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Kommentar [1]
12. November 2006

Artist run

von Nora Sdun

Im Nebeneinander der selbstorganisierten Ausstellungsräume Hamburgs gibt es zwei Grundmodelle. Modell Nr.1 ist eins der Personalisierung: Hier werden Räume von einer oder wenigen Person/en über eine gewisse Zeit geführt, die, wenn sie keine Lust mehr haben, ihre Orte wieder verschwinden lassen. Zu diesem. Modell gehören auch kurzfristige Initiativen, die einige Wochen lang zu Symposien oder Gruppenausstellungsszenarien laden. Nr.1-Modellbetreiber ähneln kommerziellen Galeristen oder Kuratoren, auch wenn die Modelle sich nur zu riesigen Schiffen mausern, behäbig und wichtigtuerisch wie Nationalgalerien, so die Kunstwerke in Berlin. Veteranen bei Nr. 1-Modellen sind übrigens selten. Wer früh beginnt, macht später irgendeine Karriere und hat das Projekt dann im Lebenslauf stehen. Nr. 2 ist ein Erbfolgemodell. Solche Projekte werden von großen Gruppen organisiert, deren Zusammensetzung stark fluktuiert, was natürlich die thematische Ausrichtung beeinflusst; dafür gehen diese Initiativen aber nicht an der Überforderung oder Frustration einzelner ein. Zu Modell Nr. 2 gehören auch Künstlerhäuser, die einen Ausstellungsbetrieb organisieren, wie etwa im Hamburger Vorwerkstift. Hier kommt es bisweilen zur Bildung von Veteranenzirkeln aus Personen, die ihr ganzes Berufsleben lang ehrenamtlich dem jeweiligen Haus vertraut sind. Ihr Beharren auf politischer Relevanz, dem ihre Projekte einst entsprangen, führt im Gespräch mit Jüngeren, obwohl man auf der selben Seite steht, zu sonderbaren Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten. Grob abgekürzt haben 20-30jährige ein doch sehr pragmatisches Verhältnis zur Politik (besonders zur Stadtpolitik, von deren Wohlwollen fast alle Räume abhängig sind), die ja nun wahrlich nicht mehr so sexy ist, wie sie das in den 70er Jahren war. Dass keine der beteiligten Personen eine vernünftige Beschreibung seiner Initiative geben kann, die Orte also wahlweise als Galerie, off Galerie, offspace, artist run place, Produzentengalerie oder nichtkommerzieller Ausstellungsraum bezeichnet werden, hat verschiedene Ursachen. Abhängig vom Eigendünkel der Betreiber findet sich eine Benamselung, die der Beschäftigung schmeichelt, aber das ist im Grunde nur eine Marginalie. Wesentlicher ist die Begriffsstutzigkeit Außenstehender, angefangen von Verwandten, der Presse sowie den Sachbearbeitern der Behörden und Stiftungen. Alle diese verschiedenen Menschen formulieren, was sie sich unter dem jeweiligen Projekt vorstellen, und nennen es dann eben bei diversen Namen. Bei der Verwandtschaft ist es meist eine Galerie, weil sie das schon mal gehört haben, bei der Presse werden es hymnisch besungene, vorbildhafte „Akzente der Stadt“ - moralisch vorzeigbar und überhaupt. Bei den Sachbearbeitern, die nur Wind davon bekommen, wenn sie um Fördergelder angegangen werden, muss man so lange verhandeln und die Kalkulationen frisieren und natürlich auch mit dem Namen in die vorgefertigten Formularbögen passen, dass sich daraus gestelzte Bezeichnungen mit dem höchst wichtigen Zusatz ’nicht kommerziell’ entwickeln. Kommerzielle Galeristen rühren Räume dieser Art; selten einmal sorgen ihre Ausstellungen für Nervosität oder gar Interesse. Künstlern, die einen kommerziellen Galeristen in Hamburg haben, wird von diesen jedenfalls dringend abgeraten, in den so genannten offspaces auszustellen. Sie argumentieren mit dem dann unweigerlich drohenden Stigma des Lokalmatadors - warum das so schlimm ist, verraten sie nicht. Für die freien Ausstellungsräume sind Lokalmatadore etwas sehr Praktisches. Die Lokalmatadore haben mindestens zwei Ausstellungen im Jahr in mindestens zwei der verschiedenen Ausstellungsräume. Sie sind es, die durch ihre Wandertätigkeit einen Gruppen bildenden Effekt auf die Vielzahl der Räume bewirken. Nicht die Organisatoren haben die schwierige Aufgabe, ideelle Nähe zu erforschen oder sich mit Sympathiebekundungen abzuplagen, sondern die ausgestellten Künstler bilden wie natürlich Schnittmengen. Darüber reflektiert wird nirgends. Ist vielleicht auch uninteressant. Freundlich grüßen sich die Organisatoren, welche dieselben Künstler ausstellen Wenn sie sich überhaupt treffen - besonders viel herum kommen die Organisatoren verglichen mit den Lokalmatadoren nicht, denn bei Ausstellungsmarathons, wie sie sich wochenends ergeben, sitzt man ja in seinem eigenen Laden und füllt die Besucher ab: diese wiederum wandern durch bis zu fünf verschiedene Ausstellungen am Abend. Zusätzliche Sechskampf-Situationen stellen sich ein, wenn außerdem noch der Kunstverein eröffnet oder Falckenberg eine Sause veranstaltet. Man ist aber doch zuverlässig orientiert über die Ausstellungen der anderen Räume, da die Besucher ja durchaus gesprächig sind, ja, sogar oft bereitwilliger über die anderen Ausstellungen reden als über die, in der sie gerade stehen. Das heißt, man weiß, wie das Publikum die Shows der anderen beurteilt; wie es diejenige findet, auf die man selbst gerade stolz ist, bekommt man nicht so leicht heraus. Über Ausstellungen, die man einfädelte, ist man wirklich stolz. Man prahlt sogar damit. Während eines Besuchs der bass erstaunten CDU-Abgeordneten Martens im Trottoir behauptete ich vollmundig, sie stehe in der besten Malereiausstellung des Jahres in ganz Hamburg. Doll. (Ich glaube das übrigens immer noch.) Diese ulkige Form einer sich zu toller Blüte entwickelnden Hybris ist Teil einer Professionalisierung, die man sich von den großen Institutionen abschaut. Dazu gehört eben dieses Superlativgeschwätz, begleitet von flankierenden Texten. „Perfekte“ Vor- und Nachbereitungen, die bei großen Häusern ein mindestens ebenso befangenes Netzwerk aus Kunstwissenschaftlern, Vorständen, zahllosen Praktikanten und Journalisten bewältigt, liefert man als Veranstalter aus einer oder drei Händen. Mit erbärmlichen Mitteln: Kuratieren, Pressetextschreiben, Gastgeber sein, und krönender Abschluss – Rezensieren. Klar, dass man darauf stolz ist (es kann auch unangenehm peinlich sein, wenn man nicht zufrieden ist mit der Ausstellung). Während man also mikroskopisch klein die internationale Kunstblase nachahmt, gern gesehen von allen, kommt einem nur selten die Idee, dass man gerade etwas sehr Ironisches betreibt. Wahrscheinlich, weil es so reibungslos im Kleinen doch nicht klappt. Denn man benötigt eine präzise Ansage des Vorhabens von Seiten des erwählten Künstlers, wenigstens einen Texttorso, der sich zu einer Presseerklärung frisieren lässt. Man ist angewiesen auf die Bereitstellung von Bildmaterial, Lebensläufen und ähnlichem, von der Presse heiß geliebtem Mumpitz mehr, das alles muss einen Monat vorher fertig sein! Das klappt fast nie - das nervt furchtbar. Je aggressiver man die Informationen einfordert, um so eher bekommt man sie auch. Je regelmäßiger man das schafft, um so eher hat man eine Chance, in der Presse aufzutauchen. Der Grad der Professionalisierung hängt ausschließlich an den Mitarbeitern des jeweiligen Veranstaltungsorts, nicht am Ausstellenden, seien es die Deichtorhallen oder das Trottoir. Die Regel ist, dass Künstler ebenso schlafwandlerisch sicher off Räume wie eine kommerzielle Galerie oder ein hochsubventioniertes Riesenhaus bespielen. Das Experiment, die Beschwörungsformel der selbstverwaltenden Organisatoren, die sich mit der damit verbundenen Freiheit gegenüber den Kommerzbuden abzugrenzen suchen, ist selten, obwohl es tatsächlich möglich ist. Paradox, aber wahr, ist ein Experiment viel wirkungsvoller als Inszenierung eines Experiments im Rahmen einer kommerziellen Galerie durchzuführen. Experiment bedeutet dann, die Inszenierung eines Moments des Widerstands gegen das kommerzielle System, in dem man gerade arbeitet. Off-Räume samt Apparat sind den Künstlern strukturell, trotz allem Professionalisierungskrampf, wohl so ähnlich, dass eine wie auch immer geartete Rockergeste verschenkt wäre, da der Kontrast nicht stark genug ist. Eine „Widerstandsausstellung“, die sich in off-Räumen gegen off-Räume richtet, habe ich noch nie gesehen. Ob das womöglich Solidarität ist, weiß ich nicht. Ausstellungen, die präzise auf den Raum zugeschnitten sind - sowohl die Großmannssucht des Kleinstbetriebs als auch den krass dazu abstehenden realen Kontext des Raumes reflektierend - und obendrein noch freie Kunst zeigen, sind einigermaßen selten und einem ausstellenden Künstler auch kaum zuzumuten. Das ist schließlich das Thema des Betreibers und nicht das des Künstlers. Also zerbricht man sich das Hirn, eine gute Auswahl zu treffen, um so in einer Reihe von Ausstellungen diesen Effekt hinzukriegen. Wie wirklich gut und entlastend, dass die Künstler sich nicht beeindrucken lassen von solchen Irrsinnskonzeptionen und einfach ausstellen. Solche Anstrengungen sind gottseidank nicht gleich nach Gründung einer entsprechenden Initiative typisch, sondern setzen nach und nach ein. Wenn man die Flyer als Auftrag an eine Druckerei gibt, statt im Copyshop krumpelige schwarz-weiß-Zettel zu schneiden, ist der Zeitpunkt gekommen. Besonders zügig geht es bei Nr.1-Modell-Betreibern, denn die werden sehr schnell sehr viel schlauer, weil sie sich nicht mit dem ständig Neueinordnen und socializing von Großgruppen herumplagen müssen. Nach kurzer Eingewöhnungsphase, in der man sich noch völlig abhängig von den Ausstellenden begreift, beginnt man einen Spieß zu halluzinieren, den man dann problemlos herumzudrehen beginnt. Man hat Macht. Und zwar eine andere als die Sorte Macht, die Künstler gegenüber anderen Künstlern haben. Man glaubt ein gesondertes Herrschaftswissen anzuhäufen, was Blödsinn ist, es funktioniert aber, und außerdem hat man ja auch noch den Hausschlüssel. Ähnlich verzögert setzt auch die Beschäftigung und Reflektion zur Geschichte solcher Initiativen ein, dem politischen Umfeld in dem man sich da plötzlich bewegt und ähnliche Überlegungen mehr. Denn der Beginn ist zauberhaft naiv, meist einer Schnapslaune entsprungen und im Fall Trottoir ein Zufall, denn ich wollte eigentlich die damals leer stehende Ladenzeile den ganzen Venusberg hinab kurzfristig mieten, was aber nicht ging, dafür ging dann eben das Schaufenster in der Ditmar-Koel-Straße für 30 Euro im Monat, und der freundliche, spanische Restaurantbesitzer reichte mir und Mathias frohlockend seine aquarellierten Speisekarten, ob wir die nicht auch gleich neu gestalten wollten, daraus wurde dann aber nichts.

Kommentar [1]
Ulrich Dörrie schrieb am 15.11.2006 23:39

da empfehle ich doch die Lektüre von
"dagegen-dabei",
Edition Michael Kellner, Hamburg 1999
hrsg. Dany/Dörrie/Sefkow
Da steht alles drin !

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