Du bist Verflüssigung!
Armin Chodzinski
Ein Kommentar zu Adrienne Goehlers »Verflüssigungen – Wege und Umwege vom Sozialstaat zur Kulturgesellschaft«, Campus 2006
„Wir leben in einer Phase des umfassenden gesellschaftlichen Übergangs, die man als ‚nicht mehr und noch nicht’ bezeichnen könnte“, schreibt Adrienne Goehler einleitend zu „Verflüssigungen“ und gibt damit formal, wie inhaltlich die Richtung vor: inhaltlich, weil sie über das Dazwischen schreibt, das bekanntlich Gestaltung fordert und für das Danach nach Konzeptionen sucht. Formal, weil in ihrem Buch durchgängig ‚nicht mehr und noch nicht’ kursiv gesetzt ist und so immer wieder eine intendierte Bedeutung und zu füllender Spielraum gestalterisch suggeriert wird: Jetzt muss es gesagt werden! Wir sind am Puls! Goehler bietet eine Formel an: Das ‚nicht mehr und noch nicht’ ist aufzufüllen durch die Verflüssigungen, die sich in der Kulturgesellschaft realisieren und die nicht kursiv gedruckt werden, weil Verflüssigung die Methode und Kulturgesellschaft das Ziel ist. Eigenartig! Der „Brand“ und der „Claim“ hätten eine Hervorhebung gut gebrauchen können. Unter Verflüssigungen versteht Goehler das Auflösen von „gesellschaftlich Verklumptem“, von Blockaden, die Erprobung von Neuem und Abweichendem mit der steten Gefahr, sich letztlich selbst aufzulösen. Mit dieser „Ambiguität“, also einer betont akademischen Vokabel, die hier banalerweise nur die Mehrdeutigkeit von Worten bezeichnet, habe sich die Kulturgesellschaft auseinanderzusetzen, so Goehler. Aber nicht nur die Kulturgesellschaft, auch das Buch... Adrienne Goehler (*1955) hat Psychologie studiert, 1985 die Frauenliste der GAL/GRÜNEN in Hamburg mit begründet und von 1986 bis 1989 in der Hamburger Bürgerschaft gesessen. Sie war 12 Jahre Präsidentin der HfbK Hamburg, zwei Jahre Senatorin in Berlin und vier Jahre Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds. Seit Anfang des Jahres ist sie ohne feste Beschäftigung und viel unterwegs, um von ihrem Buch zu erzählen. Und irgendwie passt das auch, denn immer wieder drängt sich beim Lesen der Eindruck auf, dass es sich um ein Bewerbungsschreiben handelt: ein politisches Programm, angereichert mit aktuellen Diskussionslinien, ein 100-Tage-Programm einer Senatorin, einer Ministerin oder einer Staatssekretärin – da drunter in gar keinem Fall. So ist die erste Frage weniger, ob das Inhaltliche stimmt oder weiterbringt, sondern vielmehr: Ist eine Kandidatur zu unterstützen? Soll, muss oder kann Adrienne Goehler gewählt werden? Das Buch mit 276 Seiten enthält eine Literatutliste, ein paar E-Mails, mehrere Beispiele, viele Anmerkungen und noch mehr Zitate bzw. Verweise auf große und kleine Autoritäten: Am häufigsten fällt der Name Hannah Arendt, Richard Florida wird aber auch oft erwähnt. Goehler fasst verschiedene Diskussionsstränge um die gesellschaftliche Transformation, die sich aus dem Wechsel der Produktionsmittel ergibt, zur Grundlegung ihres Ansatzes zusammen. Die Referenzen derer sie sich bedient, sind in weiten Teilen jene, die sich in den aktuellen Kunst- und Kultur-Diskursen wiederfinden. Auch die Beispiele die Goehler nennt, sind auf der Höhe der Zeit, sind nicht historisiert, sondern vitale Versuche, Gesellschaft zu gestalten. Es ist gut, dass ein Buch, das sich zur Zeit besser verkauft als Joschka Fischers’ „Die Rückkehr der Geschichte“, die Bundeskulturstiftung, Evolutionäre Zellen (http://www.evolutionaere-zellen.org), Go Create Resistance (http://www.gocreateresistance.de/), Gudrun F. Widlok (http://www.migration-boell.de/web/integration/47_63.asp), Droping Knowledge (http://www.droppingknowledge.org/), Gesine Danchwart, Grundeinkommen und vieles andere mehr in einem Zusammenhang nennt und damit die Forderung belegt, Kunst bzw. Kultur nicht in die „lange Liste der Subventionsempfänger- und KostgängerInnen“ einzureihen, sondern als Investitionsgut ernst zu nehmen. Gut ist diese Forderung deshalb, weil sie erneut und prominent die Frage nach dem künstlerischen Selbstverständnis eröffnet: Welche Funktion hat Kunst? Welche gesellschaftliche Verantwortung? Was ist heute Angewandte Kunst? Ist Kunst gleich zu setzen mit Kreativität, oder gibt es da noch irgendeinen Unterschied? Gut ist die Forderung auch, weil sie eine klare Positionierung zu einer realpolitischen Frage leistet: Kunst- und Kulturförderung lohnt sich, ist gesellschaftlich und ökonomisch sinnvoll, notwendig und relevant. Kunst hat eine Funktion im Ganzen einer prosperierenden Ökonomie. Schwierig ist sie, weil nirgends verdeutlicht wird, was mit Kunst eigentlich gemeint ist, und weil sich in der Argumentation die Differenz zu rein neoliberalen Rhetoriken verflüssigt: Der Sozialstaat ist am Ende, es kann keine Verteilungsgerechtigkeit mehr geben und gleichzeitig, so Göhler, liegen „ökonomisch relevante Potenziale brach“. Die Kulturgesellschaft als politische Umfeldgestaltung, um diese Potenziale ausschöpfen zu können? Kunst als Investitionsfeld einer rezessionsfürchtigen Gesellschaft? Unter welchen Bedingungen? Was ist der Unterschied zwischen Kulturgesellschaft und dem, was mit dem genauso unscharfen Begriff Neoliberalismus einige Ängste erzeugt? Und was hat das mit Kunst zu tun? Bedarf Kunst lediglich einer Kanalisierung um gesamtgesellschaftlich wirksamen ökonomischen Mehrwert zu produzieren? Gibt es das nicht schon? Die Bundeskulturstiftung fungiert als eine solche Kanalisierungsinstanz, die eine Reihe nützlicher, diskursiver und engagierter (Kunst-)Projekte mit reichlich Finanzen unterstützt, auf dass diese beweisen, dass politische Widerständigkeit, künstlerisch gewendet, durchaus förderlich sein kann für Stadt- und Standortentwicklungsprojekte. Goehler ist Politikerin, und es ist fraglich, ob sie die Dinge zusammendenkt, um sie weiterzuentwickeln, oder ob sie auf der Suche nach dem Klang der Zeit einfach ein paar Referenzen in einen Topf wirft: Die Suppe heißt „Kunst und Kreativität und Kultur“ und sie macht nicht satt, sondern hungrig und rettet so die Welt. Auch in Hamburg wird sie gern gegessen: Kreative Stadt (http://www.gal-fraktion.de/cms/default/rubrik/7/7297.kreative_stadt.htm), Wachsende Stadt (http://www.wachsende-stadt.hamburg.de/grafikversion/leben_in_hamburg/kultur/kultur.php), Hamburger Kurs (http://kurs.spd-hamburg.de/Oekonomie/skirkeinterview.htm) und so weiter ... Die Diskussion um den gesellschaftlichen Wandel ist eine Diskussion um Menschenbilder. Wenn sich der Wandel sich so fundamental vollzieht, wie es Adrienne Goehler – abgestützt auf viele – zusammenfasst, dann muss auch klar sein, dass die Diskussion darüber nicht eine sein kann, die sich nach Lösung und Handhabbarkeit eines Problems fragt. Das ist das Problem der Realpolitik und das macht die Lektüre von „Verflüssigungen“ zu einer Achterbahn. Ein fundamentaler Wandel zwingt zu einer ebensolchen Befragung des Menschenbildes, aktualisiert die Frage, wie wollen wir leben und zwingt – vor allem in Kunst und Wissenschaft – dazu, genau zu sein und alles in Frage zu stellen. 1997 gaben Heinrich von Pierer, damaliger Siemens-Vorstandschef, und Bolko von Oetinger, Präsident der Unternehmensberatung Boston Consulting, ein Buch heraus mit dem Titel „Wie kommt das Neue in die Welt?“. Dieses Buch ließ allerlei Personen zu Wort kommen, die auf unterschiedlichste Weise Innovationen mittels kreativer oder schlicht unerwarteten, irregulären Handlungen beförderten. Im Vorwort beschreiben Pierer/Oetinger die Notwendigkeit für Unternehmen, kreative Freiräume – in ihrem Fall wurde die Metapher des Jazz-Schuppens verwandt – zu etablieren. Zonen des Irregulären zur Weiterentwicklung des Bestehenden. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur war die Folge eines diagnostizierten Innovationsstaus, der aufgelöst werden sollte – Verflüssigung durch Kultur. Einiges bei Adrienne Goehler erinnert an dieses Buch, das zum Wohle des Unternehmens verschiedene Verzweckungsstrategien für Kunst entwickelte und dabei eigentlich immer Kreativität meinte. Hier aber schreibt nicht eine Unternehmerin über Verflüssigungen, sondern eine Politikerin. Das verändert zwar die Sachlage, aber nicht das Problem, denn ohne die Substanz der Diskurse schäumt eine ununterscheidbare Rhetorik. Man mag Goehler unterstellen, dass sie etwas Anderes will, aber das ist eben nur anhand ihrer Beispiele zu erspüren; aufgeschrieben, argumentiert oder belegt wird es nicht, eher im Gegenteil. Eines ihrer Beispiele ist Richard Florida. 2002 erscheint sein Buch „The Rise of the Creative Class. And How It’s Transforming Work, Leisure and Everyday Life“. Irgendwo zwischen Zeitdiagnose und Handlungsanweisung skizziert der Sozialwissenschaftler Florida das Bild einer Kreativen Klasse, die sich auf der Grundlage wandelnder Produktionsbedingungen herausbilde und zu einer zentralen ökonomischen Macht würde. War in den 80er und 90er Jahren der Diskurs um Stadt vielfach davon geprägt im Sinne einer Verschwörungstheorie die Fakten der Gentrifzierung als strategische Stadtentwicklung zu unterstellen, gibt Florida nun wirklich pragmatische Begriffe vor, die die Stadtpolitik verändern. Es ist nicht Floridas Erfindung, dass die Innovation und damit die Kreativität im Wirtschaftsprozess an Bedeutung gewinnt, auch nicht, dass Medien und Entertainment expandieren und auch nicht, dass sich die fixierten Arbeitsverhältnisse auflösen. Florida denkt die Dinge aber zusammen: Er betont den GAY-Faktor von Städten, der wirtschaftlichen Aufschwung garantiert, entwickelt die 3T-Strategie – Tolerance, Talent, Technology – als zentralen Standortfaktor für eine florierende Wissensökonomie, spricht von „Kreativ-Clustern“ im Stadtraum und erhebt den BOHO-Index, den Bohemien-Faktor, der die kulturelle Infrastruktur – Galerien, Cafes, etc. – misst und Entwicklungspotenziale im Sinne einer Stadt- bzw. Quartiersentwicklung sichtbar macht. Florida diagnostiziert und pragmatisiert eine Gesellschaft, deren Grundlage die Ökonomie ist, die am Warenfetisch hängt, die Identität zum Fetisch macht und Kultur zur Ware. Die schlagende Kurzformel lautet: Kreativität ist die Hauptantriebskraft für ökonomisches Wachstum! Die Paradigmen der Stadt Hamburg beziehen sich – zumindest von Seiten der Wirtschaftsbehörde – auf Florida, Hafencity kulturalisieren, heißt Investitionsanreize schaffen! (http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=2098&MenuID=130&MagID=78&sid=su66249651725614, http://www.hamburg-haushalt.de/demos.php?view=detail&id_item=2211) Was gestern noch Projektion war ist heute Strategie! Alle jubilieren: KünstlerInnen wittern Aufträge, Galerien hoffen auf Förderung, die jetzt Investition heißt. Prekäre KulturproduzentInnen bleiben zwar prekär, aber sie sind jetzt wichtig und alle wissen es. Und das ist gut, dann fühlt man sich besser beim Übergang von einem Kreativ-Cluster in das andere, denn die Logik der ökonomisierten, kulturalisierten Stadtentwicklung lautet: Kulturalisierung – Verdrängung – Homogenisierung – Kapitalisierung und zurück! Ein diagnostischer Entwurf aus der Zeit vor Florida stammt von dem Soziologen Paul Ray und der Psychologin Sherry Anderson. Ihr Buch „The Cultural Creatives: How 50 Million People Are Changin’ the World“ erschien im Jahr 2000. Es fasst die Ergebnisse einer 13 Jahre dauernden Studie zusammen, die sich mit dem Aufstieg einer sich selbst als kreativ verstehenden Gruppe von Menschen beschäftigt, die sich eben gerade nicht als Gruppe versteht, aber ähnliche, den veränderten Bedingungen geschuldete, Aufsteigerbiographien aufzeigen. Ray/ Anderson fokussieren vor allem auf die gesellschaftlichen Veränderungen und Ambitionen dieser Menschen, denen – laut Autoren – vor allem Ökologie, persönliche Beziehungen, Frieden, Freiheit, Ausdrucksmöglichkeiten, usw. wichtig sind. Florida und Ray/ Anderson beschreiben ein ähnliches gesellschaftliches Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven. Diese Perspektiven basieren auf unterschiedlichen Zugängen zur Welt, unterschiedlichen Menschenbildern, unterschiedlichem Ethos und auch wenn die Ergebnisse der Untersuchungen nicht unähnlich sein mögen, so stehen sich die Positionen doch unvereinbar gegenüber. Sie markieren das Problem des Wandels, der eben nicht die kurzfristige Entscheidung fordert, sondern dazu zwingt, gesellschaftliche Fragen neu auszuhandeln. Es geht dabei viel weniger um das Was, als um das Wie! Adrienne Goehler referiert beide Ansätze und fokussiert letztlich auf Florida, der sich für die Ausgestaltung einer Idee von verflüssigter Kulturgesellschaft besser zu eigenen scheint, da selbst die Wirtschaftswoche Florida ernst nimmt – es geht um Zahlen, um Erfolg, um Kontrolle und um Macht… um Politik eben. Goehler lässt offen, wie sich die Ansätze unterscheiden und verflüssigt die Gegensätzlichkeit, macht Florida, Ray und Anderson zu einem differenz- und profillosem Ganzen. Gleiches gilt für die Grundeinkommensdiskussionen, für interkulturelle Dialoge und vieles mehr. Immer wieder wird das Grundsätzliche verklärt, verflüssigt, pragmatisiert und nivelliert. Es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie beide Positionen überhaupt kennt, denn KulturpolitikerInnen haben im Gegensatz zu UnternehmerInnen, StadtplanerInnen und WirtschaftspolitikerInnen in der Regel noch nie davon gehört oder warten (seit kurzem) auf eine deutsche Übersetzung, die es wahrscheinlich nie geben wird. Das Problem ist offensichtlich: Verflüssigung ist eben auch Verklärung, und Verklärung ist ein Mittel zur Machterhaltung. Und das ist es, was das Buch von Adrienne Goehler so schwer verdaulich macht. Ihr kulturpolitischer Entwurf argumentiert mit Nützlichkeit und rechtfertigt Kultur mittels seiner Mehrwertproduktion. Die Argumentation ist gefährlich, hat sie doch nichts mit Kunst oder Kultur zu tun, sondern erweitert und bestärkt lediglich die finanzwirtschaftliche Perspektive. Und so geht es hier auch nicht darum, wie wir leben wollen, sondern ausschließlich darum, wie wir in einer liberalen Ökonomie leben müssen, und welche Kontroll- und Verwertungsregeln dort greifen. Es ist eine eigenwillige Sollbruchstelle, die zwischen Goehlers Gedanken und ihren Projekt-Beispielen entsteht, denen man jeweils durchaus zubilligt, sich mit der Grundsatzfrage auseinanderzusetzen und die Gesellschaft als Ganzes im Blick zu haben. Die Diskussionen um die Rolle der Kunst in gesellschaftlichen Transformationsprozessen ist alt und ein Blick zurück macht deutlich wie schwierig es sein kann, wenn sich der Wunsch der Kunst wirksam zu sein einzulösen scheint. 1909 erschien in Jena ein durchaus populäres Buch mit dem Titel „Wirtschaft und Kunst“. Der Ökonom Heinrich Waentig (1887-1943), aktiv in allerlei bedeutenden Netzwerken der Zeit, z. B. dem Deutschen Werkbund oder dem Verein für Sozialpolitik, schrieb auf, was seiner Meinung nach den gesellschaftlichen Wandel gestaltet. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich von England aus um die Personen William Morris und John Ruskin eine Kunstgewerbebewegung ausgebreitet, die die Kunst in der Pflicht sah, gesellschaftspolitisch zu agieren und den Wandel von der Agrar- in die Industriegesellschaft mitzugestalten. Im Deutschland der Jahrhundertwende werden diese Ansätze pragmatisiert, sie werden wirkmächtig und das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft wird scheinbar zum Verhandlungsort gesellschaftlicher Gestaltungsprozesse. Waentig ist Dokumentar dieser Entwicklung und hat dabei das Glück, dass die Macht, die er den Künstlern zuschreibt von diesen selbst eingefordert wird – zumindest in Teilen: „Gewiss, nicht alles war gelungen. Dennoch schien es mir damals, als seien wir an einem Wendepunkt angelangt, als wolle nach der Trennung die hohe Kunst von ihrem Throne wieder zum Volke herabsteigen und wie ehemals auch das Alltagsleben bis in seine Tiefen durchdringen und befruchten“ (WAENTIG 1909, Seite 3). Waentig argumentiert ökonomisch, ästhetisch und national: Deutschland entgeht die internationale Führerschaft, weil es nur unzureichend in der Lage ist, „den ästhetischen Forderungen der Zeit Rechnung zu tragen“ (ebd., Seite 411). Waentig meint Waren, meint Produkte, aber eben auch die Gesellschaft an sich, schreibt von Kunstnation, von ethischer Durchdringung und von Kultur: „ Nicht, ob unsere Häuser und unsere Möbel, unsere Kleidung und unser Schmuck fortan etwas mehr oder weniger geschmackvoll sind, steht auf dem Spiele, sondern ob wir das Recht haben, uns ein Kulturvolk im höchsten Sinne des Wortes zu nennen, anderen Nationen den Stempel unseres Wesens aufzudrücken“ (ebd. Seite 415). Waentig schreibt in der Hochphase der Industrialisierung, der Ökonomie der Waren und Produkte, von sozialräumlichen Gestaltungen. Auch Goehler schreibt von diesen Gestaltungen, allerdings in einer zunehmend immateriellen Ökonomie, einer des Wissens und der Dienstleistung. „Kulturvolk“ heißt es bei Waentig, „Kulturgesellschaft“ bei Goehler, und in beiden Fällen geht es um Offenheiten innerhalb bestimmter Grenzen, um Kanalisierung und Funktionalisierung, um Wettbewerb und Ökonomie. Es geht nicht um Lebensentwürfe, nicht um gesellschaftliche Konzeptionen, sondern um „modern“ gewandete und gut gemeinte Beschreibungen von zeitgemäßen Handlungspraxen. Du bist Deutschland! Du bist Verflüssigung! … und doch würde ich sie wohl wählen!