Schatzinsel mit Konsensfabrik – wie Hamburg seine “innere Peripherie” kapitalisiert und welche Rolle die Kunst dabei spielt
Auf The Thing Hamburg wird die Debatte um die Instrumentalisierung von KünstlerInnen und MusikerInnen durch Stadtpolitik seit hitzigen Wortgefechten im Golden Pudel’s Club im August 2008 dokumentiert und weiter geführt (Des Pudels Kern). Viele kritische Stimmen der Hamburger Kunstszene waren bereits in Wilhelmsburg aktiv und manche fordern zum Umdenken auf (Des Pudels Reisen; Stadtteilumgestaltung). So segelte der Wilhelmsburger Freitag organisiert von Britta Peters unter der Flagge von 10° Kunst, einer Initiative des CDU-Senats zur Förderung von Kunst- und Kulturaktivitäten im Hamburger Stadtgebiet. Später entstand das Labor für Stadtentwicklung (verantwortlich Jan Holtmann und Goor Zankl) gefördert durch die Internationale Bauausstellung (IBA). Die IBA Hamburg GmbH ist der stadtpolitische Stecken für den so genannten „Sprung über die Elbe" und finanziert seit 2007 den jährlichen „Kunst und Kultursommer" bis zu ihrer großen Abschlussausstellung in 2013. Neben vielen Musik- und Sportveranstaltungen war für die Kunst in diesem Jahr 2008 das Thema „Kultur | Natur“, organisiert von Anke Haarmann und Harald Lemke ("...aus Wilhelmsburg rausfahren").
Die Künstlergruppe LIGNA hatte zu ihrer Teilnahme in 2007 bereits ein Statement veröffentlicht (Die IBA gewinnt immer). Der Versuch der Gruppe, kritisches Engagement gegen die Planungen der IBA über Radiofrequenzen (FSK 93,0 Mhz) zu ermöglichen, schlug in ihren Augen fehl, weil die Geschäftsführung der IBA sich interessiert an solidarischer Kritik und Partizipation gibt, aber die kritisierten Mechanismen der Gentrifizierung gleichwohl in Betrieb nimmt. LIGNA empfahl aufgrund dieser Erfahrung, neben der inhaltlichen Gegen-Argumentation stärker auf die Form der Beteiligung achten. Partizipation und Mitmachen heißen eben auch, die bekannten Strukturen nicht zu verändern. In letzter Konsequenz schließt das ein, auf eine Mitwirkung völlig zu verzichten. Das will und kann sich nicht jeder und jede leisten – hier beginnen die Widersprüche und deshalb läuft die Debatte immer wieder heiß.
Mit dem jetzigen Beitrag beschreiben LIGNAs Ole Frahm, auch Mitglied der Thing-Redaktion, und Torsten Michaelsen im Rückblick die Lage der politischen Mitmach-Optionen am Beispiel von Wilhelmsburg. Die eigene Rolle lassen sie an dieser Stelle bewusst außen vor.
Die Hamburger Politik hatte schon viel mit Wilhelmsburg vor – selten jedoch Gutes: Nach der Sturmflut 1962 wollte man den Stadtteil ganz fürs Wohnen aufgeben, setzte dann den WilhelmsburgerInnen einen dioxinhaltigen Müllberg vor die Tür und plante darüber hinaus den Bau einer Müllverbrennungsanlage. Massiver Widerstand konnte zumindest diesen Bau verhindern und führte zur starken politischen Selbstorganisation eines Teils der EinwohnerInnen. Die WilhelmsburgerInnen erstritten sich in der Folge ein Bürgerbeteiligungsverfahren, erarbeiteten 2001/2002 Vorschläge für die Zukunft ihres Stadtteils und verlangten vom Senat einen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Elbinsel. Der ließ nicht lange auf sich warten. Nach dem Platzen der Olympia-Träume schon im nationalen Wettbewerb im Jahr 2003 wurde der “Sprung über die Elbe” ausgerufen, auch IBA genannt – die Internationale Bauausstellung in Wilhelmsburg 2013. Die IBA sieht eine Vielzahl von Projekten in Wilhelmsburg vor, für die sie in den nächsten Jahren Investoren sucht. Ihnen gemeinsam ist das Bemühen um die Aufwertung der bisher randständigen Elbinsel.
Wachsende Stadt
Vorangegangen ist diesen Planungen im Jahre 2002 die Veröffentlichung des Leitbildes “Metropole Hamburg – Wachsende Stadt”. Mit diesem Dokument legte der noch frische Schwarz/Schill Senat das ideologische Leitmotiv vor, dem auch der “Sprung über die Elbe” verpflichtet ist: Hamburg muss wachsen, denn die Stadt braucht mehr Wertschöpfung und Bevölkerung um “Lebensqualität und Zukunftssicherheit” zu sichern und kann letztlich nur bestehen, wenn sie zur europäischen Metropole aufsteigt. Recht unverhohlen macht der Senat in diesem Konzept klar, worin sein Interesse liegt: Die besten Anlagebedingungen für das Kapital in der Stadt zu schaffen. Und das kommt natürlich nur, wenn man ihm eine maximale Rendite verspricht. Genau in der Erschließung von Investitionsmöglichkeiten und in der Rechtfertigung des Prozessierens des Kapitals als Produktion allgemeiner Wohlfahrt liegt die Aufgabe der Politik, wie der frühere Hamburger Finanzsenator und gelernte Speditionskaufmann Wolfgang Peiner bei der Vorstellung des Haushaltes 2005/2006 verdeutlichte: “Arbeitsplätze entstehen dort, wo investiert wird. Investoren und Unternehmer schaffen Arbeitsplätze, wenn sie attraktive Rahmenbedingungen finden. Diese zu schaffen, ist Aufgabe der Politik. Wir tun das.”
Aus dem Konzept der wachsenden Stadt ergibt sich zwingend die Notwendigkeit, neue Bereiche für die Kapitalisierung zu erschließen, um sie zu “entwickeln”, d.h. die Wertschöpfung zu steigern und die Bevölkerung wachsen zu lassen. Schon im Leitbild wird in diesem Zusammenhang Wilhelmsburg erwähnt, ein Gebiet, das wie gemacht ist für die Expansionspläne des Senats, liegt es doch direkt südlich des Zentrums und der im Entstehen begriffenen Hafen-City und hinkt gleichzeitig der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt hinterher: eine “innere Peripherie”.
Schatzinsel
Tatsächlich also kündigte sich ein Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung der Elbinsel an: Über Jahrzehnte galt sie mit ihrer unübersichtlichen Mischung aus Logistikbetrieben, Kleingewerbe und viel sozialem Wohnungsbau, mit ihrem (relativ) hohen Anteil an Menschen, die nicht von der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft leben und nicht zuletzt wegen der vielen MigrantInnen, die dort wohnen, als Problemzone, die man mit den üblichen Mitteln des Sozialmanagements halbherzig zu befrieden suchte. Nun auf einmal ist alles anders. Senat und Handelskammer entdecken eine zu kolonisierende Schatzinsel, auf der zwar keine Kisten mit purem Gold schlummern, dafür aber etwas viel besseres für das unter ständigem Wachstumszwang stehende Kapital – “Potenzial”, das nur darauf wartet, entwickelt und verwertet zu werden: Eine Bevölkerung, die international ist und somit – richtig ausgebildet – die Arbeitskräfte für den globalen Wettbewerb zur Verfügung stellen kann, Brachen fürs Gewerbe und viele Kanäle, die das „Wohnen am Wasser“ auch denen versprechen, die sich ein Loft in der Hafen-City nicht leisten können. Das alles bei hervorragenden Verkehrsanbindungen: Wilhelmsburg wird nicht nur von der Elbe umflossen, sondern auch von Autobahn- und Bahntrassen durchzogen, betrachtete man es bisher doch hauptsächlich als eine Art Transitzone. Zudem gibt es viel Grün, das zwar vielfältige Rückstände der ehemaligen industriellen Nutzung in sich birgt, aber trotzdem als Kulisse für die Ansiedlung vieler glücklicher Familien dienen soll, die ansonsten drohen, mitsamt ihren Steuerzahlungen ins Hamburger Umland abzuwandern. Kostete Wilhelmsburg also bisher hauptsächlich Geld und Mühe, die niemand einem dankte, weil der Stadtteil trotzdem aus den schlechten Schlagzeilen nicht herauskam und augenfällig machte, dass selbst eine Boomtown wie Hamburg die Leute nicht verstecken kann, die zu den VerliererInnen kapitalistischer Ausbeutung gehören, ist es nun auf einmal anders herum: Sind erst die Investoren gefunden, so verspricht der “Sprung über die Elbe”, wird die Insel erblühen und gleichzeitig dabei noch Geld abwerfen. Es bedarf nur eines Auslösers, der den Kapitalverwertungsprozess in Gang bringt – dann vergoldet Wilhelmsburg sich fast von ganz alleine. Und die sozialen Probleme sind Vergangenheit: “Sozial gerecht ist, was Arbeitsplätze schafft”, sagte dazu Senator Peiner in der oben zitierten Rede. Der erste Motor zur Entwicklung Wilhelmsburgs sollte die Olympiade sein – dieser Plan scheiterte am Cello spielenden Bürgermeister Leipzigs, Wolfgang Tiefensee, dessen Bewerbung das Vorauswahlverfahren nicht überdauerte. 2012 wird London die Sommerspiele zur Umstrukturierung der Stadt nutzen.
Labor der Legitimationstechniken
Die Internationale Bauausstellung jedoch kann Hamburg niemand mehr wegnehmen. Sie soll im Jahr 2013 neu gebaute Realität vorzeigen, nach “Präsentationsjahren” 2010 und 2007, in denen hauptsächlich der IBA “Kunst- und Kultursommer” die Trommeln für die Umgestaltung der Elbinsel rührte. Eigenes Geld hat die IBA – eine GmbH, die sich zu 100 Prozent in Besitz der Stadt befindet, – wenig. Ihre Aufgabe ist es, einen Rahmenplan für Projekte zu propagieren, für die dann Investoren gefunden werden müssen. Gleichzeitig muss die Zustimmung der Bevölkerung organisiert werden. Dafür haben der Senat und die von ihm eingesetzte IBA GmbH einen neuen rhetorischen Kniff gefunden: Propagierte das Leitbild “Wachsende Stadt” noch die Expansion zum Wohle des Standorts, trachtet man nun nach Höherem: So wie ein Unternehmen, wenn es wächst, durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze unmittelbar soziale Gerechtigkeit produziert, so befördert Hamburg beim Wachsen das europäische, wenn nicht globale Gemeinwohl. Nichts weniger als das Labor für die “Metropole des 21. Jahrhunderts” will die IBA sein, den Weg in eine “nachhaltige” und sozial gerechte Stadtentwicklung aufzeigen und dafür auch einen neuen Modus entwickeln, denn: “Die Zukunft der europäischen Stadt kann nur gemeinsam gestaltet werden”. So steht es in den “IBA-Konventionen”, einem Gesellschaftsvertrag, den der Senat von möglichst allen Akteuren unterschreiben lässt, die irgendetwas mit Wilhelmsburg und/oder Stadtplanung zu tun haben, um ihrer konstruktiven Mitarbeit sicher zu sein. Nicht nur für den Rest der Welt also will die IBA nur das Beste, auch für Hamburg: jeder darf mitmachen. Aber wer bestimmt am Ende? Dass “gemeinsame Gestaltung” nicht gleichmäßig geteilte Macht bedeutet, wird schon allein dadurch deutlich, dass die beiden Erstunterzeichner der Konventionen, der Hamburger Senat und die Handelskammer, längst eigene Pläne in der Schublade hatten, aus denen sich das, was im Rahmen der IBA entstehen wird, speist. Zwar hat die IBA ein “Beteiligungsgremium”, in dem interessierte BürgerInnen aus dem IBA-Planungsbereich die Bauausstellung “aktiv begleiten” dürfen – denn: “Ohne oder gar gegen die Menschen, die auf der Elbinsel persönlich von den Planungen, Baumaßnahmen und Veranstaltungen betroffen sind, soll keine wichtige Entscheidung gefällt werden”, heißt es auf der IBA-Homepage. Eine Aussage darüber, welches Gewicht Entscheidungen und Einsprüche dieses Gremiums besitzen, findet sich allerdings nicht. Dafür wird stolz verkündet, dass “das Wissen und die Erfahrung der Bürger und Bürgerinnen zur Meinungsbildung in allen relevanten Fragen und Entscheidungen” beitragen soll. Auch hier zeigt sich die IBA und mit ihr die Wachsende Stadt als modernes Unternehmen, das begriffen hat, wie es seinen wichtigsten Rohstoff – das “Wissen und die Erfahrungen” seiner Humanressourcen – am effektivsten nutzen kann: wenn diese freiwillig ins gemeinsame Werk eingebracht werden. Zur Legitimierung der IBA trägt ihre Verwertung allemal und schon heute bei.
Partizipatorische Unterwerfung
Hier kommt die Kunst ins Spiel: Künstlerinnen und Künstler gibt es dort, wo der “Sprung über die Elbe” landen soll, schon länger und sie werden immer mehr. Ihnen bietet Wilhelmsburg mit billigen Mieten und viel Platz ausgezeichnete Vorraussetzungen für die eigene Arbeit. Gleichzeitig befördern sie – ob sie wollen oder nicht – das, was der Stadtteil Senat und Handelskammer zufolge dringend braucht: den “Imagewandel” der Industrieinsel. Gibt es erst genügend Leute im Viertel, die man als “Kreative” etikettieren kann, kommen – so die Hoffnung - immer mehr davon nach. Sie verdrängen diejenigen, die das “Imageproblem” verkörpern – Arbeitslose und migrantische Familien – nach Süden, wo die noch relativ günstigen Wohnblocks von Kirchdorf-Süd schon auf sie warten. Schließlich wird es schick im Reiherstiegviertel zu wohnen und in der Hafencity zu arbeiten. Auch für Leute, die genug Geld hätten, woanders hinzugehen. Dann lohnen sich größere Investitionen, die Mieten steigen und der Aufschwung kommt. Schließlich können die KünstlerInnen zur nächsten Kapitalbrache weiterziehen und dort Pionierarbeit leisten.
Damit aber erschöpft sich die Rolle der Kunst in diesem Prozess noch nicht. Vielmehr wird das Zusammenspiel von Künstlern und Aufwertung von der IBA selbst noch einmal verdoppelt, im Kleinen nachgestellt: Im Sommer 2007 war von den Projekten der Internationalen Bauausstellung noch nicht mehr zu sehen als ein riesengroßes Modell, das einige Monate in einem verlassenen Supermarkt, der zur IBA Ausstellungshalle wurde, bewundert werden konnte. Wer aber ist schon da? Die Kunst! Sie tritt unter dem Namen “Kunst- und Kultursommer” an und bespielt den ganzen Stadtteil, um die IBA dort und im Rest der Stadt bekannt zu machen. Neben den üblichen Spektakeln wie Open Air Festival und Inline-Skate Marathon sind es gerade partizipatorische Projekte, die die IBA finanziert – wie auch beim Projekt “Kultur / Natur”, das ein Jahr später, im Sommer 2008 stattfand. So gut wie alle Projekte setzten sich kritisch mit der Entwicklung in Wilhelmsburg, mit der IBA, der Aufwertung und der zu erwartenden Verdrängung von Menschen auseinander. Die IBA verdoppelt somit nicht allein die objektive Rolle der Kunst im Umstrukturierungsprozess, sondern auch die subjektive Verortung der KünstlerInnen darin: So wie letztere gemeinhin bejammern, dass sie durch ihre bloße Anwesenheit allerorten einen Prozess befördern, den sie gar nicht vorantreiben wollen und dem sie schlussendlich selber zum Opfer fallen, erlaubt ihnen die IBA, an ihrem großen Umbauprojekt teilzunehmen und gleichzeitig ordentlich Kritik daran zu üben.
Fast alle künstlerischen Projekte scheint die Vorstellung zu einen, dass sich durch eine kritische Arbeit der Rahmen des ganzen Unternehmens, die IBA und das Projekt wachsende Stadt, so sehr desavouieren lässt, dass damit der Grundstein für eine kritische Bewegung schon gelegt ist und sich somit „nachhaltige“ Effekte ergeben. Solche Arbeiten verdanken sich einer Verwechslung: sie üben sich in inhaltlicher Kritik, wo sie formal werden müssten, d.h. sich mit der eigenen Rolle auseinandersetzen und daraus vor allen Dingen Schlüsse ziehen müssten.
Die folgenreichen politischen Interventionen, zu denen die WilhelmsburgerInnen in der Vergangenheit in der Lage waren, zeichneten sich durch eins aus: sie überschritten die Grenzen des bisher Sagbaren und Machbaren – und sie warteten dafür auf keine Einladung. Die Projekte der partizipatorischen Kunst wollen an diese Tradition anschließen und machen doch das Gegenteil: wo man sie lässt, geben sie Menschen den Raum zur Artikulation – soweit und so lange man sie lässt. Das ist institutionalisierte Folgenlosigkeit. Derweil wird die IBA nicht müde zu betonen, dass sie die kritischen Stimmen gegen sich auch noch finanziert und damit zeigt, dass sie an einem wirklichen Dialog interessiert ist. Während aber die Künstler längst woanders ihre Projekte zum Empowerment des Widerstands durchführen, bleibt die IBA vor Ort, kann die Kritik aufnehmen, in ihrem Sinne verwenden – oder vergessen. Warum sollte sie oder irgendjemand anderes in der Stadt sich verbindlich mit Einsprüchen und Widerständen auseinandersetzen, die in künstlerischen Projekten artikuliert wurden?
Die IBA erscheint als Instrument einer Herrschaftstechnik, die man partizipatorische Unterwerfung nennen könnte. Sie dient nicht allein der Produktion von Legitimität durch die Kanalisierung von Kritik, sondern gleichzeitig der Aneignung eines Rohstoffes, den der Aufwertungsprozess ständig benötigt: Kreativität. Die Künstlerinnen und Künstler sind die Avantgarde der partizipatorischen Unterwerfung.
Widerstreitende Interessen
Die in Initiativen organisierten EinwohnerInnen von Wilhelmsburg zeigten sich am Anfang des IBA-“Prozesses” noch glücklich darüber, dass endlich etwas passiert. So heißt es in der Präambel des aus der „Zukunftskonferenz Wilhelmsburg“ hervorgegangene Vereins „Zukunft Elbinsel“: „Der Verein will die kommende Dynamik, die Hamburgs Elbinseln aus dem Abseits in das Zentrum einer pulsierenden, dynamischen Metropole führen wird, innovativ und aktiv mitgestalten” (http://www.insel-im-fluss.de/Satzung/praeambel_satzung.htm). Dieser Verein kritisierte die Pläne für die Insel maßgeblich nur da, wo sie offensichtlichen Unsinn enthielten: So wie den See in der “Grünen Mitte” Wilhelmsburgs, der idyllisch unter der Autobahnbrücke der Wilhelmsburger Reichsstraße liegen sollte. Er war schnell wieder Schnee von gestern, nicht jedoch die Hafenquerspange. Für diese Autobahn quer durch den Hafen nördlich von Wilhelmsburg setzt sich insbesondere die Handelskammer vehement ein – und auch im schwarz-grünen Koalitionsvertrag taucht sie ganz selbstverständlich auf, nur die Trassenführung soll “geprüft” werden. Die WilhelmsburgerInnen protestierten gegen die Hafenquerspange von Anfang an, wie auch gegen Pläne der IBA, das Gewerbe am Reiherstieg weiter auszubauen (die “Perlenkette der Logistik”), denn Lärm und Lastwagen haben sie schon jetzt genug. Handelskammer und Senat antworten darauf, dass sich mit “intelligenten Lösungen” Verkehr, Gewerbe und mehr Wohnqualität durchaus vereinbaren lassen.
Die künstlerischen Projekte des IBA-Kunst- und Kultursommers 2008 “Kultur / Natur” haben insbesondere dieses Versprechen, sich widersprechende Nutzungskonzepte unter einen Hut zu bekommen, ins Visier genommen. Es ist ihnen zugute zu halten, dass sie einige Widersprüche der IBA-Planungen mit Akteuren wie der Handelskammer und der Hamburg Port Authority bloßlegen und somit vielleicht einen bleibenden, störenden Eindruck hinterlassen konnten.
Eine Kritik der Herrschaftstechnik der IBA und des Prinzips “Partizipation als Legitimation” wurde damit nicht geleistet. Ob sie in Projekten entwickelt werden kann, denen die IBA selbst den Rahmen für ihr Tun bereitstellt, bleibt fraglich. Auch jene Kritik greift zu kurz, die lediglich ein Demokratiedefizit im planerischen Verfahren bemängelt und den Konsens bestehen lässt, dass die Interessen des Kapitals mit denen eines jeden Einzelnen deckungsgleich sind, der schließlich seine Arbeitskraft zu verkaufen hat. Eine Kritik der “Stadt des 21. Jahrhunderts” muss an diesem Konsens ansetzen.