In der Wüste der Moderne - Koloniale Planung und danach
Das koloniale Nordafrika wurde ab den 1930er-Jahren zu einem Laboratorium der europäischen Modernisierungsfantasien. Casablanca galt als Testfall für die „Stadt von morgen“, inklusive radikaler Überbauungspläne. Die autogerechte Stadt, die erste Tiefgarage und das grösste Schwimmbad in amerikanischem Stil wurden für „Französisch-Nordafrika“ geplant. Was hier projektiert wurde, sollte Blaupausen auch für die europäischen Metropolen und eine Erneuerung der Lebensformen liefern.
Noch bis zum 26. Oktober 2008 im Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
Öffnungzeiten: Di - So 10 - 21 Uhr
Das Ausstellungsprojekt In der Wüste der Moderne stellt Architekturen und urbanistische Konzepte vor, die in den Ausnahmezuständen kolonialer Verwaltung, beeinflusst durch antikoloniale Befreiungskämpfe und transnationale Migration in Nordafrika und Westeuropa entstanden. Das Beispiel dieser Bauprojekte der 50er- und 60er-Jahre zeigt: Die europäische Moderne wäre ohne Kolonialismus nicht realisierbar gewesen. In der Wüste der Moderne stellt neue Forschungen und wenig bekannte Wechselwirkungen vor: Die moderne Massenbauweise, in Nordafrika erprobt, wanderte an die Stadtränder Westeuropas. Hier entstanden die uns bekannten Vorstädte für Hunderttausende – wobei rund um Paris oder London oftmals auch die Bewohner aus den ehemaligen Kolonien kamen. Die koloniale Geschichte kehrte heim in die Metropole. Umgekehrt wurden die Architekten der europäischen Moderne durch den Aufenthalt im Nordafrika der Befreiungsbewegungen in ihren technokratischen Planungsgewissheiten nachhaltig verunsichert. Sie begannen in Kategorien einer „anderen Moderne“ zu denken. Hier wird der aufhaltsame Gang der Dekolonialisierung deutlich, die noch längst nicht abgeschlossen ist.
Ergänzend zur Ausstellung: Filme, Performances, Gespräche, eine internationale Konferenz und mehr
Selten gezeigte Filme aus Archiven in Paris, Rabat und Berlin sind in der Filmreihe Kleine Pfade, verschränkte Geschichten zu sehen, kuratiert von Brigitta Kuster und Madeleine Bernstorff. Kanak Attak erkundet mit der Performance The Walking Cube die Verknüpfung von Architektur, Macht, Migration und Widerständen. In den Doppelprojektionen von Remember Resistance werden Filme im Kontext von (post)kolonialer Geschichte und ihrer Verdrängung neu gelesen. Dazu kommen die internationale Konferenz The Colonial Modern , eine Sonderausgabe der Zeitschrift An Architektur und das Internetprojekt this-was-tomorrow.net .
Künstlerische Leitung: Marion von Osten
Kuratoren: Tom Avermaete, Serhat Karakayali, Marion von Osten
Institutionelle Partnerschaften:
Akademie der bildenden Künste Wien, Architekturfakultät der Delft University of Technology, Casamémoire / Casablanca, CPKC (Center for Post-Colonial Knowledge and Culture Berlin), École Supérieure d’Architecture de Casablanca
Forschungsteam:
Tom Avermaete, Serhat Karakayali und Marion von Osten in Zusammenarbeit mit Wafae Belarbi, Madeleine Bernstorff, Jesko Fezer, Brigitta Kuster, Andreas Müller, Daniel Weiss und Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien, der TU Delft und der École Supérieure d’Architecture de Casablanca
Ausstellungsarchitektur und -gestaltung:
Jesko Fezer, Andreas Müller und Anna Voswinckel