Dieter Roths Schimmelmuseum zerstört!
Dieter Roths Schimmelmuseum zerstört! Am 4.2.2004 beginnt der Abriss
Presseerklärung vom 30.1.2004
Seit den siebziger Jahren experimentierte Dieter Roth mit Kunstwerken aus verderblichen Materialien. Seine Objekte sollten einem natürlichen Alterungs- und Verfallsprozess unterliegen — bis zur totalen Selbstauflösung. Ein Konzept, das dem Künstler Weltruhm einbrachte, aber auch Sammler, Kuratoren und Restauratoren immer wieder vor scheinbar unlösbare Probleme stellt.
In den 1980ern ermöglichte es der Hamburger Sammler Buse diese radikale Umkehrung des traditionellen Museumsgedankens zu realisieren: Dieter Roth richtete in der ehemaligen Remise an der Alsterchaussee sein 'Schimmelmuseum' ein. In dem Gebäude wurden mehrere hundert verderbliche Kunstwerke — vornehmlich aus Käse und Schokolade — aufgebaut. Die Objekte sollten dem Verfall preisgegeben werden und langsam das ganze Gebäude in den Verfallsprozess miteinbeziehen. Neben seinen literarischen Arbeiten war die Vollendung des Schimmelmuseums Roths künstlerischer Triumph und wurde sein künstlerisches Vermächtnis.
Nachdem lange Zeit widersprüchlichste Gerüchte kursierten über den Zustand und die Zukunft eines der zentralen Kunstwerke der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts herrscht jetzt Klarheit: Das Schimmelmuseum an der Hamburger Alsterchaussee ist in Einzelteile zerlegt und verpackt, das Gebäude steht kurz vor dem Abriss.
Auf Betreiben einiger Hamburger Kunstfreunde und Künstler hatte sich im vergangenen Jahr sogar ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) für die Erhaltung des Schimmelmuseums ausgesprochen. Die Organisation mit ihren Komitees in 120 Ländern berät die UNESCO in Fragen des Weltkulturerbes und hatte in ihrer Publikation 'Heritage at Risk' auf die akute Gefährdung des Schimmelmuseums aufmerksam gemacht. Doch es herrschte weiter Schweigen — in der Stadt und in der internationalen Kunstszene.
Angeblich ist geplant, das 'Schimmelmuseum' in einem Neubau in der Nähe unterzubringen. Doch wer meint, einzelne Schimmelobjekte in einem klimatisierten 'White Cube' hätten etwas mit der Idee des Schimmelmuseums zu tun, der hat das Grundanliegen des Künstlers missverstanden. Isolierte Objekte mögen ökonomisch einen größeren Wert besitzen als ein verfallendes Gebäude, doch ihre künstlerische Bestimmung ist verloren. Damit sind sie — im eigentlichen Sinn — wertlos geworden. Und das in einem Moment, in dem Dieter Roth mit der Retrospektive 'Roth-Zeit' in Basel, Köln und New York auf dem Höhepunkt seines postumen Ruhmes abgekommen ist.
Wenigstens virtuell ist uns das Schimmelmuseum noch erhalten: unter http://www.schimmelmuseum.de kann man das Museum durchwandern - allerdings fehlen die kleinen Tierchen und der penetrante Geruch doch sehr.
Adresse Schimmelmuseum, Alsterchaussee 40, Hamburg
V.i.S.d.P: Cornelia Sollfrank, Nana Petzet