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18. Juli 2006

TammTamm

Cornelia Sollfrank

Seit August 2005 läuft in Hamburg die künstlerische Protestaktion »TAMM TAMM – Künstler informieren Politker«. Anlass ist ein Beschluss, den das Hamburger Parlament, die »Bürgerschaft«, gefasst hat: die Errichtung des »Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseums Peter Tamm«. Für die »maritime« Privatsammlung von Herrn Tamm stellt die Stadt in der neuen HafenCity den historischen Kaispeicher B mit ca.12.000qm Ausstellungsfläche mietfrei zur Verfügung und verpflichtete sich darüber hinaus, 30 Millionen Euro für den Ausbau des privaten Museums und die Aufbereitung der Sammlung zu bezahlen. Da Peter Tamm und seine Sammlung nicht unumstritten sind, und er zudem von der Stadt für seine Stiftung ungewöhnlich großzügige Bedingungen eingeräumt bekommt, fragen die Künstler/-innen, wie eine solche Entscheidung zustande kommen konnte. Im Rahmen der Protestaktion bekommt jede/r der 121 Abgeordneten der Bürgerschaft einen Künstler oder eine Künstlerin als Paten. Im persönlichen Kontakt soll dann die Auseinandersetzung über das geplante Museum intensiviert werden.
Die Ergebnisse sind auf der Website www.tamm-tamm.info dokumentiert.


Die SammlungGrundlage des neuen Museums soll die Privatsammlung von Peter Tamm sein. Diese umfasst ca. 25.000 Einzelstücke, überwiegend Schiffsmodelle, davon ca. 900 größere (Kriegs-)Schiffe – einige davon kunstgewerblich bemerkenswert – bis hin zu richtigen Schiffen und Booten, wie zum Beispiel das Torpedoschnellboot “925” aus der ehemaligen DDR. Dazu kommen Originalwaffen aller Art, inclusive einer Reihe von Kanonen, die im Garten des derzeit die Sammlung beherbergenden Instituts Peter Tamm elbwärts gerichtet aufgereiht sind. Die 5000 Gemälde und Zeichnungen, die ebenfalls zur Sammlung gehören, kann man vorwiegend der Kategorie “Heroischer Realismus” zuordnen. Es handelt sich dabei um Darstellungen von Schiffen, Herrschern und Seeschlachten, die nicht selten propagandistische Zwecke erfüllten oder dem Selbstdarstellungsbedürfnis von Herrschenden zu dienen hatten. Weitere wesentliche Bestandteile der Sammlung sind über 1000 Uniformen, darunter die von Kaiser Wilhelm II und dessen Bruder Prinz Heinrich. Von den unzähligen Orden besonders erwähnenswert sind die Deutschen Kreuze, fünf Spanienkreuze, die die Legion Condor für die Zerstörung Guernicas erhalten hatte, sowie drei Großadmiralsstäbe, davon die beiden der nach dem zweiten Weltkrieg verurteilten Kriegsverbrecher Raeder und Dönitz. Nach Vereinbarung kann die im “Institut Peter Tamm” untergebrachte Sammlung besichtigt werden, und die Besucher bekommen eine Führung, die den Geist, in dem die Sammlung zusammengetragen wurde, nochmals verdeutlicht. Alle Exponate der Sammlung sind ohne Informationen, Erklärungen oder Kontextualisierung ausgestellt, so dass man sich des Eindrucks eines Sammelsuriums nicht erwehren kann.
Unbestreitbar ist die Fülle der Sammlung, die in einer privaten Villa Tamms an der vornehmen Elbchaussee untergebracht ist. Nicht wenige Besucher neigen dazu, deren Quantität mit Qualität zu verwechseln. Doch Sammlerleidenschaft ist nicht notwendig mit Kennerschaft zu verwechseln – wie man aus dem Kunstbetrieb weiß. Jedenfalls gibt es kein ernst zu nehmendes Gutachten über Qualität und Wert der Sammlung. Dass diese Tamms Weltbild und Interesse am Militärischen vortrefflich widerspiegelt ist hingegen unbestritten.

Der verhinderte AdmiralDass es notwendig ist, neben der Sammlung auch den Sammler genauer zu beleuchten, hängt damit zusammen, dass er allein für die Inhalte des neuen Museums verantwortlich sein wird. In der “Peter Tamm sen.Stiftung”, die Trägerin des Museums und Vertragspartnerin der Stadt Hamburg ist, hat er das alleinige Sagen. Der Mann, der von sich selbst behauptet, er habe eine “Marinemeise”, bekommt oft auch das weniger wohlwollende Label “verhinderter Admiral” angeheftet. Allzu gern hätte Tamm selbst eine Laufbahn bei der Marine eingeschlagen, doch das Ende des zweiten Weltkrieges machte ihm einen Strich durch die Rechnung, und er musste sich damit begnügen, über Maritimes zu schreiben (Hamburger Abendblatt) und seine Leidenschaft durch Sammeln zu befriedigen.

Nun würde die verpatzte Karriere bzw. unkontrollierte Sammelleidenschaft eines Herrn Tamm allenfalls Mitleid bzw. verständnisloses Kopfschütteln erregen, wäre sie nicht gepaart mit einer äusserst problematischen Weltanschauung sowie der uneingeschränkten Machtposition im Hinblick auf das neue Museum. Über 40 Jahre lang (bis 1991) war Peter Tamm für den Axel Springer Konzern tätig gewesen, davon 23 Jahre an der Konzernspitze. Der Journalismus-Profi pflegte bei Springer nicht nur militärischen Jargon, sondern auch einen entsprechend autoritären Führungsstil sowie eine national-konservativ bis menschenverachende inhaltliche Ausrichtung, die ihm den Vorwurf bescherte, “Anti-Demokrat” zu sein. Bei den 68er Studentenunruhen gegen Springer leitete Tamm persönlich den Abwehrkampf, half mit, das Boulevardblatt “Bild”-Zeitung zu dem Hetzblatt zu machen, als das es zweifelhafte Berühmtheit erlangte und vervielfachte den Umsatz des Konzerns. Tamm gehörte in Deutschland lange Zeit zu den best verdienenden Managern, was wiederum dazu beitrug, seine navalistische Sammelleidenschaft zu finanzieren. Der sogar von Axel Springer als “Deutschbulle” und “Rechtsradikaler” bezeichnete Tamm begann gleichzeitig Kleinverlage bzw. Anteile daran zu erwerben und ist heute Haupteigner der Verlagsgruppe Köhler-Mittler, die spezialisiert ist auf Militärisches verschiedener Couleur. Die Verlage entstammen einer kriegsverherrlichenden, teilweise nationalen/rechten Tradition und bedienen ihre Klientel weiter mit entsprechenden Produkten. Nicht unterschätzen sollte man auch das knappe Dutzend Beteiligungen von Tamm in Vorständen und Aufsichtsräten von z.B. Medienkonzernen, Reedereien und Stiftungen, die für eine breite Verankerung seiner Person in einflussreichen Kreisen sorgen. Im Jahre 2002 verlieh die Stadt Hamburg auf Antrag seiner ehemaligen Springer-Mitarbeiterin und damaligen Kultursenatorin Dana Horákowa dem selbst ernannten “Historiker” den Titel des Ehrenprofessors. Mit diesem Titel und der Bezeichnung seiner Wirkungsstätte als “Institut” beansprucht Tamm nun (geschichts-)wissenschaftliche Kompetenz. Doch die spärliche Forschungs- und Publikationstätigkeit seines Institutes kann differenzierte historische Arbeit, reflektierten Methodeneinsatz oder Teilhabe an einem wissenschaftlichen Diskurs nicht belegen.

Die AktionDie öffentliche Berichterstattung vor und nach der Beschlussfassung der Bürgerschaft, war überwiegend Tamm-freundlich (Hamburg ist fast ausschließlich auf die Berichterstattung der Springer-Blätter angewiesen). Schwache Polemiken richteten sich gegen ein, den wahren Hintergrund verharmlosendes, „Buddelschiffmuseum“. Diese Situation änderte sich schlagartig im Frühjahr dieses Jahres mit der Veröffentlichung des Readers „Tamm Tamm“, herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg. Erstmals legte die unter dem Pseudonym “Friedrich Möwe” agierende Autorengruppe wichtige Hintergrundinformationen zur Person Peter Tamm, zum Inhalt seiner Sammlung sowie seinen geschäftlichen und politischen Verflechtungen offen, die auch Ausgangspunkt der Aktion “Künstler informieren Politiker” sind.

Die Aktion setzt bei den politisch Verantwortlichen des Museumsprojektes, den Abgeordneten der Bürgerschaft an. Diese hatten im Februar 2004 ohne Gegenstimmen das Projekt bewilligt, ohne dass eine fundierte inhaltliche oder finanzielle Konzeption vorgelegen hätte. Zwar gab es ein wenige Seiten umfassendes “Konzept” der Stiftung, worin militärische Begriffe sorgsam vermieden worden waren, doch Kapitelüberschriften wie “Romantik und Härte, Handel und Macht” oder “Die Flagge folgt immer dem Handel” konnten nicht auf eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas schließen lassen.

In Einzelgesprächen versuchen die Künstler/-innen seit August die Beweggründe der Abgeordneten zu erfahren bzw. diese über den Gehalt der Sammlung und die Person Peter Tamm aufzuklären. Tatsächlich brachte die Aktion ans Licht, dass ein Großteil der Abgeordneten sich erst anlässlich der Künstlerproteste inhaltlich genauer mit dem 30-Millionen-Projekt befasste. Zudem scheinen Politiker nicht gewohnt zu sein, dass ihre Verantwortlichkeit ernst genommen wird. Selbst einige derer, die auf ihrer Website explizit mit Bürgernähe und Gesprächsbreitschaft werben, wollten sich nicht auf den Dialog einlassen. Das massive Drängen eines Künstlerinnentrios bewirkte gar einen Rauswurf aus dem Parteibüro der CDU und die Verhängung eines Hausverbotes. Die gesamten CDU-Abgeordneten haben zeitgleich ihre persönliche Verantwortung an einen Spezialbeauftragten delegiert, der in ihrem Namen ein Sammelantwortschreiben verfasste. Die Reaktionen der SPD-Abgeordneten variierten von überraschend ehrlich, offen, gesprächsbreit bis absolut stumm. Ebenfalls unterschiedlich fallen die Reaktionen der grün-alternativen (GAL) Abgeordneten aus, die von einem gemeinsamen Besuch der Sammlung bis zu Totalverweigerung reichen. Allen gemeinsam ist, dass sie sich sehr haben bitten lassen und mit dem anscheinend ungewöhnlichen Ansinnen, über ein von ihnen beschlossenes, aber umstrittenes Kulturprojekt zu sprechen, nicht umgehen konnten oder mochten. Es bedurfte der Aufmerksamkeit überregionaler Medien, um die Gesprächsbereitschaft zu fördern.

Oftmals mussten sich die Künstler/-innen fragen lassen, warum sie ihre Kritik erst jetzt äussern würden. Aber diese Frage lässt ausser acht, dass es zum Zeitpunkt der parlamentarischen Entscheidung keinerlei öffentlich zugängliche Informationen und deshalb auch keine öffentliche Diskussion des Projektes hatte geben können. Diese wird nun nachgeholt. Zahlreiche Politker/-innen haben inzwischen eingeräumt, dass auch sie zu wenig gewusst hatten über das Projekt und bei der Abstimmung allein ihren Kollegen vom Fachausschuss vertraut hatten. Ausserdem sorgt der Fraktionszwang dafür, dass selbst kritische Abgeordnete gezwungen waren, für ein Projekt zu stimmen, das sie möglicherweise ablehnten.

Die Art der Gesprächsführung und der Dokumentation bestimmen die Künstler/-innen selbst. Unter den bisher über 70 Beiträgen befinden sich Malerei, Fotografien, Audio- und Videomaterial, Zeichnungen, Collagen und sehr viele Texte. Ob sich durch die Aktion eine Politisierung der Künstler/-innen entwickelt hat, ist schwer abzuschätzen, aber in jedem Fall hat sich eine große Anzahl einzelner Künstler/-innen, die sich ansonsten nicht kulturpolitisch organisieren würde, in dieser Aktion engagiert und erfahren, dass ihre Stimme öffentlich gehört wird und Einfluss nimmt. Die Aktion hat nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit geweckt für das Museums-Projekt, sondern vorallem auch die Abgeordneten sensibilisiert, denen im Januar 2006 die endgültige Museumskonzeption vorgelegt werden wird.

Das MuseumWas sich nach den bisherigen Protesten deutlich abzeichnet, ist, dass eine Nicht-Kontexualisierung besonders der Exponate aus der NS-Zeit im künftigen Museum unmöglich sein wird. Damit ist hoffentlich eine Hauptsorge, nämlich, dass sich das Museum zu einer Kultstätte für Neonazis entwickelt, unbegründet geworden. In welcher Weise aber Herr Tamm und seine Mitarbeiter in der Lage sind, Aufarbeitung von Geschichte zu betreiben, die wissenschaftlichen und museumspädagogischen Standards genügt und über die bisherige Vermittlung von Geschichte als Kriegverherrlichung aus Weltmachtperspektive hinaus geht, bleibt sehr fraglich. Nach wie vor werden kritische Fragen nach Präsentation und Repräsentation vom Institut Tamm per se als ideologisch vom Tisch gewischt. Dazu kommt, dass die inhaltliche Einseitigkeit und damit Begrenztheit der Sammlung einem anspruchsvollen Museumskonzept kaum genügen kann. Somit scheint der größte Irrtum des “maritimen Museums” darin zu bestehen, sich überhaupt Museum nennen zu wollen – und damit Mittel aus der Kulturförderung zu beanspruchen.

Denkt man folgerichtig an einen Tamm’schen maritimen Themen- oder Erlebnispark, der zusätzlich den stadtentwicklungspolitischen Vorgaben, Publikumsmagnet in der neuen HafenCity werden zu sollen, gerecht werden könnte, drängen sich auch hier wieder Bilder von facettenreicher Kriegsverherrlichung, z.B. in Form von nachgespielten Seeschlachten, von inszenierten Eroberungsabenteuern und sensationsheischender Zurschaustellung von Waffen auf. Die Kulturpolitik hat versagt, weil sie sich selbst – via Vertrag - aus der Verantwortung für eine Museumsgestaltung entlassen hat. So kann sie nur noch fordern, dem verhinderten Admiral blind zu vertrauen. Doch dies würde bedeuten, das Tamm’sche Prinzip, Geschichte als eine Geschichte der großen Männer zu verstehen und sie von diesen schreiben zu lassen, einfach fort zu setzen. Wie man es dreht und wendet, scheint es keine gute Lösung geben zu können, so lange dieser Kapitän das Sagen hat an Bord.

www.tamm-tamm.info


Der Text wurde erstveröffentlicht in: Kulturrisse, 04/05, »Kulturindustrie«

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