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9. Februar 2008

Ständig verlagert sich deine Sehnsucht von der einen Welt in die andere

Von Januar bis September 2007 führte der Hamburger Künstler Chrisdian Wittenburg alias ELAY Egoyan Tagebuch über seine Erfahrungen im Second Life (SL)*. Cornelia Sollfrank unterhielt sich zum Abschluss seines Tagebuch-Projektes mit ihm.

* Second Life ist eine 3D-Online-Infrastruktur für von Benutzern gestaltete virtuelle Welten, in der Menschen durch Avatare interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren können. Das System ist seit 2003 verfügbar und es können bis zu 60.000 Nutzer gleichzeitig eingeloggt sein.

Second Life Diary war unser erstes THING-Special und wird weiterhin über unser Archiv zugänglich sein.

Hamburg, 11.01.2008




“Dann bring ich mich jetzt einfach mal um!” denkt sich ELAY und muss herausfinden, dass das gar nicht geht. Seine Identität löschen kann nur der Systemadministrator.


TT: Was hat dich daran gereizt, ein künstlerisches Projekt in Second Life zu machen?

CW: Meines Erachtens ist Second Life Propaganda für eine schöne neue Welt, in der es nur noch um Shopping und Fun geht, und in der die anstrengenderen Dinge des Lebens verschwinden. Das Thema meiner Arbeit ist seit vielen Jahren „Behinderung“ und ich wollte das auch in SL auftauchen lassen.

TT: Welche Form hast du dafür gewählt?

CW: Mein Avatar ist ein behinderter Rollbrettfahrer, der in SL betteln geht.

TT: Damit produzierst du hauptsächlich erst einmal ein Gegenklischee...

CW: Ja, das stimmt, und es grenzt auch die Rolle der Behinderung stark ein und wiederholt Stigmatisierungen; aber es hat immerhin zu einer ganzen Reihe von Begegnungen, Erkenntnissen und ... Texten geführt!

TT: Wie bist auf Second Life aufmerksam geworden? Beschäftigst du dich auch anderweitig mit digitalen Kommunikationsformen, oder bist du erst über den Hype von SecondLife und Web 2.0 in den Mainstream-Medien darauf gestoßen?

CW: Mein Interesse an SL wurde tatsächlich erst durch den Hype Ende 2006 geweckt. Ich wollte die propagierte Freiheit nutzen, um einen behinderten Avatar zu bauen. Das war natürlich auch eine Trotzreaktion auf die immer gleichen Avatare, die mit glatten Oberflächen und großen Brüsten mehr oder weniger erfolgreich versuchen, billigen Schönheitsklischees gerecht zu werden. Ansonsten war mir nicht klar, was wirklich der Masterplan von SL ist, was daran so neu, so anders, so frei sein sollte...

TT: Was hat dich dann dazu gebracht, dir diesen Avatar zuzulegen?

CW: Mich hat interessiert, welche Reaktionen mein Avatar auslösen wird. Wie würde die SL-Bewohnerschaft reagieren, wenn da einer zwischen ihnen umherrollt und bettelt, während sie, kurz gesagt, shoppen und ficken. An einem Strand erlebte ich es, dass mein überdimensioniertes Rollbrett in eine Kopulationsanimation ragte, so dass der Kopf der Frau immer wieder durch mein Brett stieß. (Die Grafik von SL wird in einer Art Durchschnittsberechnung aller vorhandenen grafischen Attribute erstellt. Ein Brett ist also nicht undurchdringlich.) Die Frau sagte dann: „Können Sie bitte weggehen mit ihrem Stück Holz!“





TT: Die Rhetorik der virtuellen Welten und ihrer unbegrenzten Möglichkeiten gibt es nun ja schon seit mehr als 15 Jahren. Was reizt einen, immer wieder Zeit damit zu verbringen?

CW: Ich hatte bisher wenig zu tun mit virtuellen Welten und deren Freiheitsversprechen. Mir war es schon genug – um nicht zu sagen zuviel – EINE neue Identität anzunehmen; außerdem sah mein Avatar nicht so aus, wie ich ihn mir gewünscht hatte, weil man die Avatare gar nicht frei verformen kann.

TT: Was hat es mit deinem Behindert-sein-wollen auf sich?

CW: Ich will kurz mal meine inneren Verbindungslinien ziehen, damit nicht der Eindruck aufkommt, ich sei so eine Art zynischer Perversling, der sich auf Kosten von „Behinderung“ vergnügt: Das Thema „Behinderung“ treibt mich seit mehr als zwanzig Jahren um und an. Es geistert in einer Art neurotischer Fixierung durch meine künstlerischen Arbeiten und ist wohl Ausdruck meiner inneren Unfreiheit, für die ich mich immer wieder auf's Neue zu entscheiden scheine. Ausgelöst durch Kontakte und Freundschaften zu behinderten Menschen, komme ich immer wieder an einen Punkt, wo ich mich solidarisch mit „den Behinderten“ fühle.

Dem Real-Life-Vorbild von ELAY bin ich vor drei Jahren in Indien begegnet. Ich interessierte mich für bettelnde, behinderte Menschen, von denen viele dort ein Rollbrett benutzen, einfach weil es kaum Rollstühle gibt. Soweit das ging, versuchte ich mit ihnen in Kontakt zu kommen. Dabei erfuhr ich unter anderem, dass Kinder absichtlich behindert gemacht werden, dass ihnen also zum Beispiel einen Arm oder ein Bein abgehackt wird, damit sie betteln gehen können. Die Erinnerungen daran haben bei meinem Wunsch, ELAY zu kreieren, eine Rolle gespielt. Außerdem finde ich es ungerecht, dass bei dem Sprung in die zweite Welt (SL) eine Gruppe von Menschen, die vorher schon die „dritte Welt“ bewohnten, einfach nicht mitspringen können, da sie nicht über die notwendigen (Kultur-) Techniken verfügen.

TT: Und was hast du dir davon erhofft, als „behindert“ wahrgenommen zu werden?

CW: Das Annehmen der Identität von ELAY war für mich Mittel zum Zweck. Ich wollte NICHT endlich mal erfahren, wie es denn ist, als behinderter Mensch wahrgenommen zu werden. Durch die große Nähe, die ich mit einigen behinderten Menschen gelebt habe, habe ich in deren Umfeld erlebt, wie es sich anfühlt. Was die Umwelt auf den behinderten Menschen projiziert, bekommen auch die nahe stehenden Personen ab. Ich kenne die Gefühle, die die nicht-behinderte Welt in behinderten Menschen auslösen kann, wenn z.B. die Begleitperson einer Behinderten angesprochen wird, auch wenn sich die Kommunikation eigentlich an die behinderte Person richtet etc.

TT: Hattest du von Anfang an die Idee, als Behinderter aufzutreten, oder entstand der Wunsch auch als Reaktion auf die makellos Schönen in der virtuellen Welt?

CW: Die „Schönen“ haben diesen Wunsch befördert, wobei ich als in der Behinderten-Szene relativ Bewanderter sofort die inkludierte Bewertung heraushöre, dass Behinderung nicht schön sei. Behinderung ist für mich auch nicht bloß ein Gegenbild zu etwas, das einem übersteigert und unrealistisch vorkommt, sondern Behinderung ist ein Umstand, der auf dieser Welt auftaucht und seinen Platz haben soll. Einen Platz, an dem es warm, ruhig und schön ist. Ich verstehe mein Tun als ein Propagieren von Behinderung.

TT: Was meinst du mit „propagieren“?

CW: Das Thema „Behinderung” im Bewusstsein der Menschen zu halten, auch wenn sie sich in einer virtuellen Welt bewegen. Es soll eine feste Größe haben und nicht als lästiger Umstand angesehen werden, der bei richtiger Selektion und fortschreitender medizinischer Entwicklung verschwinden wird. Es sich als Gesellschaft zu leisten, gut mit den dazugehörigen behinderten Menschen umzugehen, erscheint mir wichtig, denn es drückt eine innere Verbundenheit mit einem Zustand der Begrenztheit aus. Dass meine eigene Fixiertheit auf das Thema neurotische Züge hat, ist ein anderes Thema ...

TT: Das ist ein Aktivismus, der sich speziell künstlerischer Strategien bedient, denn dieses Second-Life-Projekt ist ja auch nicht dein erstes Kunstprojekt, das du dem Thema Behinderung widmest.

CW: Vielleicht sollte ich an dieser Stelle auch die Vorgeschichte erzählen: Ich bin durch meinen Zivildienst in Kontakt zu behinderten Menschen gekommen. Prägendstes Erlebnis war mein Einsatz in der damals noch „Alsterdorfer Anstalten“ genannten Einrichtung in Hamburg. Ich arbeitete in einer Wohngruppe für geistig schwerstbehinderte Frauen zwischen 40 und 60 Jahren, was für mich als sensiblen 18-jährigen Jungen eine ganz schöne Überforderung war. Gleichzeitig gestattete es aber meiner sinnsuchenden Seele, hier einen Sinn zu finden. Und von diesem „Trip“ inklusive der sich daraus ergebenden Folge-Tätigkeiten – bis hin zu einer Art Aufopferungs-Selbst-Inszenierung später in meiner Kunst – bin ich bis heute nicht mehr herunter gekommen. Irgendwann wurde die Beschäftigung mit dem Thema zur Gewohnheit – und später zum Reflex. Leider wird aber auch der für mich immer noch schützenswerte Kern des Engagements – nämlich sich für Schwächere einzusetzen aus einem tief empfundenen Mitgefühl – über die Jahre immer seltener spürbar.

TT: Wie würdest du deine künstlerische Strategie, deine Methode, beschreiben?

CW: Das Projekt hat zwei Ebenen: Zum einen baue ich meinen Avatar und wandere mit ihm durch das SL, zum anderen schreibe ich darüber. Ich bin auf fast jede/n, der/die mir begegnete zugegangen und habe innerhalb der ersten Sätze von meinem Wunsch gesprochen, hier auf dem Rollbrett zu betteln. Meine Methode ist so eine Art experimentelle Versuchsanordnung und meine visuelle Repräsentation ist ein Werkzeug, das ich für mein Kommunikationsexperiment herstelle und benutze.

TT: Ist dein Projekt nicht auch eine Intervention in die glatte Oberfläche?

CW: Bis zu einem gewissen Grad ja, deshalb habe ich mich „unförmig“ dargestellt und z.B. auch die „Anfängerhaut“ nicht abgelegt, die jeder SL-Erfahrene sofort als solche erkennt und die natürlich nicht cool ist. Ich habe es aber nicht geschafft, einen wirklich behinderten Avatar zu bauen. Dafür bin ich nicht tief genug in die Gestaltung eingestiegen. Außerdem hätte ich dann Geld investieren müssen, was ich auch nicht wollte. Auf der einfacher zugänglichen Ebene ist es nur möglich, den Körper symmetrisch zu verändern und zwischen den Parametern „dick/ dünn“, „groß/ klein“ oder „lang/ kurz“ zu wählen. Die Parameter „spastisch gekrümmt“ oder „degenerativ verformt“ gibt es nicht; der Markt für vernünftige Behinderungen ist noch unentwickelt ...

TT: Das wäre dann ein Plug.in, das es noch zu entwickeln gilt... bisher kann man allenfalls entscheiden, ob man sich Brustwarzen oder ein Geschlechtsteil kaufen möchte…
Dein ursprünglicher Plan, dich als Behinderter durch SL zu bewegen hat also nur sehr eingeschränkt funktioniert. Deinen Avatar zu behindern, ging nicht in der gewünschten Weise, und dein Rollbrett war zwar da, aber viel zu groß. Wie ist das denn zustande gekommen? Hast du das selbst gebaut?














CW: Ja, ich habe es in einer „Sandkiste” zusammengezimmert. Bei meinen Versuchen bin ich auf dem Größenparameter ausgerutscht. Spontan gefiel es mir und ich hatte den Eindruck, dass es leichter wahrgenommen wird, wenn es so groß ist. Das hat sich als Trugschluss herausgestellt: Es wird zwar schneller gesehen, jedoch nicht als „Rollbrett” identifiziert, sondern als irgendein „großes Holzding“. Letztendlich war das für mein Projekt nicht förderlich.

TT: Verliert es durch diese Überdimensioniertheit nicht absolut seinen Sinn? Und wie hat dieses für SL doch eher ungewöhnliche Objekt die Kommunikation beeinflusst?

CW: Es hat immer überall für Aufsehen oder auch Ärger gesorgt, aber nicht unbedingt in dem für mich beabsichtigten Sinn. Dass es ein Rollbrett ist, auf dem ich betteln wollte, teilte ich dann erst in den Gesprächen mit.

TT: Wie bist Du vorgegangen, um Gleichgesinnte und interessante Gesprächspartner zu finden?

CW: Ich habe Avatare angesprochen – wenn ich sie denn traf – meist ziemlich direkt auf mein Thema: “Wo kann ich hier einen Rollstuhl bekommen?” oder so. Gleichgesinnte habe ich im Grunde nicht gesucht, ich hatte mich auf ein heroisches Einzelkämpferdasein eingestellt.





TT: Nach einiger Zeit hast du dann diese Disco „Wheelies“ für Rollstuhlfahrer entdeckt. Im Prinzip warst du dann da, wo du sein wolltest, oder?

CW: Ich war an einem Ort, wo behinderte Menschen ihre „Öffentlichkeitsarbeit“ selber betreiben, was mir viel besser gefällt, als meine Rolle, als Nicht-Behinderter auf diesem Thema herumzureiten. Wenn man vor dem „Wheelies“ ankommt, dann bekommt man als Teil eines Welcome-Pakets unter anderem einen Rollstuhl geschenkt.


TT: Sicher kennst du auch die Second-Life-Arbeiten der italienischen Künstlergruppe 0100101110101101.org, die sich die perfekten Oberflächen im SL als Thema herausgegriffen haben?

CW: Ja, ich kenne 7000 Eichen, ein Reenactment der Aktion von Beuys, die dauerhaft in SL installiert ist. Die anderen Arbeiten sind meines Wissens dort gedrehte Filme, die aber nicht mehr in SL existieren. Aus der Serie Portraits zum Beispiel, die „13 Most Beautiful Avatars“, kenne ich nur aus der Kunstzeitung und war verwundert, weil ich sie gar nicht so schön finde, diese Gesichter.


desire strangelove und honeywells lolloipop von
Eva und Franco Mattes aka
0100101110101101.org


TT: Die perfekten Idealbilder zu nehmen und zu isolieren ist ja der gegenteilige Ansatz von deinem.

CW: Ja, wobei ich nicht wirklich verstehe, warum diese die „Most Beautiful Avatars“ sein sollen, aber das ist wohl Geschmackssache. Als ich erfahren habe, dass Drucke dieser SL-Bilder in der New Yorker Galerie der Künstler für viel Geld verkauft werden, kam so ein Gefühl von Neid und autoaggressiver Selbstbeschimpfung auf. Mit manchen Dingen muss man schnell und konsequent kapitalistisch sein, anstatt sich haderndem Inhaltsgeplänkel hinzugeben ...

TT: Naja, ich bezweifele, dass es das ist, wonach du suchst. Jedenfalls scheint der Kunstmarkt reif zu sein für „Medienkunst“, sofern sie denn eine malerische Dimension aufweist und als Flachware verkaufbar ist.





Du hast ja letztendlich eine ganze Menge Zeit in Second Life zugebracht. Findest du das Projekt war den Aufwand wert? Was ist dein Erkenntnisgewinn?

CW: Im Nachhinein finde ich sogar, dass das Projekt noch mehr Aufwand benötigt hätte. Die zu Anfang gestellten Fragen, wie SL auf einen bettelnden behinderten Rollbrettfahrer reagiert und wie weit es mir gelingen kann, einen behinderten Menschen „wirklichkeitsgetreu“ nach zu avatarisieren, kann ich nicht ernsthaft beantworten.

TT: Was nimmst du mit aus dem Projekt?

CW: Es hat mich erstaunt, wie stark einige SL-Erlebnisse mein tatsächliches Bewusstsein/ Erleben beeinflussten. Mir war hin und wieder die Kritik aufgefallen, die Grafik von Second Life sei zu schlecht – als Vergleich wurden aktuelle Videospiele angeführt – aber für (psychologische) Übertragungsphänomene hat es zumindest in meinem Falle allemal gereicht. Wenn ich z.B. einen nackten Avatar umkreiste, dann hatte ich das Gefühl von Indiskretion und Voyeurismus und bekam ein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Frau; oder als der „Hausmeister“ einer Stranddisko mich rausschmiss, weil ich nicht schnell genug mein Rollbrett wegräumte, fragte mich danach ein Freund, warum ich so verstört sei, was denn passiert wäre.

TT: Der Reiz der virtuellen Welten liegt ja darin, das sie das Vorstellungsvermögen anzusprechen, so dass ein wesentlicher Anteil der Visualisierung in der Phantasie des Betrachters stattfindet.

CW: In diesem Sinne funktioniert SL auf jeden Fall gut – zumindest für Neu-Benutzer dieser Art von Spiel.

TT: Andererseits bestätigst du mit deinen Texten aber auch auf's Vortrefflichste alle Vorurteile, die man gegen virtuelle Welten haben kann: heiße Luft statt große Lust, billiger Hype, Abzocke …

CW: Das mag sein. Den Nutzen dieser Welt kann ich nur jenseits dessen sehen, was meist in den Medien genannt wird. Gegen Ende des Projekts nahm ich zum Beispiel an einer Gruppe teil, die eine „Heiltechnik“ praktiziert (Tong Ren Energy). Wenn man mal davon ausgeht, dass solche Phänomene durch Suggestion, Aufmerksamkeit oder „Energie-Fluss“ funktionieren können, dann finde ich es abgefahren, dass eine Gruppe sich zusammenfindet, deren Mitglieder an den unterschiedlichsten Orten der Welt jeweils vor dem Rechner sitzen und gemeinsam versuchen, einzelne Gruppenmitglieder zu heilen. Ebenso erscheint es mir reizvoll, in Arbeitsgruppen verstreut über die Welt zusammenzuarbeiten. Aber mir fällt auf, dass das in Chatrooms sowieso schon ständig passiert, also nur der visuelle (und jetzt auch akustische) Teil dabei neu ist. Die Heilgruppe hätte ohne den zusätzlichen Input (man sieht irgendwelche Repräsentationen von Menschen, man sitzt in einem Meditationskissenkreis, man hört die Stimmen der anderen Teilnehmer plus Hintergrundgeräuschen) nicht „funktionieren“ können. Und für viele SL-Aktivitäten ist es mit Sicherheit sinnvoll, sich zumindest einmal vorher gesehen zu haben, damit ein gewisses Vertrauen aufgebaut werden kann. Schließlich könnten auf den Kissen irgendwelche Idioten sitzen, die sich über die Hoffnung oder Sehnsucht der anderen nur lustig machen. Ich wäre ja aus Versehen auch beinahe da mitten rein gefallen.





TT: Welche Erfahrungen hast du mit Regeln und Regelverstößen im Second Life gemacht?

CW: Es gibt so eine Maßnahme, jemanden zu melden, wenn er Mist gemacht hat. Mir wurde einmal damit gedroht, als ich ein Rollbrett in einer Stranddisko liegengelassen hatte. Ich wurde außerdem von diesem Teil des Spiels verbannt, konnte ihn nicht mehr betreten. Das ist im Menü des Programms die sog. „Report“-Funktion, die bei Verstößen gegen SL-Grundsätze oder Gesetze benutzt werden kann. Konsequenterweise müsste das zu einer Löschung des Accounts führen, wenn ein schwerwiegender Verstoß vorliegt. Es muss also irgendwo eine Art „Gericht“ geben. In meinem Fall habe ich nie wieder etwas davon gehört. Das Liegenlassen von Datenmüll scheint nicht so schwerwiegend zu sein.

TT: Im Second Life bewegt man sich ja nicht in einem öffentlichen Raum, sondern in einem privaten. Das Spiel gehört und betreibt die Firma Linden Labs, San Francisco. Durch das Betreten dieser virtuellen Umgebung unterwirft man sich automatisch den Bedingungen und Regeln ihres Besitzers/ Betreibers. Das mag einem komisch vorkommen, weil es ja suggeriert die Abbildung des realen Lebens zu sein und viele virtuelle Orte den Eindruck machen, öffentliche Orte zu sein. Aber die virtuelle Gesellschaft, in die man begibt, kennt keine Grund- oder Mitbestimmungsrecht etc. Es gibt keine Gesetzgebungsverfahren, keine Polizei, keine Gerichte. Bei schwer wiegendem Regelstoß wird man „einfach“ verbannt oder ganz gelöscht.

CW: Scheint so zu sein. Ich habe zum Beispiel nie Polizei gesehen.

TT: Ist doch eine lustige Vorstellung, für einen virtuellen Banküberfall drei Jahre ins virtuelle Gefängnis zu kommen ... ein Avatar hinter Gittern... Die Regeln werden dann von Betreiber aufgestellt. Und wer exekutiert dann die Strafe?

CW: Das machen auch die Betreiber. Ich schätze mal, dass Strafen nur dann verhängt werden, wenn der Firma bei Nicht-Beachtung ein Schaden zugefügt werden könnte. Wer würde schon gern in ein Spiel involviert sein, von dem bekannt ist, dass es Händlern von Kinderpornografie und virtuellen Kinderschändern freiwillig und freundlich seinen Spiel-Raum zur Verfügung stellt?

TT: Welche Werte im SL wichtig sind, war auch eine deiner Ausgangsfragen. Zu welcher Erkenntnis bist du gekommen?

CW: Ich bin immer wieder einer Offenheit und Verspieltheit begegnet, die ich schön finde; aber auch dem genauen Gegenteil: rigidem Hausmeistertum und Beharren auf der eigenen Wahrheit. In vielen Gesprächen herrschte ein spürbares Interesse am Gegenüber – sofern sie denn lang genug dauerten. Die andere Art von Gesprächen war, dass das Gegenüber sich auflöste oder wegflog, bevor sich überhaupt ein Gespräch entwickeln konnte. SL bietet einfachste Möglichkeiten der Gesprächsverweigerung, da jeder leicht in der Anonymität verschwinden kann, aber es gibt eben auch die Chance, sich zu treffen und zu kommunizieren.

TT: Hast du die letzten Entwicklungen bei SL mitverfolgt?

CW: Aufgefallen ist mir nur die Hinzunahme von Audio-Funktionen, die dem ganzen einen authentischeren Charakter und eine größere Bedienerfreundlichkeit verleiht. Wenn ich nicht jede Äußerung tippen muss, wird es sehr viel flüssiger. Ausserdem lässt sich über die Stimme schon deutlich mehr erkennen, mit was für einem Menschen man es zu tun hat. Zumindest bildet man sich das ein.

TT: Aber damit wird der Raum für Phantasie und Projektionen auch weiter geschränkt...

CW: Ich würde dagegen halten, dass er durch die eigene Subjektivität, die jetzt auf gewohnte Stimulanzien, wie die Stimme, trifft, geöffnet wird!

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