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31. Januar 2008

Videopanel 2008: Stile der Stadt #2 setzt sich mit dem Medium Video auseinander

Anna-Lena Wenzel

Das 2005 gegründete Ausstellungslabel ´Stile der Stadt` zeigt eine Woche lang - vom 25. Januar bis zum 1. Februar 2008 - das Videopanel 2008. Die Gründer und Kuratoren Filomeno Fusco und Dirck Möllmann setzen mit der Nutzung eines ehemaligen Weinladens auf St.Pauli die Idee fort, leerstehende Gebäude als Ausstellungsraum zu nutzen. Während es bei der ersten Ausstellung 2006 in der Großen Bergstraße jedoch einen thematischen Rahmen gab, der sich Kunst und Konsumarchitektur widmete und damit einen direkten Bezug der gezeigten Arbeiten zum Ausstellungsraum, dem ehemaligen Karstadt-Gebäude, herstellte, gibt es dieses Mal keinen thematischen Schwerpunkt, der sich konkret auf das Gebäude bezieht. Stattdessen werden die Beziehungen zwischen Film und Video untersucht, wie der Titel ´Videoform Filmform` andeutet. Es geht den beiden Kuratoren um die Reflexion der Formate visueller Kultur heute, wie auf der homepage zu lesen ist.

Zu diesem Zweck wird das Medium Video und dessen Verhältnis zum Film in seiner ganzen Vielfalt vorgestellt. Ortsspezifische Bezüge ergeben sich lediglich durch eine gezielte Platzierung der jeweiligen Arbeiten innerhalb der Räumlichkeiten, so dass die Kellerstimmung dem Horrorvideo entspricht, ebenso wie die Arbeit über einen Synchronschwimmer in einem Raum gezeigt wird, der mit Wasserohren durchzogen ist, die eine passende Geräuschkulisse bieten.

Das ist einerseits schade, da die thematische Ausrichtung auf den Ausstellungsraum in der Großen Bergstrasse überzeugte, andererseits verständlich, bedenkt man die Probleme, die mit der Nutzung leerstehender Gebäude einhergehen und in diesem Fall kurzfristige Entscheidungen erforderten. Dennoch vermochten es die Kuratoren, ihren Anspruch umzusetzen, neue Präsentationsformen für Videoarbeiten zu schaffen, und das auf technisch hohem Niveau.

So bietet der ehemalige Weinladen in der Clemens-Schultz-Strasse 85 großzügige Ausstellungsräume, die den unterschiedlichen Präsentationsformaten der Arbeiten entgegenkommen, gibt es doch abgeschlossene sowie offene Räume, je nach dem, was die Arbeiten erfordern. Auch der Ton ist gut austariert, und wo es Überschneidungen zu einer anderen Arbeit gibt, hängen Kopfhörer, um den Text ungestört verfolgen zu können.

Überzeugend ist auch die Auswahl der elf KünstlerInnen, die sowohl international als auch aus Hamburg bekannt sind und aufgrund ihrer unterschiedlichen Herangehensweisen das breite Spektrum aktueller Videokunst präsentieren. Auffällig ist, dass es nur drei Künstler gibt (Nadim Vardag und Samuel Beckett/Marin Karmitz). Eine Arbeit fällt zeitlich aus dem Rahmen: Der Film ´Comédie` von Samuel Beckett und Marin Karmitz, der schon 1966 entstanden ist, aber jahrelang verschollen war. Die Kuratoren setzen damit ihre Idee fort, bei jeder Ausstellung eine ältere Arbeit zu präsentieren. (Beim letzten Mal war es die programmatische Arbeit ´The Creators of the Shopping Worlds` von Harun Farocki, der diese Ehre zuteil kam.)

Gab beim ersten Videoforum der Film von Farocki einen kapitalismuskritischen Ton vor, steht die Arbeit von Beckett/ Karmitz insofern für die Ausstellung, als dass sie das Medium Video an seine Grenzen führt. Der Film changiert zwischen Film und Theater, indem er den Handlungsraum auf eine Bühnensituation und drei ´Protagonisten` reduziert , die in Urnen stecken. Andere Filme in der Ausstellung changieren ebenso zwischen unterschiedlichem Genres. Sarah Bakers Film über den ersten männlichen Synchronschwimmer kombiniert dokumentarische Elemente mit einer Musikvideoästhetik und Fernsehausschnitten. Karina Nimmerfall erweitert dagegen das Medium Video in den Raum. In ihrer Arbeit ´Executive Office (contemporary modern)` deutet sie mit Hilfe von Raumelementen ein Büro an, das an zwei Wänden mit Filmstills unterlegt ist, die den Blick aus dem Büro freigeben.


Astrid Nippoldt: Fog on Nov. 2, 2004/2007. Webcam übertragen auf DV, übertragen auf 16 mm Film.

Doch liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf den Verbindungen von Video und Film, wobei sich begriffliche Unschärfen auftun, was die Unterschiede von Film, Video und Kunst betrifft. Kann man diese drei Kategorien überhaupt voneinander abgrenzen oder geht es hier nicht viel eher darum, gegenseitige Bezüge aufzuzeigen?

In den meisten gezeigten Arbeiten geht es denn auch um die Verwertung, Umwertung und Reflektion von Filmmaterial nach dem Motto ´Differenz und Wiederholung`. Wie unterschiedlich dabei verfahren wird, zeigt diese Ausstellung. Dass dabei neuerdings sogar digitale Filme auf 16mm-Film übertragen werden (und damit die gegensätzliche Richtung eingeschlagen wird zu der Tendenz, alte Filme zu digitalisieren), ist eine interessante Nebenerkenntnis. Astrid Nippoldt hat für ihre Arbeit ´Fog on Nov.2` Bilder des Mount St.Helens, die von Rangern mit einer Überwachungskamera gedreht wurden, als Digital Video bearbeitet und dann auf 16mm-Film übertragen. Das Ergebnis sind weich gezeichnete, pastel-farbene Bilder, die wie gemalt wirken und ihren realistischen Hintergrund nicht durchscheinen lassen.

Am eindrucksvollsten ist der Film ´Berlin Remake` von Amie Siegel, für den die Künstlerin von alten DEFA-Filmen, die in Berlin spielen, Remakes gedreht hat. Die nachgedrehten Szenen folgen dabei der Kameraführung der alten Filme, und man beginnt sofort zu vergleichen, was sich verändert hat oder gleich geblieben ist. Dabei bricht Siegel mit diesem Prinzip an mehreren Stellen: Einmal setzt sie eine Schauspielerin ein, die die Bewegung der Schauspielerin im Original nachahmt, ein anderes Mal werden die Ausschnitte nicht parallel gezeigt, sondern nacheinander.


Amie Siegel: Berlin Remake, 2005.

Auch die Arbeit von Cordula Ditz stützt sich auf ein Filmoriginal: Die Künstlerin hat Filmausschnitte aus dem Horrorfilm ´Nightmare on Elmstreet` aneinander gereiht. Das Ergebnis sind absurde Szenen, die man kaum als solche bezeichnen kann, sind sie doch nur einige Sekunden lang und verweigern sich jeglicher Narration. Überraschend harmonisch verbindet jedoch die Musik die einzelnen Bilder. Im Begleitheft erfährt man dann, dass es genau 02:36:21 Minuten sind, die übrig bleiben, wenn alle Szenen, auf denen Personen zu sehen sind, aus dem Horrororiginal herausgeschnitten werden. Interessant ist hier zu verfolgen, wie man automatisch nach Sinn sucht und die Bilder miteinander in Beziehung zu setzen versucht.

Ähnlich fragmentarisch, jedoch wesentlich poetischer ist die Arbeit von Eske Schlüters. Die Künstlerin hat Filmbilder und Töne aus Autorenfilmen zu einer Reflektion über das Gedächtnis und dessen Verschwinden aneinandergereiht. Man hört abwechselnd französische und englische Stimmen, die mit auf bloße Bilder reduzierten Filmvorlagen kombiniert werden. Die Arbeit besticht dabei durch ihre Unzugänglichkeit genauso wie durch ihre schönen Bilder.

Weitere Entwicklungen des Mediums Video werden durch Miri Segal und ihren Ausflug ins Second Life angedeutet. In ihrer halbstündigen Arbeit durchstreift sie als Avater Muzza mit ihrer Freundin Roga verschiedene Räume und Identitäten. Die abgehackten Bewegungen, die nicht-verbale Kommunikation (statt zu sprechen, werden die Worte getippt), ebenso wie der Cursor, der immer wieder im Bild auftaucht, verweisen auf die digitale Herkunft der Projektion, die man den anderen digitalen Arbeiten nicht mehr ansieht. Dafür wird aber auch der interaktive Charakter von Second Life in die Ausstellung importiert. Auf einem extra Monitor kann man verfolgen, wie sich Besucher in Form von Avataren in der von Segal entworfenen virtuellen Galerie bewegen und kommunizieren. Eine Life-Performance im Second Life und im Ausstellungsraum.


Miri Segal: Just a Second, Life, 2007. Courtesy Dvir Gallery, Tel Aviv.

Den 2. Internationalen Videokunstpreis, der am Freitag, den 1.2. vergeben wird, bekommt jedoch zurecht Jenny Perlin, die in ihrer Arbeit ´transcript` die fragwürdigen Abhöraktionen des FBI in der McCarthy-Ära beleuchtet und damit die einzige Arbeit gemacht hat, die konkret ein politisches Thema aufgreift . Zu sehen ist die Perspektive des Agenten NY-964-S auf die Haustür eines Appartements in New York, in dem im Oktober 1953 zwei Ehepaare belauscht wurden, die mit dem Ehepaar Rosenberg befreundet waren, die wegen Sowjetspionage angeklagt und zum Tode verurteilt wurden. Die fragmentarischen Auszüge des ´Lauschangriffs`, die das FBI auf fragwürdige Weise rekonstruiert und vervollständigt werden, werfen ein beklemmendes Licht auf die Ermittlungspraktiken in den USA der 60er Jahre und haben zugleich eine große Aktualität aufgrund der verschärften Überwachungs¬maßnahmen und Eingriffe ins Privatleben durch Online-Durchsuchungen und Lauschangriffe in Deutschland.


Jenny Perlin: Transcript, 2006. 16 mm Film übertragen auf DVD. Courtesy Galerie M+R Fricke, Berlin

Offen ist momentan noch, was mit den Ausstellungsräumen nach Beendigung der Ausstellung passieren wird. Der dänische Investor, der die Räume zur Verfügung gestellt hat, sieht – in Abstimmung mit der STEG – eine kulturelle Nutzung der Räume vor. Ob dies nun in Form von Ateliers, einer Galerie mit wechselnden Ausstellung oder einer projektbezogenen Nutzung geschieht und ob die Kuratoren Dirck Möllmann und Filomeno Fusco daran beteiligt sein werden, ist noch nicht geklärt. Die Räume passen jedoch in das Konzept der Stadt, Stadtteile durch kulturelle Nutzungen aufzuwerten. Mit welchen Folgen dies geschieht, wäre zu diskutieren.


Aussenansicht, Clemens-Schultz-Str. 85-87.

Kommentare [2]
Kulti schrieb am 11.02.2008 17:57

Super Kritk!

Habe die Ausstellung besucht und kann mich den Ausführungen der Autorin nur anschließen !!!

Bitte mehr davon

annegret schrieb am 11.02.2008 19:41

Ja, mehr davon! Dem kann ich mich nur anschliessen. Es ist nämlich nicht so, dass ich Hamburg nichts Interessantes passieren würde, nur leider schreibt keiner darüber. Gut, dass es jetz das Ding gibt!

Herzlichen Grüsse, Anne

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