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27. August 2007

New York, USA

von Kathrin Wildner, August 2007

Wood burning fireplaces - Feuer in der Lower East Side
Als ich 1985 zum ersten Mal in New York war wurde ich gewarnt in der Lower East Side nicht weiter als die Avenue B in den Osten zu gehen, vorsichtig zu sein, dort würde die no-go area beginnen und es wäre sehr gefährlich. Damals ging ich dann doch, da eben genau auf der Avenue B ein angesagter after hours club war, und amüsierte mich bis ich in die frühen Morgenstunden leicht berauscht von dem Abenteuer. Am nächsten Tag machte ich einen erneuten Spaziergang durch diese Gegend um herauszufinden, was diesen Stadtteil so gefährlich macht. Ich sah sehr viele halbzerfallene, doch noch bewohnte Häuser zwischen regelrechten Ruinen und brachliegenden Flächen, deren Schutt darauf verwies, dass auch auf ihnen mal Gebäude gestanden hatten (Ist es das gefährlich?). Ich las über die Geschichte der Lower East Side, ein dicht besiedelte heterogene Arbeiterviertel, das seit Ende des 19. Jahrhunderts mehrere große Einwandererwellen hinter sich hatte. In den dicht bebauten Mietshäusern und überfüllten Wohnungen kam es immer wieder zu schweren Brände und Katastrophen in den engen Treppenhäusern (http://www.tenement.org/newsarchive_april07.html). Daher auch die Feuerleitern an den Häusern, das klassische Merkmal der New Yorker Brownstone Häuser und beliebter Platz die Hitze der Sommernächte zu ertragen.

Ein paar Jahre später - Anfang der 1990er Jahre - lebte ich ein paar Monate in der Lower East Side und erfuhr mehr von der aktuellen Geschichte des Stadtteils. Die gezielte Spekulation, die mit den alten Brownstone-Häusern betrieben wurde. Ein nicht unüblicher Prozess war, dass Banken gemeinsam mit Developern und Immobilienspekulanten Besitzern von Häusern in bestimmten Straßenzüge systematisch Kredite für Renovierungen oder Instandhaltung der Häuser verweigerten, das sogenannte „redlining“. So konnten die Häuser nicht repariert oder restauriert werden, verfielen langsam oder wurden - um wenigstens die Versicherungssumme zu kassieren - von ihren Besitzern angezündet. Dauernd raste die Feuerwehr durch die Straßen. Kein Block, in dem nicht eine mehr oder weniger abgebrannte Hausruine stand oder mehrer Lücken von freien überwucherten Grundstücken waren, einige temporär als eingezäunte Parkplätze genutzt, andere von den Bewohnern angeeignet und zu Community Gardens umfunktioniert. Inzwischen gab es aber auch eine sehr aktive Hausbesetzerszene (http://flag.blackened.net/daver/anarchism/squat.html), die sich diese leerstehenden zerfallenden Häuser aneignete, sie mit viel Aufwand wieder einigermaßen wieder herstellte. Oft waren die Häuser gezielt unbewohnbar gemacht worden, Dächer, Treppenhäuser und Böden der Wohnungen zerstört, um ihren Wert zu mindern oder Besetzungen zu verhindern. Und weiterhin war das Feuer eine ständige Gefahr - entweder versuchten die Hausbesitzer die Besetzer loszuwerden, indem sie Brände legten, oder aber die Häuser waren in so schlechtem Zustand, dass es ob defekter Stromleitungen und unvorsichtiger Heizmaßnahmen durch die Bewohner immer wieder zu Unfällen kam.
Ich wohnte in dieser Zeit zwischen Avenue C und D, der „Loaisaida“, der Latino-Name für die Lower East Side, und machte meine erste ethnographische Feldforschung über das ABC NO RIO, ein seit Anfang der 80er Jahren von KünstlerInnen besetztes Haus, über die alternative Kunstszene in der Lower East Side und die noch schleichend erscheinenden Gentrifizierungsprozesse. Damals gab es eine Reihe von Aktionen, Texten und Diskussionen zu der Rolle der Künstler und Squatter, die in seit den 1960er in das Migranten- und Arbeiterviertel Lower East Side zogen, also Pioniere der Umstrukturierung waren und Anfang der 1980er eine erste Welle von Yuppis anzogen: „Fine Arts of Gentrification“ (http://www.abcnorio.org/about/history/fine_art.html).
Jedes Jahr gab mehr kleine Galerien, Cafes, und ein erstes Haus mit Luxuswohnungen mit eigner Tiefgarage direkt am Tompkins Square Park. Im Tompkins Square Park selbst lebte zu der Zeit noch eine Gruppe von organisierten Homeless People, es gab Konzerte und politische Aktionen der squatter gegen die Umstrukturierung des Viertels. Mit ganz verschiedenen Aktionen von street art (noch bevor es so hieß) wurde auf die miserablen Zustände des Wohnungsmarktes aufmerksam gemacht. Bis schließlich Mitte der 90er der Park komplett geschlossen, die Homeless wortwörtlich von Baggern herausgeschoben, der Park komplett eingezäunt, nach einigen Monaten renoviert, säuberlich in Sektionen für Sport oder Hundeausläufe eingeteilt und durch ständige Polizeikontrollen überwacht wieder eröffnet wurde (siehe auch die Comics von Seth Tobocman und Eric zu der schleichenden Gentrifzierung und repressiven Wohnungspolitik der Lower East Side der 1990 http://www.worldwar3illustrated.org, http://www.drooker.com/).

Das waren die ersten Anzeichen der „zero tolerance“-Strategie des Bürgermeisters Rudolph Giuliani, die aus den Vierteln wie der Lower East Side systematisch für Homeless, Squatter, Migranten oder andere nicht konforme Menschen vertrieb (http://www.nhi.org/online/issues/81/squat.html). Gleichermaßen setzte ein Immobilien- und Spekulationsboom ein, der nach 9/11 noch einmal ein nicht erahntes Ausmaß annahm. Eine der letzten Bastionen, die Bowery – die Straße war früher eine legendäre Mischung aus Punkrockläden (das berühmte CBGB, geschlossen 2006) und Homeless Shelters (Bowery Mission) – wurde schließlich umdefiniert und „saniert“: die Clubs geschlossen, die Homeless People - wohin auch immer – abgeschoben und in den Baulücken mit neuen Apartmenttowers bestückt.

Jetzt, Mitte Juli 2007, war ich das erste Mal seit Jahren wieder für ein paar Tage in New York. Ein auf 36 Stunden ausgedehnter Zwischenstopp auf dem Weg nach Mexico City. Ich besuchte meine langjährige Freundin Sarah, die seit etwa 18 Jahren in der Ludlow Street in der Lower East Side wohnt und mich schon per Mail vor den selbst für sie unfassbaren Veränderungen des Viertels warnte. Statt dominikanischen Delis, polnischen Restaurants, Salvation Army-Second Hand Läden und koreanischen Waschsalons gab es nun nur noch Boutiquen, Cafe Latte Cafés, Bioläden und abschreckend langweilige Cocktailbars. Sarah, die noch immer eine sehr günstige Miete ob ihres langen Mietvertrags hat, wird wohl noch eine Weile dort wohnen bleiben. Sie lieh mir ihr Fahrrad und ich radelte durch die vermeintlich bekannten Strassen, zwischen 1st und 13th Street zwischen Avenue C und A, auf der Suche nach den Orten der meiner früheren Aufenthalte. Ich traute meinen Augen nicht. Die Gehwege, obwohl die Straßen selbst noch immer übersät von Schlaglöchern, geleckt sauber, weder zerbeulte Mülleimer noch die früher so attraktiven aussortierten Möbel- und Kleiderhaufen, keine einzige Hausruine. Entweder frisch renovierte Brownstones oder auch eine Menge Neubauten, die einzigen Freiflächen wohlgepflegte Community Gardens, die sich wie auch immer auf dem inzwischen unglaublich teuren Grund halten konnten. Die wenigen Spuren der ehemaligen Lower East Side waren ein Latino Theater (wie ein Wunder, dass es sich halten konnte), ein Transparent mit dem Namen „Loaisaida“, eine alte Bäckerei und das ehemalige ziemlich gut organisierte Squat Umbrella House, das ich zwischen all den Neubauten nur an den dekorativen Regenschirmen an der Fassade erkannte. Auch die Stimmung war irgendwie anders, nicht explosiv, nicht schwelend, eher bedrückend kontrolliert. Ich hatte nicht viel Lust auf diesem eh nur kurzen Zwischenstopp weiter in dieses so veränderte Viertel vorzudringen und vielleicht doch noch die einen oder anderen Bewohner wieder zu treffen, sondern beließ es bei dem ersten Eindruck. Ich war zu verwirrt und geschockt von dieser Dimension von Gentrification, die ich bisher nicht kannte. Zwischen den herausgeputzten 4-6stöckigen Brownstones waren nun 10- bis 15stöckige Glas- und Stahlgebäude platziert, die „luxury loft living“ versprachen, mit „keyed elevator“ und „wood burning fireplaces“. Einerseits also die Sicherheit versprachen, dass kein Fremder unbemerkt das Haus betritt, andererseits das heimelige Innenleben mit offenen Kaminen. Diese offenen Feuerstellen in den Häusern erschienen mir mehr als zynisch:

Hier wird nach den Generationen des Kampfes gegen schlechte Wohnbedingungen und Gefahr durch Brände offene Feuerstellen als Luxus-Lifestyle verkauft. Und so scheint das Feuer, auch wenn hier völlig andere Menschen wohnen werden, ein beständiges und charakteristisches Element der Lower East Side. Oder ob es irgendwann wieder zu Brandkatastrophen kommen wird? Und dann? Was ist die nächste Welle der Umstrukturierung? Schon sehr in Gedanken an mein eigentliches Reiseziel Mexiko nahm ich mir vor möglichst bald wieder nach New York zu kommen, mich weiter um die Geschichte des Feuer in der Stadt zu kümmern und mich vielleicht in einem anderen Stadtteil auf die Suche nach einer Feuertonne zu machen.

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