Maschinenkunst, gegen ihre Ausstellung verteidigt
von Anna Tuschling
„Es ist ziemlich unfair, von einer frisch aus der Fabrik kommenden Maschine zu erwarten, dass sie mit einem Akademiker konkurrieren könne,“ so Alan Turings ironische Anmerkung über Künstliche Intelligenz. Dies gilt es, auf die Kunst zu übertragen; denn hier KünstlerIn und Maschine gegeneinander auszuspielen, bietet wenig Reiz. Zumal gerade ihre Zweckoffenheit Kunst in die Lage versetzt, vielfältigste Interferenzen von Mensch und Maschine zuzulassen. Beide immer noch als disparat zu denken, scheint gerade in den Künsten problematisch. Schließlich hat sich im Feld der Kultur- und Bildtheorien die Einsicht über eine grundlegende Mediengebundenheit aller Wahrnehmung durchgesetzt (vgl. etwa Blümle/von der Heiden 2005). Dagegen proklamiert die Ausstellung KUNSTMASCHINEN/MASCHINENKUNST, die derzeit im Museum Tinguely in Basel zu sehen ist: „Geht man von der allgemeinen Annahme aus, dass Künstler und nicht Maschinen die Urheber und Schöpfer von Kunstwerken sind, dann könnte die Diskrepanz zwischen beiden nicht größer sein“ (Katalog, S. 17). Mehr noch: „Nie wird es dem Künstler jedoch gelingen, endgültig aus dem Werk zu verschwinden“ (ebd., S. 24). Soweit, so irritierend.
Scharrend, klappernd, knirschend wird die BesucherIn in den Räumen des Tinguely empfangen – zunächst also nichts Ungewöhnliches. Jedoch präsentiert sich dort ausgerechnet unter dem Maschinenlabel ein Ausstellungsprojekt, dessen Werksbeschreibungen und Katalog durch ihren impliziten Medienpessimismus in Erstaunen versetzen. Die Schau vereinigt Arbeiten von siebzehn Künstlerinnen und Künstlern, deren Gemeinsamkeit laut Ankündigung in der Delegation der Kunst an die Maschine liegt: „Der schöpferische Akt wird vom Künstler an die Maschine delegiert“ (ebd.). Solch ein Statement wirft mehr als eine Frage auf; warum und wie wird der „schöpferische Akt“ abgegeben? Warum soll das wichtig sein? Hat man also wieder traditionell die Ausführung und Herstellung eines Produkts als Kunst aufzufassen? Das wohl doch nicht. Auch bleibt ausgeblendet, dass der Bezug zum Thema bei den einzelnen Arbeiten äußerst verschieden gelagert ist. Es ist ein weiter Bogen von Jean Tinguelys Méta-Matics, die ganz dem schwindenden Reiz und Rost der Mechanik verpflichtet sind, über Althamers und Paines Hymnen an den Kunststoff bis hin zu Cornelia Sollfranks digitalem Bilderepos, dem net.art generator. Weder vermag das Ausstellungskonzept dieser Bandbreite gerecht zu werden, noch alle Werke adäquat zu würdigen. Ob gewollt oder nicht, läuft die Ausstellung vielmehr Gefahr, einen traditionellen Kunstbegriff, mithin überkommene Konzepte wie „Einzigartigkeit“ zu rehabilitieren (ebd.). Was sich vor allem durchzieht, ist die Propagierung eines sonderbaren Interaktionsbegriffs. Das Ausstellungskonzept ist so sehr auf die vermeintlich alles entscheidende Triangel Kunstwerk – Künstler/Maschine – Betrachter zugeschnitten, dass alle anderen Aspekte zu entfallen drohen. Schließlich suggerieren die Werksbeschreibungen gar eine Rangordnung, bei der ausgerechnet „medienkritische Arbeiten“ (so über Jon Kessler) den Vorrang erhalten. Außerdem scheinen jene Arbeiten hochgehalten, bei denen insbesondere das jüngere Publikum mit einem (Papier)Produkt nach Hause gehen kann. So wird Damien Hirsts Making Beautiful Drawings zum Publikumsmagnet, während Rebecca Horns vielschichtiges Werk Die Preussische Brautmaschine stiefmütterlich übergangen zu werden droht, da ungünstig präsentiert. Weder dem einen, noch der anderen ist damit Genüge getan. Schließlich verliert auch Hirsts Arbeit, wenn die Ausstellung sie derart ‚zu ernst’ nimmt. Ihr verzeiht man zwar, dass sie keinen Wert auf Einzigartigkeit des ‚Endprodukts’ legt, dafür gewinnt sie aufgrund der Partizipation ihrer Betrachter/Nutzer. Hirsts Aussage über den Einsatz von Kunstmaschinen als „Cheap Trick“ wird hervorgehoben (ebd., S. 73). Gewollt ‚billig’ schauen die Drawings tatsächlich aus, erinnern sie doch an Ergebnisse von Kinderanimationen, etwa an in der Mall produzierte Mandalas. Doch wie soll der Grad an Involviertheit der BetrachterIn überhaupt zu bestimmen sein? Letztlich würde man sich damit erneut auf die Frage einer gesellschaftlichen Bemessung einlassen, diesmal unter umgekehrtem Vorzeichen: Dem Dogma der Unterhaltsamkeit und Interaktivität, getarnt als vermeintliche Liberalisierung von Kunst.
Tim Lewis, Auto-Dali Prosthetic, 2000
Foto: Courtesy Flowers East, London
Ein Tisch, aus einer Werkstatt oder Manufaktur, darauf montiert ein eiserner Arm, der ruckend ein Papierband beschreibt. So präsentiert sich beim Betreten der Ausstellung als erstes Tim Lewis’ Auto-Dalí-Prosthetic. Tritt man näher heran, wird der Schriftzug als geschwungene Signatur Dalís erkennbar. Schon lange zum popkulturellen Icon geworden, findet sie hier ihre endlose Vervielfältigung. Damit soll der Widerspruch zwischen Dalís Forderung an den Künstler und seinem eigenen Vorgehen persifliert werden. Einerseits hatte er eine Rückwendung zum Künstlerideal der Renaissance propagiert, andererseits glich sein künstlerisches Schaffen der industriellen Produktion, um der enormen Menge an Nachfragen gerecht werden zu können. Somit spiele die Arbeit auf die Signatur als ‚Beweis’ von Autorschaft und Authentizität an. Was daraus folgt, bleibt unbeantwortet. Ist die Kritik ausschließlich auf die Inkonsequenz Dalís zu beziehen, wohingegen seine Rehabilitierung eines traditionellen Künstlerideals durchaus wieder diskutiert werden solle? Unklar bleibt ebenfalls, ob sich die Ironisierung auf den per se unmöglichen Status der Signatur bezieht, wie ihn etwa Derrida in Signatur, Ereignis, Kontext beschrieben hat (Derrida 1988). Signaturen behaupten danach ein ‚Hier und Jetzt,’ eine gleich bleibende Identität der Person, paradoxerweise jedoch genau für den Fall ihrer Abwesenheit. Diese Funktion der Signatur oder des Stempels tritt noch bei anderen Arbeiten hervor, so bei Cornelia Sollfrank, Damien Hirst und Olafur Eliasson.
Jon Kessler, Desert, 2005
Foto: Courtesy Sammlung Falckenberg, Hamburg und Galerie Hans Mayer, Düsseldorf
Im nächsten Raum: Aufgetürmte Fernsehmonitore, gerade gestellt, gekippt und gestürzt. Bespielt mit den Bildern einer einzelnen Überwachungskamera. Diese zeichnet stets dasselbe auf: Eine simpel bemalte, rotierende Holzrolle vor einer orangefarbenen Plexiglasscheibe. Angestrahlt wird die Scheibe wiederum von einer Glühbirne, deren bunter Schein in die Kamera fällt. Das Szenario, welches auf den Bildschirmen wiedergeben wird, erinnert entfernt an einen Sonnenuntergang über sanft wogender Dünenlandschaft. Jon Kesslers Desert aus dem Jahre 2005 kontrastiert einfache Apparatur und Mechanik mit dem Kamerablick und –bild: „Diese Kombination simpel gebastelter Apparatur mit Hightech ist typisch für Jon Kesslers medienkritischen Ansatz,“ so die Werksbeschreibung; noch deutlicher der Katalog. Hiernach werde durch die Arbeit gar „das Lügen der medial vermittelten Bilder offenbar, die uns täglich einen vermeintlich objektiven Blick auf die Welt verschaffen“ (Katalog, S. 84). Solch plakative Kritik an televisionären und digitalen Bildern, so offensichtlich unterkomplex, ist weder richtig noch ungefährlich, geschweige denn neu. Zudem strapaziert sie das schlichte Arrangement über Gebühr. Nicht weit von allgemeiner Verschwörungstheorie entfernt, werden hier „die“ Bildmedien der Lüge bezichtigt. Ob gewollt oder ungewollt, akzentuiert Kesslers Arbeit dagegen witzigerweise gerade die Eigenheit des Fernsehbildes im Gegensatz zur unterstellten Wirklichkeitsillusion, hat das erzeugte Bild doch nur ganz entfernte Ähnlichkeit mit einer Landschaft, genauso wenig wie es die abgefilmte Apparatur darstellen will.
Die Verbindung zur Sammlung Tinguely soll durch dessen Kunstmaschinenserie, den Méta-Matics, hergestellt werden. Doch sind die Arbeiten Tinguelys ebenfalls schlecht im großen Hauptraum platziert und scheinen dadurch kaum der Ausstellung zugehörig. Aus der früheren Méta-Matic-Serie sind einige wenige Automaten zu sehen, ebenso wie der stillgelegte Cyclograveur, ein Malfahrradautomat. Vielversprechend hätte sein können, nicht von einer unhinterfragten Gemeinsamkeit auszugehen, sondern die Differenz zwischen Tinguelys Arbeiten und den übrigen Werken der Schau noch zu akzentuieren.
Olafur Eliasson, The endless study, 2005 (Ausstellungskopie, 2007)
Foto: Mitch Cope
Auch Olafur Eliassons Endless Study wird zum interaktiven ‚Fun’ mit Hauptabsicht reduziert, auf „die Beziehung zwischen Betrachter und Kunstwerk zu fokussieren“ (ebd., S. 61). Dagegen wären weitere mediengeschichtliche Details über den von Eliasson verwendeten historischen Apparat, der den schönen Namen Harmonograph trägt, wesentlich informativer gewesen (vgl. ebd.). Er dient zur Darstellungen von zwei Schwingungen und war in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ähnlich wie der Wunderblock ein verbreitetes Freizeitgerät. Die hervorgehobene Beziehung zwischen Betrachter und Kunstwerk gestalte und erschöpfe sich hierbei laut Katalog durch „kreativen Einfluss“ bei Anstoß der Pendel, welche die Schwingungen erzeugen (ebd.).
Für die Ausstellung KUNSTMASCHINEN/MASCHINENKUNST zeigt Pawel Althamer erstmals die Extrusion Machine (Bottle Machine), eine Erfindung seines Vaters. Aus erhitztem Plastik wird dabei eine Flasche gegossen, welche die Form eines nackten Männerkörpers aufweist. Sie stellt nicht irgendjemanden dar, sondern den lachenden Maschinenbastler selbst. Die Skulpturenflaschen werden für die Ausstellungsdauer produziert und stehen zum Mitnehmen bereit. Auch hier wird auf die Subversion von kreativem Akt und Autorschaft hingewiesen, die dadurch entstehe, dass „Althamer seinen künstlerischen Beitrag an seinen Vater weiterleitet, der ihn wiederum an eine Maschine delegiert“ (Katalog, S. 42). Auch werde das Verhältnis des Künstlers u.a. zur Kulturinstitution und zur Familie befragt (vgl. ebd.). Ohne hier eine volle Würdigung nachreichen zu können, sei der Hinweis gestattet, wie wenig dies den verschiedenen Facetten der Arbeit gerecht werden kann. Bei ihr liegt besonders offen zu Tage, wie wenig eine ausschließliche Fokussierung auf ein schlichtes Mensch-Maschine-Verhältnis den künstlerischen Vorgang zu umgreifen vermag.
Pawel Althamer, Extrusion Machine (Bottle Machine), 1992/2007
Foto: Courtesy neugeriemenschneider, Berlin
Die Flaschen erinnern an Badezusatzflakons, an Softdrinks und Seifenblasenbehälter. Die Nacktheit der Figur tritt noch deutlicher hervor, da sie nun zur Hülle geworden ist. Weil es sich offensichtlich um einen älteren, übergewichtigen Mann handelt und nicht um einen jungen Adonis, meint man, einen Witz über klassische Plastik zu betrachten. Zugleich verträgt sich das gezeigte Altern des Mannes nicht mit der Dauerhaftigkeit des Plastiks. Althamer macht Kunst zum Generationendrama und selbiges zur Kunst: Der Vater, eine ‚Flasche,’ aus der man trinken kann.
Die verwendeten Materialien zeichnet eine große Varianz aus: Glas (Greenfort), Holz (Eliasson), Metall, Kunststoff in vielerlei Form und Papier (divers). Mechanischer Ästhetik vielleicht am nächsten und zugleich sehr fern sind die eisernen Zerstörungsmaschinen Die Zerquetscherin und Der große Hammer von Antoine Zgraggen. Schrott, Müll, Machination und Umwelt beschäftigt auch Michael Beutler und Tue Greenfort. Auf gewisse Weise ist dieser Kontemplation über Abfall und Alterungsprozesse von Artefakten noch Roxy Paine hinzuzurechnen, produziert seine Scumak No. 2 (Auto Sculpture Maker) doch gewaltige rot- bis kotfarbene Plastikhaufen.
Die Kluft zwischen den computer- und netzbasierten Arbeiten zum Rest der Ausstellung wird durch ihre Platzierung im Untergeschoss betont. Beim Treppenabstieg wird im Flur Angela Bullochs Blue Horizon sichtbar. Bullochs an die blanke Wand montierte Zeichenmaschinen reagieren auf Bewegung und Geräusche des Betrachters. Durch sie wird die Maschine zeichnend in Gang gesetzt. Direkt auf die Wand gemalt, entsteht so ein rechteckiges blaues Strichgewebe, das sich zunehmend verdichtet. Die Betrachtenden initiieren zwar den Arbeitsbeginn der Maschine, hiernach schafft diese gemäß den Vorgaben der Künstlerin, weshalb im Katalog von der „Begrenztheit der vordergründigen Interaktion“ gesprochen wird (Katalog, S. 52). Weder Künstlerin noch Betrachter sind als ‚Urheber’ in Anschlag zu nehmen, vielmehr soll deren Interdependenz und vor allem nach Aussage der Künstlerin der Prozess des Sehens sichtbar gemacht werden (vgl. ebd.).
Lustvoll verspielt präsentiert sich Miltos Manetas’ Jacksonpollock.org. Auf einem großen Tisch im abgedunkelten Ausstellungsraum werden Mäuse bereitgehalten, mit denen die digitale Kleckserei auf den Wänden beginnen kann. Leicht fällt bei diesem kurzweiligen Farbspektakel Löschen und Neubeginn.
An standardsprachunabhängige Computerarithmetik erinnert bereits der Name Lia, die in der Ausstellung mit ihrer interaktiven Software I Said if vertreten ist, auch abrufbar unter www.isaidif.net. Wie für Manetas’ Arbeit stellt das Museum im Vergleich zur ‚Heimnutzung’ besonders große Projektions- und Betrachtungsflächen zur Verfügung, mit denen sich sehr gut arbeiten lässt. Dagegen könnte den Soundeffekten besser Rechnung getragen werden.
Cornelia Sollfrank, net.art generator, 2007 (Illustration: Janine Sack)
Auf der Website des net.art generator sind wie in jede andere Suchmaschine die verschiedensten Stichwörter einzugeben; anschließend wird das Netz durchsucht und 2-8 Bilder zu einer Collage verdichtet. Cornelia Sollfrank hat mit dem net.art generator Medienkunstgeschichte geschrieben. Keinesfalls ist damit etwas über das ‚Altern’ dieser Kunst ausgesagt, wie die Werksbeschreibung fälschlicherweise nahe legen könnte: „Die inzwischen schon nahezu ein Jahrzehnt alte Arbeit von Cornelia Sollfrank hingegen aktualisiert sich durch den steten Zugriff auf die sich ständig verändernde Bilderwelt des Web immer wieder selbst und ist damit zugleich deren Indikator“ (Katalog, S. 118). Warum sollte Netzkunst jedoch im krassen Gegensatz zu anderer Kunst einem Gebot von Aktualität unterliegen? Diese Diskussion wäre noch zu führen. Das Werk findet in der gezeigten Form eine erwähnenswerte Erweiterung. Neben Computer und Drucker, die zum Bedienen des Netzkunstgenerators bereitstehen, befindet sich eine Kiste, welche dazu dient, über einen Screen die Codeebene des Rechners sichtbar zu machen. Einerseits wird damit auf die Differenz von World Wide Web und Internet hingewiesen, ohne den selbst bei Programmierern verbreiteten Gegensatz von Tiefe der Computernetzwerke und ihrer Oberfläche (Schnittstelle//WWW) zu vertreten.
Sollfranks, Lias und Manetas’ Arbeit ist gemeinsam, dass sie die Institution Museum auf eine ganz andere Weise obsolet machen als die übrigen Werke, sind sie doch als Websites privat oder an beliebigen Orten ausstell- und rezipierbar. Ferner bedient die Ausstellung einen Bruch, ohne ihn zu reflektieren: Den zwischen technischen und mechanischen Medien einerseits und digitalen Medien andererseits. Während das klassische Thema aller Mechanik die Bewegung ist, gilt dies für die digitalen Medien nicht mehr. Scharnierfunktion zwischen ‚Obergeschoss’ und ‚Untergeschoss’ nimmt darum zum einen Steven Pippins Carbon Copier ein: Zwei sich gegenseitig kopierende Kopierer, die einen closed circuit bzw. kurzgeschlossenen Blick verkörpern. Zum anderen basiert Roxy Paines Arbeit auf einem Computerprogramm, das er selber entwickelt hat das seine Skulpturmaschine steuert.
Andreas Zybachs Arbeit Sich selbst reproduzierender Sockel kann nach Auskunft des Museums aufgrund eines zu großen Sicherheitsrisikos nicht mehr betrachtet werden. Stattdessen ist Martin Stiefels wenig beachtenswertes Bild der action painting washing machine (4.3.2008) zu sehen. Fazit: Bis zum Schluss bleibt die Irritation darüber, was eigentlich Intention der Ausstellungsmacher ist. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier gegensätzliche Kräfte am Werk waren. Jedenfalls hat dies zu einem hilflosen bis problematischen Ergebnis geführt. Was bleibt, sind einige beeindruckende Arbeiten, denen man einen anderen Rahmen wünscht. Einmal mehr stellt sich angesichts von KUNSTMASCHINEN/MASCHINENKUNST die Frage, wieso dieses Thema so häufig auf eine Konkurrenzierung von Mensch und Apparat reduziert wird. Deren zum Teil überragende Arbeiten gilt es, gegen ihre Ausstellung zu verteidigen.
KUNSTMASCHINEN MASCHINENKUNST, 5. März – 29. Juni 2008, Museum Tinguely, Basel
www.tinguely.ch
Katalog:
Kunstmaschinen Maschinenkunst. Hg. von Katharina Dohm, Heinz Stahlhut, Max Hollein und Guido Magnaguagno. Mit einem Vorwort von Max Hollein und Guido Magnaguagno, Texten von Katharina Dohm und Heinz Stahlhut sowie Justin Hoffmann und ausführlichen Werkkommentaren. Deutsch-englische Ausgabe, ca. 160 Seiten, ca. 130 farbige und Schwarzweissabbildungen, Festeinband, Kehrer Verlag, Heidelberg, ISBN 9 783939 583400 (Preis: CHF 49).
Blümle, Claudia/von der Heiden, Anne (Hg.), Blickzähmung und Augentäuschung. Zu Jacques Lacans Bildtheorie, Zürich-Berlin 2005.
Derrida, Jacques, „Signatur Ereignis Kontext“, in: Ders., Randgänge der Philosophie, Wien 1988, S. 291-314 (zuerst 1972).
liebe anna tuschling,
als beteiligte künstlerin erlaube ich mir ein paar bemerkungen zu deiner besprechung beizutragen.
1. in deiner einleitung interpretierst du das verschieben der autorschaft von mensch zu maschine -- wie sie im ausstellungskonzept proklamiert wird -- all zu ernst. es geht hier ganz sicher nicht darum, mensch und maschinen gegeneinander auszuspielen. vielmehr versucht das ausstellungs-konzept das --inzwischen in die jahre gekommene -- utopische moment dieser wunschvorstellung ironisch aufzugreifen. die utopie, den männlichen künstlergenius vom bürgerlichen sockel zu stoßen, hat eine bemerkenswerte geschichte, die sich durch die ganze moderne zieht: der anarchistische ansatz in dada, "sinn" durch unsinn ersetzen, z.b. dem zufall die ästhetische entscheidung zu überlassen; die automatisierungen im surrealismus, die praktischen versuche nach der russischen revolution (wie z.b. von walter benjamin in seinem essay "der autor als produzent" beschrieben, die sonderstellung der künstler, die sie als ausnahme-individueen in der bürgerlichen gesellschaft haben zu ersetzen durch modelle, in denen der künstler als gleichgestellt mit dem arbeiter, im produktionsprozess -- um nur einige zu nennen. diese modelle waren alle radikal und sind insofern alle gescheitert, als sie -- mehr oder weniger -- vom kunstbetrieb neutralisiert worden sind und die künstler-individuen -- ob ihres versuches, sich selbst abzuschaffen -- als einzigartig kreative genies in die hall of fame der kunstgeschichte eingegangen sind.
wir wissen also inzwischen, dass ein künstler, der eine maschine (oder einen mechanismus oder automatismus z.b. ein computer-programm) erfindet, um sich damit selbst abzuschaffen, wenig aussichten auf erfolg hat, tut er das im rahmen eines kunstsystems, das sich nichts anderes vorstellen kann als individuelle autorschaft und werkzuschreibung -- zur lobpresung des bürgerlichen genies.
die ausstellung KUNSTMASCHINEN nimmt genau das auf in ihr konzept auf und weiß immerhin schon, dass ihr treiben da ein paradox ist, eine spielerei, eine versuchsanordnung, in der letztendlich nur getestet werden kann, AN WELCHER STELLE die idee, den künstler abzuschaffen, scheitert, nicht OB. insofern habe ich keine probleme damit, eine derartige ausstellung in so einem (museums-)kontext zu bespielen. sie wissen, was sie tun, und das ist ja schon mal etwas und nicht selbstverständlich, blickt man sich den umgang mit politisch ambitionieter kunst im zeitgenössischen kunstbetrieb an ...
2. freut es mich, dass du den quantensprung wahrgenommen und als solchen beschrieben hast, den internet-kunst an dieser stelle macht. wir behaupten nämlich nicht nur, dass wir auf den museums- und kunstbetrieb nicht angewiesen sind, sondern praktizieren seit über zehn jahren unsere frei zugängliche existenz im internet. selbst wenn über 40.000 besucher (wie in der frankfurter kunsthalle schirn, in der die ausstellung ihre erste station hatte) meine arbeit im museum gesehen haben, so bedeutet das nur, dass jetzt auch leute, die normalerweise nur den ziemlich beschränkten kunstbetriebs-blick hatten, wissen, dass es noch andere kunst gibt, als die, die in einem white cube stattfindet. sie gehen nachhause und haben von da aus und jederzeit zugang dazu ... damit sind wir einer demokratisierung der kunst doch schon etwas näher gekommen, no?
3. zur beschreibung meiner eigenen arbeit: auch da teile ich deine wahrnehmung nicht, dass der hinweis darauf, dass der net.art generator schon zehn jahre alt ist, in irgend einer weise das konzept als veraltet oder nicht zeitgemäß einordnet. es hat sich herausgestellt, dass das konzept insofern etwas seiner zeit voraus war, als vor zehn jahren die meisten leute, die sich für kunst interessiert haben, einfach noch angst hatten vor computern, während sie inzwischen schon ganz flüssig täglich im web surfen, googeln und E-mails lesen ... das konzept der halb-automatisierten collage ist zeitlos - würde ich mal sagen - und speist sich aus dem world wide wide als datenbank, an der millionen von leuten täglich arbeiten und sie mit neuem "material" bestücken. darauf greift das programm zurück und zaubert so immer aktuelles ...
last but not least, hast du leider vergessen, den link für meine arbeit zu setzen. dies sei hiermit nachgeholt:-)
A smart artist makes the machine do the work:
net.art-generator.com
grüße, c.
Liebe Cornelia Sollfrank,
herzlichen Dank für die Rückmeldungen, Anmerkungen und sowieso: den Link. Gerne hätte ich dieses von Dir beschriebene spielerische 'Abschaffenwollen-seiner-selbst' von KünstlerIn und Museumsetablissement wahrgenommen bzw. den begleitenden Schriften entnommen. Und sei es die von Dir hervorgehobene Melancholie über die Unmöglichkeit, sich als KünstlerIn im vollen Wortsinne ersetzen zu lassen.
Die Texte der Ausstellung bleiben jedoch für mich über weite Strecken hinweg in sehr verschiedene Richtungen aussagekräftig: sie schillern im schlechten Sinne. Das ironische Bewusstsein versteckt sich mitunter gut, mitunter kippt es - wie etwa im beschriebenen Falle von Kesslers Arbeit - in etwas ganz anderes um. Diesen irritierenden Effekt habe ich versucht darzustellen, da er meines Erachtens der Ausstellung sehr viel nimmt.
Völlig d'accord, was die freie Zugänglichkeit von Kunst im Netz angeht. Ich weiss gar nicht, was dieses verrückte One Laptop per Child Project (die ja meshworks bilden können) macht. Darauf Netzkunst mitzugeben, wäre phantastisch!
Was die Diskussion um das Alter von net.art-generator.com angeht, gebe ich Dir recht, dass die Aussage durchaus auch positiv aufgefasst werden kann und das Visionäre des Konzepts gerade hervorhebt. Die andere Lesart kam mir selber als erstes in den Sinn und wurde durch zweierlei verstärkt: Zum einen wurde bei keinem anderen Werk das Alter oder der Zeitraum der Entstehung thematisiert, so dass man sich besonders fragt, wieso es an dieser Stelle genannt wird. Zum anderen hat diese Beschreibung beim Mitpublikum, mit dem ich Pech hatte, Tür und Tor für die Diskussion um das vermeintliche Veralten geöffnet. Selbstredend sollte man darauf nichts geben.
Ich kann nur nochmals hervorheben: die Arbeiten sind toll, die Ausstellungstexte lassen widersprüchliche Lesarten zu und zeitigen damit problematische Effekte.
Grüsse aus Basel,
Anna
liebe cornelia,
ich kann mich deiner einschätzung, dass all jene avantgardistischen versuche, den künstlergenius vom bürgerlichen sockel zu stoßen gescheitert seien, nicht ganz anschließen. denn dieses lied vom scheitern wird gerade vom offiziellen kunstbetrieb selbst immer wieder gesungen. und wer weiß etwas über diejenigen zu sagen, bei denen die botschaft angekommen ist, ohne dass sie es für nötig befanden, daraus eine geschichte zu machen und sich offiziell zu wort zu melden? jedenfalls sollte man vielleicht mit denen rechnen?
verbindlichst, rahel
liebe rahel,
vielen dank für deinen hinweis, der vollkommen richtig ist. dieses "scheitern" ist natürlich sehr viel komplexer als man es in so einem kurzen kommentar darstellen kann. sehr viel offensichtlicher als bei der maschinenkunst war die thematik noch bei der ausstellung davor über situationismus, auch im tinguely museum. was genau bedeutet eine (im übrigen sehr gut gemachte) situationismus-ausstellung in einem schweizer privatmuseum, gesponsort von einem chemiekonzern? und demnächste wird sie vielleicht in den neuen räumen einer großen privatsammlung in hamburg gezeigt? es bedeutet einfach, dass radikale inhalte dann nicht mehr radikal sind, wenn sie als austauschbarer "content" nur dazu da sind, vorgegebene systeme und strukturen zu bespielen -- ohne den anspruch oder die macht, diese zu verändern. das ist auf jeden fall eine form von scheitern, eine die man tagtäglich beobachten kann im kunstbetrieb.
aber allein die tatsache, dass ich/wir immer noch am suchen sind nach anderen wegen und modellen beweist schon, dass wir nicht an das scheitern als notwendiges glauben, sondern daran, dass es möglichkeiten gibt; wir müssen sie nur finden, erfinden und leben.
hasta la victoria siempre, c.