozialmarktwirtschaftlichen Argumenten für einen Erhalt der KSK zu plädieren. Alternativ auf eine neoliberale Zwangslogik einzuschwenken vermeidet erneut die Auseinandersetzung mit den spezifischen Leistungen von KünstlerInnen. Wäre es nicht besser, aus dem Reagieren heraus zu kommen und ein eigenes Verhandlungsgerüst dagegen stellen, auf das diesmal die anderen Parteien zu reagieren haben? Eine Gebühren-und Honorarordnung etwa, vergleichbar der von Anwälten und Zahnärzten, die auf dem Fundament einer Selbst-Wertbestimmung basiert? Zu diesem »Geschäftsplan« würde die Selbsteinschätzung des eigenen Wertes gehören, was immer noch als tabu gilt. Oder aber ein groß angelegter Streit darüber, was »gute Kunst« sei? Dies überläßt man bislang lieber GaleristInnen oder einem Kult, der das Genie bestimmt und als besonders herausstellt. Die Vereinzelung von KünstlerInnen hat immer noch mit dem Geniebegriff zu tun und wird beispielsweise von Kunsthochschulen gefördert. Weder die Sozialisation in den Akademien noch auf dem Kunstmarkt halten Strukturen bereit, die eine Selbst-Positionierung der eigenen ökonomischen Existenz als KünstlerIn ermöglichen. Dies müssen die KunstproduzentInnen vermutlich selber in die Hand nehmen.
Sie werden nicht umhin können, eine Lobby zu bilden, um ihre existentiellen Interessen zu vertreten. Bereits auf der Jobebene wird deutlich, dass jede KünstlerIn allein und ohne ein übergeordnetes Argumentationsgerüst ihre Honorarverhandlungen gegenüber VerwerterInnen führen muß, die ihre Vereinzelung in der Regel gerne ausnutzen. Dies bedeutet eine konstante Überforderung und schlechte Verhandlungsbasis, die zudem zu viel unbezahlter und immaterieller Job-Arbeit führt.

Die KSK fordert die Produktion von verkäuflicher Kunst ein
Die Freiheit der Kunst ist ins Grundgesetz geschrieben, weil sie ein Indikator für eine demokratische Gesellschaft ist. Sie formuliert auf die ihr eigene Weise, wenn eine Demokratie sich aufzulösen beginnt. Diese Freiheit ist auf eine eigentümlich verwaltungsrechtliche Argumentation hin bedroht, wenn KünstlerInnen dazu aufgefordert werden, doch verkäufliche Kunst zu produzieren. Hierzu ein Beispiel:
»In Hamburg sind verschiedene Künstler aufgeschreckt worden, die z.B. durch interventionistische Kunst wirklich kein Geld verdienen, nur manchmal Förderung durch die öffentliche Hand erfahren. Was sagt man Künstlern, die Dinge anbieten, die zwar nicht unbedingt verkäuflich sind, aber zum Kunstbetrieb gehören?« - (Die Antwort der KSK: ) »Man müsste ihnen raten, so viele verkäufliche Dinge zu produzieren, dass sie mit ihrem Einkommen die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Förderungen sind Einkommen, wenn die Fördermittel steuerpflichtig sind. Steuerfreie Zuwendungen sind kein Einkommen.«
(In: kulturpolitik vom Juni 2007, der Zeitung des BBK, S.20)
Ein unzumutbarer Eingriff in das künstlerische Selbstverständnis

Ist es zumutbar, verkäufliche Artefakte zu produzieren, obwohl man beispielsweise als interventionistische KünstlerIn nicht daran interessiert ist, »Flachware« herzustellen? Üblicherweise sind es dann Zeichnungen oder Skizzen, die nun einen Warencharakter erhalten sollen. Alle Galerienkünstler haben ihren Fokus auf genau einer solchen by-production. Ob Skizzen und Zeichnungen zu verkäuflichen Fetischen gemacht werden, sollte einzig der KunstproduzentIn obliegen. Erst recht, wenn an dieser Entscheidung so etwas Existentielles hängt wie der Verbleib in der KSK. Nur weil Künstler nicht materiell arbeiten, kann ihnen nicht unterstellt werden, dass sie zum einen nicht professionell arbeiten und zum anderen damit kein Geld verdienen wollen würden.
Aber was ist, wenn man zur materiellen Kunstproduktion gezwungen wird? Ist das nicht bereits ein erheblicher Eingriff in das künstlerische Selbstverständnis? Die Zeiten sind vorbei, in denen Konzepte, schwer von den damaligen ProduzentInnen erkämpft, allein als wertvoll erachtet wurden. Konzeptkunst zum Beispiel ist eben schwer verdaulich, Bilder gehen leichter. Es ist eine unzulässige Einmischung in die künstlerische Freiheit, immateriell arbeitende Künstler zu einer materiellen und verkäuflichen Produktion zu zwingen. Damit ist die Freiheit der Kunst bereits verletzt. Ein Ausweg daraus könnte sein, bereits die immaterielle Produktion ökonomisch zu honorieren. Eine immaterielle Kunstproduktion ist keinesfalls gleichzusetzen mit einem unprofessionellem Verzicht auf ein Honorar! Dafür muß aber der Wert der Kunstproduktion formulierbar sein und quasi übersetzt werden in einen Geldwert. Und hier liegt die Krux: die Logik der abstrakten Gleichsetzung einer künstlerischen Leistung mit einem vorher ausgehandelten und definierten Geldwert könnte am Ende siegen und ein Eigenleben beginnen, wie wir es täglich erleben. Nicht mehr die abstrakte und immer wieder neu zu verhandelnde Auswertung von künstlerischen Leistungen wäre der bestimmende Diskurs, unter den sich ein ökonomisches Äquivalent unterordnet. Stattdessen könnte sich auch hier die unbändige Logik des Geldmarktes erneut durchsetzen, weil so gut eingeübt.
Soll man auf das Ende des Kapitalismus warten oder darauf pochen, dass schließlich auch KünstlerInnen Mieten etc zu zahlen haben? Ist das Begehren von KunstproduzentInnen zu klein, selbstverständlich von ihrer Arbeit leben zu können? Sollte die Bezeichnung »Bildende KünstlerIn« endlich eine geschützte Berufsbezeichnung werden, damit es leichter fällt, den Wert der künstlerischen Produktion wahrzunehmen?
Es gibt viele immaterielle Produkte, die selbstverständlich viel Geld einbringen, beispielsweise Unternehmensberatung oder Coaching, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ist die Arbeit einer KünstlerIn weniger wert als die eines Coaches?

Zusammenfassend läßt sich sagen, dass der Trend dahin geht, Kontext und Entstehungsbedingungen von Kunst zu negieren und einzig den Fetisch- und Warencharakter von Artefakten gelten zu lassen. Die KunstproduzentInnen wären aufgefordert, eine Lobby zu bilden und die Wertbestimmung ihrer Arbeit selber vorzunehmen, unter der Kritik anderer wissenschaftlicher Instanzen. Auf der Basis einer umfänglichen Analyse des Nutzens von Kunst für die Gesellschaft sollte eine breite Schicht von KünstlerInnen fortan selbstverständlich Honorare erhalten.









Kommentar [1]
Joachim Griebe Hamburg schrieb am 07.06.2008 23:23

Sehr guter Artikel ! Ich habe mir erlaubt diesen Artikel zu verlinken . Seit vielen Jahren betreibe ich ein Forum zum Thema Künstlersozialkasse .
Was mit der KSK mal als soziale Idee sehr gut gedacht war hat eine unfähige Gesetzgebung , untätige Politiker und eine miese Bürokratie "an die Wand gefahren .

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