Treffen bei Beuys
Seit einigen Besuchen schiele ich zu Beginn meiner Besuche auf die Zahl der »residents«. Das sind die Besucher, die sich das SL-Programm herunter geladen haben. Sie nähert sich der fünf Millionen Grenze. 4 Mio. 860 Tausend. Ich besuche SL seit zwei Monaten. Anfangs waren es zwischen zwei und drei Mio. Besuchern. Die Zahl der Menschen, die gleichzeitig mit mir online im Spiel sind, ist jedoch in etwa konstant geblieben, zwischen 20 und knapp 30 Tausend Menschen sind es jedes Mal aufs Neue. Ich glaube, dass hervorgerufen durch die vielen Presseberichte Menschen sich das hier ansehen, um dann festzustellen, dass sie nicht so viel davon haben. Neben meinen mühseligen Erfahrungen als »Aktivist« für eine behinderte Sache, deren Mission mir immer absurder vorkommt, finde ich es hier langweilig. Von Conny hatte ich gehört, dass eine Künstlergruppe einige Kunst-Ereignisse in SL re-invented/re-enacted. Was auch immer das heißt. Ich suche nach »Beuys« und »7000 Eichen« und »Second Life« und werde fündig, inclusive eines Links, der mich an die richtige Stelle in SL bringt. Vor einem Gebäude, dem Fridericianum, liegen die Basaltstelen.
slurl.com/secondlife/Cosmos%20Island/193/118/23/
Per aufpoppender Nachricht bekomme ich das Angebot, mir ein Paar aus Stele und Baum zu sichern und irgendwo in SL hinzustellen. Am liebsten würde ich es in die Stranddisko stellen, aus der ich verbannt wurde. Da es ja überdauernde Kunst ist, dürfte der Besitzer es nie mehr entfernen. Seelische Verletzungen, die in SL entstehen sind ähnlich beständig wie die in RL.
Als in ankam lief gerade jemand aus dem Stelenberg davon. Ich fand es schade kein Video eingeschaltet zu haben, da es so aussah, als habe ihn die Kunst vertrieben. Nach einiger Zeit höre ich Tippgeräusche und er fragt mich, wie ich das denn fände.
Nach einiger Konversation stellt sich heraus, er/sie ist aus Berlin. Er findet meinen Körper seltsam, der Volkmund würde sagen, einen schönen Menschen entstellt nichts. Er meint, er hätte seinen gut gebauten Körper weil er ein arrogantes Aschloch wäre. Ich entgegne, ich würde eher denken, er habe ihn, weil er nicht darüber nachgedacht habe und ich sei ein arroganter Behindertenaktivist. Irgendwann im Laufe des Gesprächs zaubere ich mein Rollbrett an den Körper, auch hier ist es mir nicht erlaubt es auf den Boden zu stellen.
Ich bitte ihn, ein Foto von mir zu machen. Er willigt ein und verspricht es mir gleich per Email zuzuschicken. Endlich mal jemand der nicht einfach verschwindet oder Geld fordert, wenn man etwas von ihm will. Die Postkarte kommt noch während unseres Treffens an, hier ist sie:
Zum Abschied fragt mich das System, ob er/sie mich in seine Freundesliste aufnehmen dürfe. Ich bestätige und wir sind jetzt Freunde. Ein wahrer Freund war während des Geplänkels ins RL-Atelier gekommen und hatte sich das Ganze angesehen. Er meint, er sähe nicht so sehr ein Rollbrett als eine Holzskulptur. Mir fällt wieder ein, dass ich die Räder besser positionieren und aus einem anderen Werkstoff simulieren lassen wollte. Ich sage ihm, ich hätte eigentlich lieber einen Rollstuhl, das sei eindeutiger. Er meint, das wäre meine Sozialarbeitermacke. So sei das viel interessanter, warum müsse die zweite Welt mit denselben Eindeutigkeiten wie die erste belegt werden. Ich bin ganz froh, als ich in seinen Augen zu sehen meine, dass er mein Tun interessant findet. Er war bisher skeptisch. Ich behaupte, dass mein Sohn wird lernen müssen mit diesen Welten umzugehen. Schon heute bewegen sich viele Jugendliche regelmäßig und häufig in Spielen wie »World of warcraft«. Das wird ein verändertes Bewußtsein für Virtualität zur Folge haben.
Jetzt sitze ich im Cafe. Vor dem Cafe hält ein DHL Laster. Die Sonne scheint. Als ich nach der Begegnung vor dem Fridericianum noch in die Sandkiste gegangen war um mein Rollbrett zu verbessern, hatte auch dort ein DHL-Laster gestanden.
In SL kann man, wenn man kein Land besitzt, in so genannten Sandkisten Dinge bauen. Die aktuellen Überbleibsel kann man sehen und sich einverleiben. Es gibt dafür keinen Urheberschutz. Den kann man erst fertigen Objekten in seinem Inventar hinzufügen.
Während ich mich mit Firstlife Videokamera filme, die Secondlife-Videofunktion anschalte, scheint an mein Programm abgestürzt zu sein. Ich kann zwar weiterbauen, ELAY ist aber nicht mehr zu sehen. Meine Versuche, das gebaute Objekt in meinen Inventar-Ordner zu legen, scheitern. Ich beende das Programm und warte einen Moment. Als ich mich wieder einlogge und dann erneut in die Sandkiste fliege, muss ich ein wenig suchen, aber das Ding ist noch da. Jetzt kann ich es sichern und habe ein Rollbrett, das unten vier schwarze Räder hat. Es steht einigermaßen horizontal und ist weiterhin sehr groß. Ich suche irgendeinen Ort unter "Beach“. Ich lande in einer Sandmulde, die sich unter Wasser befindet. Zuerst bin ich nicht zu sehen, dann laufe ich aus dem Wasser heraus und versuche mein neues Rollbrett abzustellen. Es gelingt, ich stelle noch ein zweites dazu und setze mich zm ein Foto zu machen. Nebenbei entdecke ich, dass man ein Objekt, das man in die Gegend gestellt hat, dort auch noch gezielt positionieren, skalieren und drehen kann. Ich drehe das zweite Rollbrett und mache ein noch schöneres Foto!