Kunst, Kultur und Kinderbelustigung
von Ulf Freyhoff
Das kürzliche Treffen im 'park fiction' erinnerte mich fatal an diverse Zusammenkünfte im 'Südbalkon' vor ca. drei Jahren, als die ersten - von Stadtentwicklern und Kulturbehörde zusammengestellten - Konzepte mit so tollen Begrifflichkeiten von 'Solitäre(n) mit Strahlkraft' oder 'Nachhaltigkeit' bis hin zu 'Die Insel wird Kult' auftauchten. Wir haben uns damals in mehreren zermürbenden Treffen mit einer Positionierung demgegenüber beschäftigt. Ein Kommentar unsererseits ging auch damals an die Kulturbehörde, dieser wurde inhaltlich ignoriert und brachte aber einigen Beteiligten eine Einladung zu einem Treffen der 'Multiplikatoren' in der Baubehörde ein, wobei klar wurde, daß die iba GmbH wohl die gesamte kulturelle Federführung übernehmen wird. Unsere Treffen fanden dann nicht mehr statt, zum Teil aus Ratlosigkeit und zum Teil deshalb, weil deutlich wurde, daß wohl jeder Einzelne seine Position dazu selber definieren wird.
Wie mir auch schon aus langjähriger Erfahrung mit Selbstpositionierungen von Künstlern in politischen und sozialen Feldern bekannt ist, agiert er/sie fast immer als Einzelner, sofern nicht von sich aus in einer 'Gruppe' definiert - und ist weiterhin verständlicherweise als (Selbst-)Darsteller aktiv - siehe die langatmige Vorstellung und Rechtfertigung eigener Projekte bei dem meeting im 'park fiction'. Dabei sollte es doch eigentlich um die Diskussion der Rahmenbedingungen, in denen bildende Kunst stattfindet, gehen.
- das 'Kunstvermittlerproblem':
Nicht nur die Verschiebung der Verantwortlichkeit für Kulturtöpfe von der ehemaligen Kulturbehörde zur iba GmbH / BSU gibt zu denken, auch die zunehmende Zwischenschaltung von selbsternannten Kulturexperten (ehemals Stadtentwickler) und studierten Kulturwissenschaftlern als 'Arbeitsvermittler' für Kunstschaffende stellt ein Problem für die Qualität der momentan inszenierten Veranstaltungen dar. Da brüstet man sich etwa mit 'recycling', weil man ein zwanzig Jahre altes Beuys Projekt aus der Mottenkiste holt, oder eine Westernstadt mit Kinderprogramm unter Schirmherrschaft von Daniel Richter mutiert mal
eben zum 'Kulturapparat', oder ein durchschnittliches Strassenfest wird dank 'taz' zum 'Kunstraum'.
- 'kritische Information und Kommunikation':
Zunächst ist es in diesem Zusammenhang problematisch, daß als Grundlage der Diskussion häufig neben den offiziellen Verlautbarungen (die sich immerhin aufgrund ihrer Inhaltsleere meist selbst diskreditieren) unverifizierte 'Gerüchte' herhalten müssen, was die Argumentation - ob nun für oder gegen eine Beteiligung - immer wieder schwächt.
Eine umfassende Sammlung von belastbaren Dokumenten könnte ein erster Schritt sein, um die Diskussion des Themas fruchtbarer zu machen, effektiver als die m.E. viel zu früh abstrahierenden kulturphilosophischen Textgebirge oder die schnellen inhaltsleeren Verweise auf Diskussionskultur, die auch in einschlägigen Foren gerne genutzt werden, um kritische Auseinandersetzungen im Keim zu ersticken. Nein, ich bin wirklich nicht der Meinung, daß in allererster Linie alle 'nett' zueinander sein sollen.
Nun haben wir mit dem 'echo' Verteiler und 'thing' zwei Plattformen, die zumindest teilweise zu einem konstruktiven Austausch taugen: bei reinen Mailinglisten existiert aber immer das Problem der Lesbarkeit von längeren diskursiven Threads, die 'thing' Plattform gilt vielen als (auch sprachlich) elitärer Publikationskanal von Kulturwissenschaftlern im weitesten Sinne.
Mir stellt sich die weiterhin ungelöste Frage, ob in der aktuellen Auseinandersetzung evtl. eher auf thematisch spezifischere Plattformen zurückgegriffen werden sollte, oder ob man dadurch das Thema aus dem zweifellos vorhandenen grösseren Kontext isoliert, was auch sehr problematisch ist. (siehe z.B. ibafluessig.net)
- 'Nachhaltigkeit':
Die 'Nachhaltigkeit', die sich die iba gern auf die Fahnen schreibt, kommt neben Lippenbekenntnissen (Uli Hellweg: "Die IBA Hamburg wird sich auch in den kommenden Jahren mit vielfältigen Projekten für eine nachhaltige Etablierung kreativer Ideen auf der Elbinsel einsetzen.") als Begriff nur im Zusammenhang mit Ökonomie und Ökologie vor. Die Stadtentwicklerfraktion hat schon vor langem eingeräumt, daß die 'Kreativen' die Elbinsel sowieso in fünf Jahren wieder verlassen, die 'Behörde für Kultur, Sport und Medien' generiert derweil nachhaltige Finanzströme für die Elbphilharmonie.
Nachhaltigkeit (jetzt mal ganz positiv) kann insofern für Künstler nur bedeuten, daß - im Rahmen einer Beteiligung - Projekte realisiert werden, die zumindest einen Fundus an Materialien und Geräten generieren, der dann für unabhängige Projekte genutzt werden kann - und im Falle einer Nichtbeteiligung auf anderen Wegen die Überreste der iba-Veranstaltungen recycelt werden.
Nachhaltig (jetzt mal utopisch) könnte auch bedeuten, daß für die achsowichtigen Künstlertalentmultiplikatoren Arbeitsmöglichkeiten im Sinne günstiger Atelierräume oder längerfristig nutzbarer Projektorte geschaffen werden - dem steht jedoch der massive Widerstand der anderen städtischen Akteure wie Sprinkenhof, HPA oder der Handelskammer entgegen, die ihre Flächen vermehrt für die Hafenwirtschaft nutzen wollen, um die angestrebte Verdoppelung etwa des Containerumschlages zu realisieren.
Die 'Talentstadt' - Promoter hingegen werden sich noch wundern: schon jetzt ist z.B. eine massive Abwanderung von Kunsthochschulabsolventen etwa nach Berlin zu beobachten, allein schon wegen der geringeren Lebenshaltungskosten dort.
- 'Strategien':
Entgegen der auch bei einigen Künstlern verbreiteten Annahme, man könne nur in der Kooperation mit den erwähnten Akteuren effektiv Projekte durchführen, hat z.B. das 'brandshof festiv' am vergangenen Wochenende erneut aufgezeigt, wie stark eine unabhängige Szene sein kann, indem sie ihre über Jahre gewachsenen eigenen Netzwerke nutzt.
Für mich selbst war nach schweren (weiterhin begründeten) Zweifeln, ob man selbst mit unabhängiger Kulturproduktion ebenso eine Gentrifizierung befördert, klar, daß ich weiterhin Projekte in meinem Umfeld durchführen würde. Das 'camel event' auf der Peute 2005 hat mir deutlich gemacht, daß man solchen Leuten nicht kampflos das Feld überlassen darf.
Ich kann hier nur noch dazu auffordern, sich nicht auf mittelmässige 'Kunstrahmen' einzulassen oder sich in Kultur-/Kinder-/Kunstapparaten oder im kulturellen Mainstream degradieren zu lassen. Eigentlich wäre es Zeit, wieder einmal selbstbewusst den Kunst- vom Kulturbegriff zu trennen, damit nicht alles in einen Topf kommt / aus einem Topf finanziert wird.
Das erscheint jedoch in Zeiten, wo ich 'mein' Betätigungsfeld auf den Internet-Seiten der 'Behörde für Kultur, Sport und Medien' weder als Medienkünstler noch als Mitarbeiter der Kunsthochschule repräsentiert finde, als utopisch.
Wesentliche Voraussetzung für eine künstlerische Selbstpositionierung ist aber eine umfassende Information über die aktuellen Vorgänge, damit jeder für sich legitimerweise aus Vorurteilen selbst ein Urteil bilden kann.
[man verzeihe die Gemeinplätze, die fehlenden 'die' und '/Innen']
[information wants to be free]
[correct me if I'm wrong]