Ein Briefwechsel mit dem ART Magazin (Axel Hecht)
Zum Beitrag von Ute Vorkoeper „Kurzer Prozess“ ein Briefwechsel von Herbert Hossmann:
„An die Leserbriefredaktion der ART
Brieffach 25
20444 Hamburg
Hamburg, 10.2.2004
Betr.: ART Nr. 2 2004
Beitrag von Boris Hohmeyer "Spuren der Barbarei und Gier“
Zeitgleich mit der Auslieferung Ihres ART Februarheftes mit dem Beitrag von
Boris Hohmeyer über den ICOMOS-Weltreport „Heritage at Risk“ 2002/2003 geht
durch die Presse die Meldung, dass in Hamburg Dieter Roths Schimmelmuseum
abgerissen wird.
Vor der drohenden Zerstörung des Rothschen Hauptwerks hat der
ICOMOS-Weltreport gewarnt (als eins von drei höchstgefährdeten Objekten in
der Bundesrepublik), ohne dass der Autor das Museum unmittelbar vor Ihrer
Haustür im ART-Bericht erwähnt.
Erstaunt frage ich mich, liegt hier ein Fall mangelnder journalistischer
Sorgfalt vor, wird die Arbeit von ICOMOS nicht ernst genommen oder gibt es
andere Gründe, einen Sachverhalt, der in Hamburg seit langer Zeit beunruhigt
und diskutiert wird, zu verschweigen. Eine Positionierung dazu von ART hätte
ich für notwendig gehalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Herbert Hossmann
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Axel Hecht
Chefredakteur ART
Hamburg, 13. Februar 2004
Sehr geehrter Herr Hossmann,
warum schmeißen Sie denn gleich mit Lehm? So einäugig, wie Sie behaupten,
ist die Redaktion doch gar nicht. Schließlich war art das erste Blatt, das
in einem Titelthema (Heft 8/1999) Dieter Roths Schimmelmuseum dargestellt
hat.
Und da meinen Sie, wir würden das Schicksal dieser beispiellosen Einrichtung
plötzlich gering schätzen? Da schauen Sie doch bitte das Editorial in der
kommenden März-Ausgabe an.
In einem Punkt bitte ich Sie freilich um Nachsicht: Ein Monatstitel wie art
hat gegenüber der Tagespresse doch längere Produktionszeiten, ein gewisses
Handicap.
Mit freundlichen Grüßen,
Axel Hecht
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Hamburg, 21.02.04
Sehr geehrter Herr Hecht,
für Ihre prompte Antwort auf meinen Leserbrief danke ich Ihnen. Allerdings
reizt sie mich zu erwidern.
Die Schleifung des Dieter Roth Museums hat zwei Aspekte, auf die ich
hinweisen wollte, und ich würde es sehr bedauern, wenn Sie meinen Leserbrief
nicht in der nächsten ART abdrucken.
1. Der kulturpolitische (vielleicht Hamburger) Aspekt
Ihr schöner Beitrag zum Schimmelmuseum ART 8/99 informiert, dass Roth keinen
Abriss und Neubau will. Doch über die Gefährdung des Museums wird in Hamburg
seit ewigen Zeiten geredet. Museumsleiter, Kuratoren, Kritiker,
Kunstverwalter haben das Thema aber nie aufgegriffen. Statt dessen nur
Abwiegelung von dieser Seite. Selbst die ICOMOS-Veröffentlichung, die auch
einen mehrmonatigen Vorlauf hatte, hat daran nichts geändert. Jedenfalls aus
Hamburg: keine Reaktion.
Erst die Pressemitteilung einer Künstlerinneninitiative hat den Abriss zum
Journalistenthema gemacht. Schwer denkbar, dass in einer anderen
bundesdeutschen Grosstadt ein derartiger Vorgang so lange hätte verschwiegen
werden können. Die Transformation der Kunst zur Ware und die vom Künstler
gewollte Wertvernichtung scheint in der Kaufmannsstadt kaum erträglich zu
sein.
2. Der kunsthistorische Aspekt
Das Schicksal des Schimmelmuseums ist ein Beispiel für die Unfähigkeit, das
Unverständnis und die Verantwortungslosigkeit des Umgangs mit situativer
Kunst nach dem Tod von Künstlern. Die Liste der hiervon Betroffenen wird
immer länger: Beuys und nun auch Dieter Roth sind nur die Prominentesten.
Diese Problematik muss aufgegriffen und ehrlich diskutiert werden. Schon
aus Respekt vor dem Lebenswerk der Künstler.
Mit freundlichen Grüßen,
Herbert Hossmann
Der Abdruck des Leserbriefes erfolgte weder in der März- noch in der
April-Ausgabe von ART.
Auszug aus dem Editorial von ART Heft Nr. 3, März 2004
Axel Hecht
Liebe Leserinnen und Leser,
"... Schon sind „Löwenturm“ und „Zuckerturm“ aus dem Schimmelmuseum
abtransportiert und die auch als „Wandstücke“ vom Künstler gerahmten
farbigen Feuchtbiotope wurden abgelöst und auf die Ewigkeit vorbereitet. Im
dereinst neuen und sauberen Museum sollen die Objekte wieder ausgestellt
werden. Auf der Strecke bleibt ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Das
Vermächtnis des radikalen Anti-Ästheten wird von der Abrissbirne
plattgemacht.
...
Leider hat der Mäzen Buse dem Schimmelmuseum seines großen Künstlerfreundes
nicht jenes Schicksal ermöglicht, das sein Urheber so deutlich angelegt hat:
die permanente Veränderung bis zum endgültigen Verfall.“
Anmerkung:
Nun, nachdem der Störfaktor Schimmelmuseum aus der Alsterchaussee entfernt
ist, fällt es leicht, von Gesamtkunstwerk zu sprechen und die Katastrophe
der Zerstörung zu beklagen.