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21. Dezember 2008

Eindrücke einer Kunsttouristin – oder wie schön ist Wilhelmsburg?

Von Heike Breitenfeld

Eines der am besten beworbenen Ausstellungsprojekte dieses Sommers war »Kultur/Natur« vom 16. August bis 14. September in Hamburg–Wilhelmsburg, welches im Rahmen des »Elbinsel Sommer 2008« von der IBA finanziert wurde. Kein Weg, auf dem einem nicht ein Plakat den im seichten Wasser stehenden Harald Lemke zeigte, zusammen mit Anke Haarmann Kurator der diesjährigen Sommerkunst auf der Elbinsel. Die nachhaltige Ausstellungsbewerbung, untrennbar verbunden mit perfektem Stadtmarketing, wurde wie diesmal das ganze Projekt von der IBA finanziert. Das Vorläuferprojekt im letzten Jahr »10 Grad Kunst: Wilhelmsburger Freitag« war, entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, in erster Linie von der Kulturbehörde finanziert und wurde dann von der IBA, als Kunstbeitrag des »Elbinsel Sommers 2007«, großzügig bezuschusst.

Der Strip als PlakatstreckeDoch nicht das Plakat hatte mich zur Ausstellungseröffnung gelockt, sondern die Neugierde auf die Arbeit des mir bekannten Kuratorenteams und die Projekte befreundeter KünstlerInnen. Aufgrund dieser Bekanntschaft hatte ich auch keine Zweifel an deren kritischer, oder besser skeptischer Grundhaltung gegenüber Veranstaltungen wie der IBA und IGS.
So stieg ich auf mein Fahrrad, um mit anderen KunsttouristInnen den »Strip – die Plakatstrecke« abzuradeln. Er begann beim Ausgang des alten Elbtunnels und endete bei der »Tonne«. 100 Plakate von 100 HamburgerInnen beider Elbseiten markierten symbolisch den fehlenden Fahrradweg auf dieser Strecke und sollten der langjährigen politischen Forderung nach dem Bau eines solchen nochmalig Ausdruck verleihen. Die Hamburg Port Authority (HPA) ließ verlauten, dass Anfang 2009 mit dem Bau begonnen werden sollte. Ein Versprechen, dass allerdings nicht zum ersten Mal gemacht wurde. Da Wilhelmsburg seit kurzem als Ausflugsziel für Radtouren auch touristisch beworben wird, kann man wohl davon ausgehen, dass das Projekt diesmal realisiert wird.Projekte entwickeln oder Kunstwerke abwerfen?Angelehnt an Strategien der Aufmerksamkeitspolitik, wie sie am Strip in Las Vegas erprobt wurden, sollte der Plakatparcours den Weg zwischen Vogelhüttendeich und Landungsbrücken beleben. Aber warum eigentlich? Hatte der Weg nicht gerade in seiner Kargheit und Spröde mit den interessanten Ausblicken auf die Wasserkulturlandschaft seinen besonderen Reiz? Nun war die Strecke mit Plakaten zugepflastert, von denen nur wenige Plakate eine Beziehung zu ihrem Aufstellungsort entwickelten., Die meisten Plakate wirkten völlig beliebig. Mit den Themen „Welche Natur?“ oder „Stadt im Klimawandel?“ hätten auch die IBA/IGS selbst Auslober sein können. Das war irritierend, weil manches Plakat auch für direkte IBA/IGS Werbung gehalten werden konnte. Die Plakataktion warf für mich denn auch die heikle Frage nach dem Umgang mit partizipatorischen Projekten auf. Es hatte keine Auswahl gegeben und alle Einsendungen wurden realisiert, um niemanden auszugrenzen. Wenn man die BildautorInnen nun zu PlakatkünstlerInnen macht, also auch von den einzelnen Plakaten als Kunst spricht, muss man dann nicht den Plakatentwürfen mit derselben Haltung begegnen wie den anderen Kunstprojekten? Anke Haarmann und Harald Lemke hatten mit der begrüßenswerten Initiative eines Stipendiums nur diejenigen KünstlerInnen eingeladen, die Projekte vor Ort entwickelt oder fortgesetzt haben, in Abgrenzung zu jenen, die kurz angereist kommen, um ihre Kunstwerke in Wilhelmsburg abzuwerfen. Die Plakatstrecke bestand in diesem Sinne ausschließlich aus abgeworfenen Kunstwerken. Auch die ausdrücklich gewollte Rezeption der Plakatkunst zeugte von einem Kunstverständnis, von dem sich die KuratorInnen an allen weiteren Stationen ihres Ausstellungsprojektes deutlich distanziert haben.Mit nur vier Linien das ganze sozioökologische Dilemma vor Augen
Es blieb beim Abradeln eines bunten Themenparcours, bis ich vor einer Plakatwand stutzte, auf der in roter Schrift zu lesen stand: „Anonyme Kritik an einem Schaufenster in Wilhelmsburg“, umrahmt von im Stile von Kinderzeichnungen angefertigten IBA kritischen Zeichnungen.


Plakat auf der Plakatstrecke zwischen Wilhelmsburg und Altem Elbtunnel, © Anke Haarmann

Diese Zeichnungen waren ursprünglich um einen Plakataufruf herum am Schaufenster vom Kultur-Natur Büro in Wilhelmsburg angebracht waren. Nur warum musste dieser offensichtliche Versuch, den Aufruf konstruktiv zu unterlaufen, mit dieser gleichmachenden Gestaltung und diesem fragwürdig moralisierende Kommentar vereitelt werden? Die Formulierung stellt implizit anonyme, nämlich feige, gegen autorisierte, also offene Kritik und unwillkürlich fragte man nach der Einordnung der anderen Plakate, da hier plötzlich Kritik überhaupt benannt wurde. Vielleicht lag es zudem an den Zeichnungen selber, dass ich mich hier in der eigentlich kritischen Ecke wähnte. Die Zeichnungen waren in ihrer Schlichtheit so schön wie traurig: Direkt unter dem Kommentar ließen vier mit schwarzem Filzstift gezeichnete Blumen ihre roten Köpfe im Gleichklang hängen. Zwar war da noch IBA statt IGS hingekritzelt und auch das wäre natürlich nicht nötig gewesen, denn schon hatte man das ganze sozio-ökölogische Dilemma mit nur vier Linien vor Augen.
Mein Lieblingsplakat von Henning Schulz, würde ich als „Hinwendungsplakat“ im Gegensatz zu allen Ablenkungsplakaten der Aufmerksamkeitspolitik bezeichnen. Es befand sich übrigens abseitig, im toten Sackgassenarm der Klütjenfelder Straße. Man fand es eigentlich nur, wenn man sich verirrte (und genau das gehörte auch dazu!) und sah dann eine Plakatwand im Dickicht, mit dem Foto von einem Fahrrad, eingewachsen im Dickicht, ganz so als hätte diese Plakatwand schon immer an diesem Ort gestanden.Die Tonne als das Archiv der KünsteViel mehr Plakate hätte ich nicht gebraucht, um in die Tonne mit dem Archiv der Künste zu finden. Das Gebäude befindet sich direkt am Veringkanal und steht seit 1994 leer. Anke Haarmann und Harald Lemke recycelten den Bau für die zentrale Ausstellung von Kultur/Natur. Der Ort eignete sich zumindest architektonisch hervorragend für jene Arbeiten, die nur wenige weiße Wände benötigen. Die großen Glasflächen und das runde Dach verbinden sich gut mit der Umgebung und betteten die Ausstellung darin ein. Die kleine Ausstellung vereinte Arbeiten, die sich bereits in der Vergangenheit mit urbaner Natur oder ökologischer Stadtentwicklung auseinandergesetzt hatten, von den KuratorInnen „wieder-repräsentiert“ genannt Die Anordnung der Arbeiten im Raum war mühelos nachvollziehbar und die Bezüge unter den unterschiedlichen künstlerischen Strategien leicht herzustellen: Malte Wilms Performance „Frühstück im Grünen“, die im Jahr 1997 zwischen Baustellenfahrzeugen in Altenwerder stattgefunden hatte, und uns daran erinnerte, das Altenwerder einmal ein Dorf war, bevor es zerstört wurde um der Hafenerweiterung, sprich einem Containerterminal zu weichen.

Aktion "Frühstück im Grünen" 1997 Altenwerder, mit organisiert von Malte Willms, aus der Dokumentation im Archiv der Künste

Während Malte Wilms ein kunstgeschichtliches Bild, als Ausdruck eines bürgerlichen Naturverständnisses, in einer real zerstörten Natur ausschließlich für die Presse inszenierte und damit Aufmerksamkeitspolitik betrieb, ging Joseph Beuys im Jahr 1983 mit seinem leider nicht realisierten Vorschlag der Spülfelderbepflanzung für Altenwerder weit darüber hinaus. Rückblickend lässt sich erkennen, wie Überlegungen zur ökologischen Stadtentwicklung ihren Anfang nahmen und gleichzeitig bereits als Utopie ihr Ende fanden. Die Geschichte der Grünen, für die sich Joseph Beuys in ihren Anfängen stark engagiert hatte, - von ihrer Gründung als Bundespartei im Jahr 1980, bis zur heutigen Koalition mit der CDU im Hamburger Senat,-, beschreibt sehr deutlich den Gang der ökologischen Bewegung durch die leidigen Institutionen. Da können einem schon nachhaltig die Tränen kommen, während man auf Holzschnipseln als Teil der Installation von Dan Peterman steht.


Installation von Dan Peterman im Vordergrund und Dokumentation des Projekts von Joseph Beuys "Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg" im Archiv der Künste,
© Anke Haarmann


Ein bisschen Öko Light hat seither schon Einzug gehalten in unseren Alltag, das das Leben angenehmer und gesünder macht. So wäre heute Petermans zentrale Installation auch an ganz anderen Orten als bloße, wenn auch angenehme Möblierung denkbar. Die bodenbedeckenden Holzschnipsel und Baumstammstücke als Sitzgelegenheiten sind seinem nomadisierenden Treibhaus von 1999 in Lüneburg nachempfunden und werden in der Tonne als Café und Versammlungsort genutzt. Da die Architektur der Tonne selber einem Treibhaus ähnelt, ließ sich die Atmosphäre der Ausgangsinstallation allerdings gut übertragen. Zusammen mit Nana Petzets „Sammeln/Bewahren/Forschen“-System (SBF) im raumteilenden Regal ist die Verknüpfung von Ausstellungsdesign mit inhaltlichem Gehalt durchaus gelungen.

SFB-System von Nana Petzet im Archiv der Künste, © Anke Haarmann


Der Wiederverwertungsgedanke steht bei beiden Arbeiten im Vordergrund, wenngleich Nana Petzet in ihrem „Sammeln Bewahren Forschen“-System mit der Herstellung obskurer Objekte das Duale System, Mülltrennung und Verpackungswahn humorvoll hinterfragt, während Petermans Installation auch fraglos zum Sitzen funktioniert. Kathrin Milans nomadisierende Pflanzenschuhe wiesen den Weg nach draußen, wo Susan Leibovitz Steinman in ihrer Installation „Küchentischdiplomatie“ Gäste mit Gemüse aus ihren temporären Gärten verköstigte und am Tisch Möglichkeiten zum Austausch bot. Auf der anderen Seite der Tonne konnte man sich vom Critical Art Ensemble massieren lassen. Die Sonne schien übrigens auch noch. Leider machte es uns das Critical Art Ensemble sehr leicht, das Denken vollständig aufzugeben, da sie vor ihren Massageliegen auch noch 3 überdimensionierte Flachbildschirme aufgestellt hatten, die uns mit 3 x derselben Videocollage aus Computer-/Mobiltelefonwerbung und Statistiken darüber informierten, dass die von diesen Geräten ausgelösten Schädigungen zu Verspannungen führen. Zwischen der von CAE mit Wilhelmsburgern durchgeführten Untersuchung der Qualität der umliegenden Gewässer und dieser Wellnessperformance mit Zeigefinger konnte ich leider keinen rechten Zusammenhang erkennen.
Die angenehme Atmosphäre der Veranstaltung zeugte von einer integrativen Vorbereitungszeit der Projekte und es war ganz offensichtlich gelungen, Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen miteinander in Kontakt zu bringen. Im Peutegrund
Ein Besuch bei Nana Petzets Projekt auf der Veddel hat diesen Eindruck bestätigt und zeigt (wie übrigens auch schon im Vorjahr), dass interessante Projekte auch in dem viel und natürlich zu recht problematisierten Rahmen möglich sind:
Nana Petzet hatte einen interessanten Ort gefunden: „den Peutegrund“. Aus der Beschäftigung mit dem Gebiet und dem Kontakt zu ansässigen Umweltschützern entwickelte sie ihr Projekt, das zunächst aus einer Bestandsaufnahme und Gebietserkundung mit Experten bestand. Wie das später ausgestellte Video dokumentiert, ließ die Künstlerin sich Pflanzen und Tiere zeigen und begab sich dabei selbst mitten in das zugewucherte Biotop. Dabei stieß sie auf das Problem der Neophyten, in diesem Fall auf den japanischen Staudenknöterich, welcher die angestammte Pflanzenwelt verdrängt. Dies veranlasste sie zur künstlerisch/ gärtnerischen Intervention: Gemeinsam mit Umweltschützern, Jugendlichen und anderen Beteiligten von Kultur/Natur rodete sie den Knöterich in einem Teilstück des Biotops. Diese Aktion und die dabei entdeckte, vermeintlich vom Aussterben bedrohte gestreifte Zartschrecke rief die Hamburger Port Authority (HPA) als Grundstücks- und Gebietseignerin auf den Plan. Die HPA drohte der Künstlerin zunächst mit einer Unterlassungsklage, ließ sich dann aber nach einer Vorführung des Videomaterials beruhigen. Mit ihrer Aktion hat Nana Petzet die kommerziellen Interessen der HPA empfindlich berührt, die wohl weniger die Künstlerin, als vielmehr die Umweltschützer fürchten und ungern das Hafenerweiterungsgebiet (wie schon damals bei Beuys) unter Naturschutzaspekten betrachtet sehen wollen. Da sich sowohl Nana P. als auch die Umweltschützer weiter des Peutegrundes annehmen wollen, wird die Aktion wohl über die Dauer der Ausstellung hinaus nachhaltig sein. Der neophytische Knöterich ist jedenfalls schon wieder nachgewachsenEin bisschen realen Peutegrund für die Peutetouristin
Die Videodokumentationen und den gerodeten Knöterich konnte man samt Recyclingversuchen in einem Bootshaus am Peutehafen besichtigen. Ich bin an einem Sonntag mit dem Fahrrad dorthin gefahren, endlos lang die menschenleere Peutestraße entlang. Wieder eine städtische Entdeckungsreise in Hamburger Gegenden, in denen ich noch nie war. Dann tauchte links ein vegetativer Feuchtfleck auf. Nach einer Umrundung entdeckte ich dann Nana Petzet vor dem Schuppen sitzend. Und wieder schien die Sonne. Es war angenehm oder vielleicht besser einladend, zu Gast bei Nana P., die wiederum zu Gast bei der Mieterin des Bootshauses war. Im Winter steht der Ort komplett unter Wasser, auch das eine Veddeler Lebenswirklichkeit. Das Haus gehört der HPA wie alle Nachbarhäuser hier. Ein bisschen realen „Peutegrund“ bekam ich auch gezeigt, ich die Peutetouristin, die hier neugierig herumstreifte, und Nana dankbar bin, mich an diesen Ort gelockt zu haben. Mit ihrer künstlerischen Intervention hat Nana Petzet diesen Ort überhaupt in die öffentliche Wahrnehmung gebracht und darüber hinaus an diesem Ort Synergien geschaffen, zwischen KünstlerInnen, UmweltschützerInnen, der ansässigen Bootshausvermieterin und natürlich temporär den PeutetouristInnen.

Das abwegige Biotop ist ein fast unbemerktes, renaturierte Terrain, selbst mit dem „bösen“ Knöterich. Unbesetztes Land mit einem Potential, das sich solange ausbreiten darf, bis es wieder ins Liegenschaftsinteresse gerät – oder von Künstlerinnen entdeckt wird. Es steht für die Vergangenheit und die Zukunft des Gartens, und damit im übrigen auch der Internationalen Garten Schau im benachbarten Wilhelmsburg. Vor der Sturmflut im Jahr 1962 wurde das Gebiet tatsächlich von Schrebergärtnern genutzt. Nana Petzet hat diesen Ort nun besetzt und sogar benannt, um sich mit ihrer Intervention ins Wechselspiel von Kultur und Natur, von Annäherung und Bestimmung, Unordnung und Ordnung, Macht und Ohnmacht zu begeben, und uns daran vermittelt teilhaben zu lassen. Sie konfrontiert mit der Entscheidung einzugreifen, Pflanzen zu entfernen, Pfade in unwegsames Gelände zu schlagen, mit jedem Schritt auch ein schlechtes Gewissen zu haben, Eindringling zu sein, es nicht so einfach lassen zu können. Nur dank des gesellschaftlichen Nischendaseins von Kunst und ihrer vergleichsweise geringen Bedeutung als Freizeitbeschäftigung sind solche Projekte überhaupt möglich. Und zwar ohne Besucherströmen Bahn zu brechen, die die Lebensverhältnisse im und um den Peutegrund grundlegend verändern würden. Aber die gestreifte Zartschrecke ist glücklicherweise kein flauschiges Eisbärbaby.
Ein Denkausflug als Stadtgartentour – Zutritt zum eigenen Garten verboten!
Solcherlei Gedankengänge ließen sich beim letzten Denkausflug, der Stadtgartentour, wieder aufnehmen. Die mehrstündige Fahrradtour führte durch Wilhelmsburger Schrebergärten und veranschaulichte, was für ein irrwitziger Eingriff es ist, eine Gartenschau in ein Schrebergartengebiet zu pflanzen. An verschiedenen Vereinslokalen wurde Halt gemacht, um sowohl Vertreterinnen der Schrebergartenvereine als auch die Landschaftsgärtnerin Heike Lorenz als Sprecherin für die IGS zu Wort kommen zu lassen. Ausgerechnet im Schrebergarten Wollkämmerei e.V., der vollständig der IGS weichen muss, war nur ein Wortbeitrag von Heike Lorenz vorgesehen, die den Anwesenden die Pläne der IGS erläuterte. Im Mittelpunkt der Ausführungen stand die Schaffung eines öffentlichen Parks, der nach Beendigung der IGS der Allgemeinheit zur Verfügung stehen würde.Das Kleingärtnerische mit dem Öffentlichen zu verbinden, fehlt anscheinend im Konzept der IGS, auch wenn einige Kleingärten in die Ausstellung integriert werden. Dies bringt den solcher Art Ausgestellten vor allem allerlei Unannehmlichkeiten: sie müssen ihre Lauben auf die vorgeschriebene Normgröße rückbauen und erhalten keinen freien Zugang zum eigenen Kleingarten außerhalb der Öffnungszeiten der IGS.
Vielleicht wussten die Veranstalter, dass sich die Vereinsmitglieder auch ungefragt zu Wort melden werden und so offenbarte sich für jede FahrradtouristIn die Stimmung durch gegrummelte Kommentare, aber auch durch manch kämpferisch beherzte Wortmeldung zur Lage um den Parzellenkampf. Als dann ungefragt ein offensichtlich politisch geübter Redner (der Partei der Linken) kurz vor Auflösung der Zwischenversammlung das Mikrofon ergriff, um der Wut einiger Kleingärtner über die Planierung ihrer Gärten Ausdruck zu verleihen, geriet die Veranstaltung für einen kurzen Moment ins Wanken. Eine beherzte Teilnehmerin brachte den Mann mit einem Zwischenruf ein wenig harsch aber nach ausreichend langer Rede erstaunlich schnell zum Schweigen, der sich auf der Stelle höflich zurückzog. Den Veranstaltern blieb ein Eingreifen erspart. Die ungeplante Situation beschrieb nicht nur die Stimmung vor Ort recht anschaulich, sondern markierte auch die Grenzen von Kultur/Natur und den Ausflug als Denkausflug, der nicht von der Realpolitik vereinnahmt werden sollte. Dabei bot der Ausflug für Heike Lorenz zuviel realpolitischen Raum, die Pläne der IGS den Anwesenden zu erläutern. Nur dank der ungeplanten Rede wurde das Denken der AusflüglerInnen mit fehlenden Informationen bereichert und das Unwohlsein an einer paritätischen Schieflage bereinigtDer interkulturelle Garten „schwebt“ über dem belasteten Boden
Glücklicherweise wurde die Tour von Jürgen Wüpper, Vorsitzender des Kleingartenvereins Groß-Sand e.V., begleitet, der mit großer Gemütsruhe und in aller Bescheidenheit sein umfassendes lokales und gärtnerisches Wissen auch beim Fahrradfahren verbreitete. Im Kleingarten Groß-Sand e.V wurden die AusflüglerInnen mit Gartenerzeugnissen (Obst und Gemüse) beglückt, ein Hinweis auf die Großzügigkeit und auch die Struktur des Vereins, dessen Gärten hauptsächlich von Menschen türkischer Herkunft als Nutzgärten bewirtschaftet werden. Über den Verein hätte ich gerne mehr erfahren, aber leider regnete es inzwischen in Strömen, so dass auch der anschließende Besuch im interkulturellen Garten quasi ins Wasser fiel. Die von Aktivistinnen des interkulturellen Gartens e.V. vorbereiteten Speisen (ebenfalls mit Gemüse aus eigenem Anbau hergestellt) mussten in die Tonne getragen werden. Die am Veringkanal angelegten Hochbeete konnten daher leider nur im Schnelldurchlauf wahrgenommen werden.

Ausflüge des Denkens: Gartentour vom 14.09.2008, © Nele Gülck

Die amerikanische Philosophin Lisa Heldke hielt einen Vortrag über „Urbanes Gärtnern oder die Erzeugung von Gemeinschaft“. In ihrem überaus interessanten Vortrag ging sie erstaunlich viel auf den interkulturellen Garten in Hamburg ein, schloss damit die durch den Regen entstandene Lücke in der Gartentour und verknüpfte sie schließlich mit eigenen Erfahrungen mit einem interkulturellen Garten in St. Peter, Minnessota, USA. Ausgehend von den stadtgärtnerischen Ansätzen eines kosmischen Patriotismus („Im Gegensatz zum engstirnigen, provinziellen Konzept, das heutzutage in vielen Teilen der USA vorherrscht, kennzeichnet sich der kosmische Patriotismus durch seine Internationalität, Multikulturalität und Menschlichkeit.“) von Jane Addams, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts in Chicagos verarmten Einwanderervierteln engagierte und aktiv nach Wegen einer humanitären Völkerverständigung suchte, beschrieb Lisa Heldke Gärten als Metapher für die conditio humana, in der das Natürliche und das Kulturelle immer schon ineinander verwoben waren. Gärten sind demnach bestens geeignet unsere Vorstellungskraft und das Verstehen von Diversität zu verbessern und damit Mitmenschlichkei tzu fördern. Gemeinsames Gärtnern erzeuge also nicht nur frisches Obst und Gemüse, sondern auch gegenseitige Toleranz und Wertschätzung insbesondere auch unter verschiedenen Ethnien. Aus diesem Gedanken wurde auch der Verein Interkultureller Garten e.V. gegründet, der mit ungewollter Unterbrechung seit 2006 auf mehreren Hochbeeten am Veringkanal gärtnert. Die Hochbeete wurden angelegt, weil die Böden für den Gemüseanbau zu belastet sind. Im interkulturellen Garten treffen sich Menschen verschiedenster Herkunft, um sich auf der Basis des Gartenbaus, aber auch darüber hinaus auszutauschen. Auch die Kunstnomadin Kathrin Milan hat dort ihren Bauwagen aufgestellt und beteiligt sich mit künstlerischen Projekten an den Aktivitäten. Eine solche Erweiterung der gemeinsamen gärtnerischen Aktivitäten fehlte dem Gemeinschaftsgartenprojekt, das Lisa Heldke vor etwa zehn Jahren mit Gleichgesinnten in St. Peter, Minnesota, gründete. Aus dieser Erfahrung heraus schloss sie ihren Vortrag mit einer Warnung: Gärtnern alleine reiche nicht, um nachhaltig kulturelle Barrieren zu überwinden. Die somalischen und lateinamerikanischen GärtnerInnen blieben einfach mit der Zeit weg, ohne dass irgendetwas geschehen sei. Heute werde der noch immer blühende Gemeinschaftsgarten in ihrer Heimatstadt nur noch von weißen AmerikanerInnen bewirtschaftet.
(Fußnote Die vollständige Fassung des Vortrages, die ich interessierten StadtgärtnerInnen sehr empfehle, wird mit allen anderen Beiträgen in der Dokumentation von Kultur-Natur nachzulesen sein, die im kommenden Frühjahr erscheinen wird.Fazit einer Kunsttouristin
Die Denkausflüge waren gut besucht, von 100 Leuten bei einem Ausflug war die Rede. 100 Leute wären für die Schrebergärten zuviel gewesen. Schon die 50 der Fahrradkarawane waren nicht überall erwünscht. Genau da liegt das Problem des Tourismus: Wenige sind verkraftbar, Reisende in kleinen Gruppen sorgen für Austausch, sind Mittler und schaffen Verständigung. Doch manchmal weisen sie auch die Pfade für den nachkommenden Tross. Sicher tragen Veranstaltungen wie „Kultur/Natur“ ebenso wie der „Wilhelmsburger Freitag“ ein Jahr zuvor zu einem Teil dazu bei, einen Stadtteil interessant zu machen - auch für mich - und es wird schwer sein, später ihren maßgeblichen Anteil für den kommenden Tross zu ermitteln. Gleichzeitig können künstlerisch/kulturelle Projekte, die sich in ihrem Umfeld reflektieren, durchaus biotopistisch wirken, nämlich Zwischenräume bilden, an denen sich etwas entwickeln kann, synergetisch wirken und Kräfte freisetzen und jene stärken, denen solcher Art Einmischung willkommen ist. Gleichwohl bleibt es wichtig, sich mit dem Unbehagen am Pfadetrampeln auch weiterhin zu quälen, um in dieser Mischung immer wieder auf’s Neue Handlungsspielräume zu gewinnen für ein künstlerisch selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Leben abseits des Tros.

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